Die eigene Berufung und Sendung
entdecken und leben
58. Grundziel der Erziehung und Ausbildung der Laien ist
die immer eindeutigere Entdeckung der eigenen Berufung, sowie die wachsende
Bereitschaft, diese in der Erfüllung der eigenen Sendung zu leben.
Gott ruft mich und sendet mich als Arbeiter in seinen Weinberg. Er ruft mich und sendet mich, für die
Ankunft seines Reiches in der Geschichte zu arbeiten. Diese persönliche
Berufung und Sendung machen die Würde und Verantwortung eines jeden Laien aus
und sind Kristallisationspunkt der gesamten Erziehung und Ausbildung. Diese
wiederum sind auf die frohmachende Erkenntnis der Würde und auf die treue
hochherzige Antwort auf diese Verantwortung hingeordnet.
Gott hat von Ewigkeit her an uns gedacht und uns als
unwiederholbare, einmalige Menschen geliebt. Er hat einen jeden von uns bei
seinem Namen gerufen, wie der gute Hirt, der »die Schafe, die ihm gehören,
einzeln beim Namen« ruft (Joh 10, 3 ) . Aber der ewige Plan Gottes
enthüllt sich einem jeden von uns erst im geschichtlichen Ablauf unseres Lebens
und seiner Ereignisse nur schrittweise, in einem gewissen Sinn Tag für Tag.
Die Erkenntnis des konkreten Willens des Herrn über unser
Leben erfordert aufmerksames, gehorsames und bereites Hören auf das Wort Gottes
und der Kirche, kindliches und ständiges Beten, Rückhalt in einer weisen und
liebevollen geistlichen Führung, gläubige Deutung der empfangenen Gaben und
Talente und zugleich der verschiedenen sozialen und historischen Situationen,
in denen man steht.
Im Leben eines jeden Laien gibt es besonders
bedeutende und entscheidende Momente, den Ruf Gottes zu erkennen, und die
Sendung, die er anvertraut, aufzunehmen. Dazu zählen die frühe Jugend und
die Jugend. Man darf aber nicht vergessen, daß der Herr, wie der
Gutsbesitzer, die Arbeiter zu allen Stunden des Lebens ruft, das heißt,
daß er seinen heiligen Willen auf konkrete Weise punktuell kundtut. Darum muß
die Wachsamkeit als entgegenkommende Aufmerksamkeit für die Stimme Gottes immer
die Grundhaltung des Jüngers prägen.
Es geht aber nicht darum, lediglich zu wissen, was
Gott von uns, von jedem einzelnen in den verschiedenen Situationen des Lebens will.
Es geht darum, das, was Gott will, zu tun. Daran erinnert uns das Wort
Marias, der Mutter Jesu, an die Diener von Kana: »Was er euch sagt, das tut« (Joh
2, 5). Wir müssen fähig und immer fähiger werden, nach dem
Willen Gottes zu handeln. Dazu ist gewiß die Hilfe der Gnade Gottes notwendig,
die nie fehlt, wie Leo der Große behauptet: »Der, der die Würde verliehen hat,
wird die Kraft verleihen«.(210) Notwendig ist aber auch die freie und
verantwortliche Mitarbeit eines jeden von uns.
Diese wunderbare und zugleich anspruchsvolle Aufgabe
erwartet ausnahmslos alle Laien, alle Christen. Sie sollen die Reichtümer des
Glaubens und der Taufe immer mehr erkennen und in der wachsenden Fülle leben.
Der Apostel Petrus legt es uns nahe, wenn er von der Geburt und dem Wachstum
als zwei Etappen des christlichen Lebens spricht: »Verlangt, gleichsam als
neugeborene Kinder, nach der unverfälschten, geistigen Milch, damit ihr durch
sie heranwachst und das Heil erlangt« (1 Petr 2, 2).
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