Geht auch ihr in meinen Weinberg
2.
»Um die dritte Stunde ging er wieder auf den Markt und sah andere dastehen, die
keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: Geht auch ihr in
meinen Weinberg« (Mt 20, 3-4).
Von diesem Tag an erklingt der Ruf unseres Herrn Jesus in
der Geschichte weiter: »Geht auch ihr in meinen Weinberg«. Er richtet
sich an jeden Menschen, der in diese Welt eintritt.
In unseren Tagen ist in der Kirche durch die erneute
Herabkunft des Heiligen Geistes, die mit dem II. Vatikanischen Konzil geschehen
ist, ein vertieftes Bewußtsein ihres missionarischen Charakters gereift. Sie
hat neu auf die Stimme ihres Herrn gehört, der sie als »allumfassendes Heilssakrament«(1)
in die Welt sendet.
Geht auch ihr. Der Ruf
ergeht nicht nur an die Hirten, an die Priester, an die Ordensleute. Er umfaßt
alle. Auch die Laien sind persönlich vom Herrn berufen, und sie empfangen von
ihm eine Sendung für die Kirche und für die Welt.
Gregor der Große erinnert an diese Tatsache wenn er zum
Volk predigt und das Gleichnis vom Weinberg so kommentiert: »Überprüft eure
Lebensweise, geliebteste Brüder, und seht, ob ihr schon Arbeiter des Herrn
seid. Ein jeder von euch überdenke, was er tut, und überlege, ob er dem
Weinberg des Herrn dient«.(2)
Vor allem das Konzil hat wertvolle Passagen seiner so
reichhaltigen theologischen, spirituellen und pastoralen Lehre dem Wesen, der
Würde, der Spiritualität, der Sendung und der Verantwortung der Laien gewidmet.
Und die Konzilsväter haben den Ruf Christi wiederholt und alle Laien,
Männer und Frauen, gerufen, in seinem Weinberg zu arbeiten: »Das Heilige
Konzil beschwört also im Herrn inständig alle Laien, dem Ruf Christi, der sie
in dieser Stunde noch eindringlicher einlädt, und dem Antrieb des Heiligen
Geistes gern, großmütig und entschlossen zu antworten. In besonderer Weise möge
die jüngere Generation diesen Anruf als an sich gerichtet betrachten und ihn
mit Freude und Hochherzigkeit aufnehmen; denn der Herr selbst lädt durch diese
Heilige Synode alle Laien noch einmal ein, sich von Tag zu Tag inniger mit ihm
zu verbinden und sich in seiner heilbringenden Sendung zusammenzuschließen;
dabei seien sie auf das, was sein ist, wie auf ihr eigenes bedacht (vgl.
Phil 2, 5).Von neuem sendet er sie in alle Städte und Ortschaften, in die
er selbst kommen will (vgl. Lk 10, 1)«.(3)
Geht auch ihr in meinen Weinberg. Diese Worte sind während der Bischofssynode, die
in Rom vom 1. bis 30. Oktober 1987 stattgefunden hat, gleichsam neu erklungen.
Die Väter gingen den Spuren des Konzils nach und öffneten sich den persönlichen
und gemeinsamen Erfahrungen der gesamten Kirche. Durch die vorausgegangenen
Synoden bereichert, haben sie sich spezifisch und umfassend mit dem Thema der
Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt befaßt.
Bei dieser Bischofsversammlung fehlte es nicht an
Vertretungen qualifizierter Laien, Männer und Frauen, die für die Arbeit der
Synode einen wesentlichen Beitrag eingebracht haben. Dieser ist bei der
Abschlußhomilie öffentlich gewürdigt worden: »Wir danken nicht nur dafür, daß
wir uns während der Synode an der Teilnahme der Laien (der »Auditores« und
der »Auditrices«) erfreuen konnten, sondern mehr noch dafür, daß der
Verlauf der Diskussionen uns die Möglichkeit gegeben hat, die Stimme der Gäste,
der Vertreter der Laien aus der ganzen Welt und aus den verschiedenen Ländern
zu hören und ihre Erfahrungen, ihre Ratschläge und Vorschläge, die aus ihrer
Liebe für die gemeinsame Sendung entspringen, in uns aufzunehmen«.(4)
Der Blick auf die nachkonziliare Zeit schenkte den
Synodenvätern die Überzeugung, daß der Geist die Kirche weiterhin erneuert,
indem er in zahlreichen Laien neue Impulse der Heiligkeit und der Teilnahme
weckt. Zeugnis davon gibt unter anderem der neue Stil der Zusammenarbeit
zwischen Priestern, Ordensleuten und Laien; die Mitwirkung in der Liturgie, in
der Verkündigung des Wortes Gottes und in der Katechese; die vielen Dienste,
die Laien anvertraut und von diesen übernommen werden; das vielfältige
Entstehen von Gruppen, Vereinigungen und geistlichen Gemeinschaften, sowie von
gemeinsamen Initiativen der Laien; die umfassendere und bedeutsamere Teilnahme
der Frauen am Leben der Kirche und an den Entwicklungen in der Gesellschaft.
Die Synode hat aber auch gezeigt, daß der Weg, den die
Laien nach dem Konzil begangen haben, nicht ganz frei von Gefahren und
Schwierigkeiten war. Wir denken vor allem an zwei Versuchungen, denen sie nicht
immer widerstanden haben: Die Versuchung, ihr Interesse so stark auf die
kirchlichen Dienste und Aufgaben zu konzentrieren, daß sie sich praktisch oft
von ihrer Verantwortung im Beruf, in der Gesellschaft, in der Welt der
Wirtschaft, der Kultur und der Politik dispensieren; und die Versuchung, die zu
Unrecht bestehende Kluft zwischen Glauben und Leben, zwischen der
grundsätzlichen Annahme des Evangeliums und dem konkreten Tun in verschiedenen
säkularen und weltlichen Bereichen zu rechtfertigen. Die Synode hat in ihrer
Arbeit immer wieder auf das II. Vatikanische Konzil zurückgegriffen, dessen
Lehre über die Laien aus einem Abstand von zwanzig Jahren eine erstaunliche
Aktualität, ja eine fast prophetische Bedeutung aufweist. Sie kann die
Antworten, die heute auf die neuen Probleme gegeben werden müssen, erhellen und
für diese richtungweisend sein. Die Herausforderung, der sich die Synodenväter
stellten, bestand im Grunde darin, konkrete Wege zu finden, damit die
vielversprechende »Theorie« über die Laien, die das Konzil zum Ausdruck
gebracht hat, zur echten kirchlichen Praxis wird. Einige Probleme treten durch
eine bestimmte »Neuartigkeit« hervor, so daß sie zumindest im chronologischen
Sinn als nachkonzilar bezeichnet werden können. Ihnen widmeten die Synodenväter
im Lauf ihrer Besprechungen und Überlegungen besondere Aufmerksamkeit. Von
diesen sollen vor allem die kirchlichen Dienste und Aufgaben, die Laien
anvertraut sind oder anvertraut werden sollen, hier genannt sein, das Wachstum
und die Verbreitung von neuen »Bewegungen« neben anderen Formen der Zusammenschlüsse
der Laien sowie die Stellung und Aufgabe der Frau in Kirche und Gesellschaft.
Am Schluß ihrer Arbeit, die sie mit großem Engagement,
mit Kompetenz und Hochherzigkeit ausgeführt haben, legten die Synodenväter mir
den Wunsch und die Bitte vor, zu gegebener Zeit der Kirche ein Abschlußdokument
über die Laien zu schenken.(5)
Dieses nachsynodale Apostolische Schreiben möchte den
Wert und den Reichtum der gesamten Synodenarbeit ins Licht stellen, angefangen
von den Lineamenta bis hin zum Instrumentum Laboris, von der
einleitenden Relatio bis zu den Beiträgen der einzelnen Bischöfe und Laien und
der zusammenfassenden Relatio nach der Diskussion im Plenum, von den
Diskussionen und Berichten der »circoli minori« bis hin zu den »propositiones«
und der Schlußbotschaft. Darum ist dieses Dokument nicht neben der Synode zu
sehen, sondern es ist vielmehr ihr getreuer und kohärenter Ausdruck. Es ist das
Ergebnis der kollegialen Arbeit, zu deren endgültigem Gelingen der Rat des
Generalsekretariates der Synode und das Sekretariat selbst beigetragen haben.
Das Apostolische Schreiben möchte ein neues Bewußtsein
von den Gaben und der Verantwortung aller Laien und jedes einzelnen für die
Sendung und communio der Kirche wecken und lebendig erhalten.
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