Die Bedürfnisse der heutigen
Welt: Warum steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum?
3. Der tiefste Sinn dieser Synode und die kostbarste
Frucht, die sie sich gewünscht hat, liegen darin, daß die Laien den Ruf
Christi vernehmen, in seinem Weinberg zu arbeiten, in dieser herausragenden und
dramatischen Stunde der Geschichte am Übergang zum dritten Jahrtausend an
der Sendung der Kirche teilzunehmen: lebendig, verantwortlich und bewußt.
Neue kirchliche, gesellschaftliche, wirschaftliche,
politische und kulturelle Gegebenheiten rufen heute mit besonderer Intensität
nach dem Engagement der Laien. Sich der Verantwortung zu entziehen, war schon
immer verfehlt. Heute aber liegt darin eine noch größere Schuld. Niemandem
ist es erlaubt, untätig zu bleiben.
Verfolgen wir das Gleichnis des Evangeliums weiter: »Als
er um die elfte Stunde noch einmal hinging, traf er wieder einige, die dort
herumstanden. Er sagte zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig
herum? Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht
auch ihr in meinen Weinberg!« (Mt 20, 6-7).
Die Arbeit, die alle im Weinberg des Herrn erwartet, ist
so groß, daß kein Raum für Untätigkeit bleibt. Der »Gutsbesitzer« wiederholt
noch nachdrücklicher seine Einladung: »Geht auch ihr in meinen Weinberg!«
Im tiefsten Wesen eines jeden Christen, der durch den
Glauben und die christlichen Initiationssakramente Christus gleichgeschaltet,
lebendiges Glied der Kirche und aktives Subjekt ihrer Heilssendung ist,
erklingt die Stimme des Herrn. Sie wird aber auch in den Ereignissen der
Kirchengeschichte und der Geschichte der Menschen vernehmbar, wie das Konzil es
uns in Erinnerung gebracht hat: »Im Glauben daran, daß es vom Geist des Herrn
geführt wird, der den Erdkreis erfüllt, bemüht sich das Volk Gottes, in den
Ereignissen, Bedürfnissen und Wünschen, die es zusammen mit den übrigen
Menschen unserer Zeit teilt, zu unterscheiden, was darin wahre Zeichen der
Gegenwart oder der Absicht Gottes sind. Der Glaube erhellt nämlich alles mit
einem neuen Licht, enthüllt den göttlichen Ratschluß hinsichtlich der
integralen Berufung des Menschen und orientiert daher den Geist auf wirklich
humane Lösungen hin«.(6) Wir müssen darum einen klaren Blick auf diese unsere
Welt mit ihren Werten und mit ihren Problemen, mit ihren Nöten und mit ihren
Hoffnungen, mit ihren Errungenschaften und mit ihren Niederlagen werfen: Eine
Welt, deren wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und kulturelle
Verhältnisse größere und gravierendere Probleme und Schwierigkeiten aufweisen,
als die, die das Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes(7)
beschrieben hat. Und dennoch ist diese Welt der Weinberg, sie ist
der Ort, wo die Laien dazu berufen sind, ihre Sendung zu erfüllen. Jesus will,
daß sie wie alle seine Jünger Salz der Erde und Licht der Welt seien (vgl. Mt
5, 13-14): Wie aber sieht das Antlitz der »Erde« und der »Welt« aus,
deren »Salz« und »Licht« die Christen sein sollen?
Die Verschiedenheit der Situationen und Probleme in der
heutigen Welt ist groß und von raschen Veränderungen gekennzeichnet. Von
unzutreffenden Verallgemeinerungen und Vereinfachungen muß darum abgesehen
werden. Aber es ist möglich, einige Grundtendenzen, die in der heutigen
Gesellschaft erkenntlich sind, aufzugreifen. Wie auf dem Feld, das im
Evangelium beschrieben wird, Unkraut und gutes Getreide wachsen, so finden sich
in der Geschichte als der täglichen Bühne des oft widersprüchlichen Gebrauchs
menschlicher Freiheit das Gute und das Böse, die Ungerechtigkeit und die
Gerechtigkeit, die Not und die Hoffnung oft nebeneinander und zuweilen sogar
eng miteinander verkettet.
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