Umfassende Erziehung und
Ausbildung auf die Einheit des Lebens hin
59. Bei der Entdeckung und Verwirklichung der eigenen
Berufung und Sendung müssen die Laien zu jener Einheit hingeführt
werden, die ihrem Sein als Glieder der Kirche und als Bürger der
menschlichen Gesellschaft entspricht.
Sie können keine Parallelexistenz führen: auf der einen
Seite ein sogenanntes »spirituelles« Leben mit seinen Werten und Forderungen
und auf der anderen Seite das sogenannte »welthafte« Leben, das heißt das
Familienleben, das Leben in der Arbeit, in den sozialen Beziehungen, im
politischen Engagement und in der Kultur.
Die Rebe, die im Weinstock Christi verwurzelt ist, trägt
in allen Bereichen ihres Wirkens und Lebens Früchte. Alle verschiedenen
Lebensbereiche der Laien sind im Plan Gottes inbegriffen. Er will, daß sie der
»geschichtliche Ort« der Offenbarung und Verwirklichung der Liebe Jesu Christi
zur Ehre des Vaters und im Dienst der Brüder und Schwestern werden. Jedes Tun,
jede Situation, jede konkrete Verpflichtung - wie zum Beispiel die Kompetenz
und die Solidarität in dér Arbeit, die Liebe und Hingabe in der Familie und in
der Erziehung der Kinder, der soziale und politische Dienst, das Künden der
Wahrheit auf dem Gebiet der Kultur - sind privilegierte Gelegenheiten für einen
»ständigen Vollzug von Glaube, Hoffnung und Liebe«.(211)
Das II. Vatikanische Konzil hat alle Gläubigen zu dieser Einheit
des Lebens aufgefordert und entschieden die Schwere der Zäsur zwischen
Glauben und Leben, zwischen Evangelium und Kultur verurteilt: »Das Konzil
fordert die Christen, die Bürger beider Gemeinwesen, auf, nach treuer Erfüllung
ihrer irdischen Pflichten zu streben und dies im Geist des Evangeliums. Die
Wahrheit verfehlen die, die im Bewußtsein, hier keine bleibende Stätte zu
haben, sondern die künftige zu suchen, darum meinen, sie könnten ihre irdischen
Pflichten vernachlässigen und so verkennen, daß sie, nach Maßgabe der jedem
zuteil gewordenen Berufung, gerade durch den Glauben selbst um so mehr zu deren
Erfüllung verpflichtet sind ... Diese Spaltung bei vielen zwischen dem Glauben,
den man bekennt, und dem täglichen Leben gehört zu den schweren Verirrungen
unserer Zeit«.(212) Aus diesem Grund habe ich behauptet, daß ein Glaube, der
nicht zur Kultur wird, ein Glaube ist, der »nicht voll angenommen, nicht ganz
durchdacht und nicht treu gelebt ist«.(213)
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