In der Welt zur Heiligkeit
gelangen
17. Die Berufung der Laien zur Heiligkeit bringt es mit
sich, daß das Leben nach dem Geist vor allem in ihrem Einbezogensein in den
weltlichen Bereich und in ihrer Teilnahme an den irdischen Tätigkeiten zum
Ausdruck kommt. Der Apostel ermahnt uns noch einmal: »Alles, was ihr in Worten
und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem
Vater!« (Kol 3, 17). Das Konzil wendet die Worte des Apostels auf die
Laien an und erklärt ausdrücklich: »Weder die häuslichen Sorgen noch die
anderen Aufgaben, die das Leben in der Welt stellen, dürfen außerhalb des
Bereiches ihres geistlichen Lebens stehen«.(45) Die Synodenväter meinten
ihrerseits: »Die Einheit des Lebens der Laien ist von entscheidender Bedeutung:
Sie müssen sich in ihrem alltäglichen beruflichen und gesellschaftlichen Leben
heiligen. Um ihre Berufung zu erfüllen, müssen die Laien ihr Tun im Alltag als
Möglichkeit der Vereinigung mit Gott und der Erfüllung seines Willens sowie als
Dienst an den anderen Menschen betrachten, um sie in Christus zur Gemeinschaft
mit Gott zu führen«.(46)
Die Laien müssen ihre Berufung zur Heiligkeit als
unverzichtbare Pflicht, die sie fordert, vor allem aber als leuchtendes Zeichen
der Liebe Gottes, der sie zu seinem Leben der Heiligkeit erlöst hat, verstehen
und verwirklichen. Eine solche Berufung muß sich also als wesentlicher und
untrennbarer Bestandteil des neuen Lebens, das uns in der Taufe geschenkt
wurde, und somit als konstitutiver Bestandteil der Würde der Laien
verstehen. Die Berufung zur Heiligkeit ist mit der Sendung sowie mit der
Verantwortung, die den Laien in der Kirche und in der Welt anvertraut ist, aufs
engste verknüpft. Die gelebte Heiligkeit, die aus der Teilnahme am
Heiligkeitsleben der Kirche fließt, stellt den ersten und grundlegenden Beitrag
zum Aufbau der Kirche als »Gemeinschaft der Heiligen« dar. Im Licht des
Glaubens erschließt sich uns ein wundervoller Horizont: Die zahlreichen Laien,
Männer und Frauen, die in ihrem Leben und ihrem alltäglichen Tun oft ungesehen
und sogar unverstanden, von den Großen dieser Erde nicht anerkannt, aber vom
Vater in Liebe angeschaut, unermüdliche Arbeiter im Weinberg des Herrn sind und
so demütige, aber - durch die Kraft der Gnade Gottes - große Mitwirkende am
Wachstum des Reiches Gottes in der Geschichte werden.
Die Heiligkeit ist fundamentale Bedingung und
unverzichtbare Voraussetzung für die Erfüllung der Heilssendung der Kirche. Die
geheime Quelle und das unfehlbare Maß der apostolischen Wirksamkeit und der
missionarischen Kraft der Kirche ist ihre Heiligkeit. Nur in dem Maß, in dem
sie sich als Braut Christi seiner Liebe aussetzt und ihn wiederliebt, wird die
Kirche im Geist zur fruchtbaren Mutter.
Greifen wir wieder zurück zum biblischen Bild: das
Sprießen und Wachsen der Reben ist gegeben durch ihre Verbindung mit dem
Weinstock. »Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn
sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht
in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und
in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt vor mir könnt ihr
nichts vollbringen« (Joh 15, 4-5).
Es liegt nahe, hier die feierlichen Selig- und
Heiligsprechungen von Laien, Männer und Frauen, die während der Synode
stattgefunden haben, in Erinnerung zu rufen. Das gesamte Volk Gottes und vor
allem die Laien können nun auf neue Vorbilder der Heiligkeit, die in gewöhnlichen
und alltäglichen Situationen menschlicher Existenz gelebt haben, auf neue
Zeugnisse heroischer Tugend schauen. Die Synodenväter sagten darüber: »Die
Ortskirchen und vor allem die sogenannten jungen Kirchen müssen aufmerksam
unter ihren Gliedern jene Männer und Frauen zu erkennen suchen, die in diesen
Situationen (den alltäglichen Situationen der Welt und des Ehestandes) ein
Zeugnis der Heiligkeit gegeben haben und anderen Vorbild sein können, damit sie
gegebenenfalls für die Selig -oder Heiligsprechung vorgeschlagen werden«.(47)
Am Schluß dieser Überlegungen, die den Ort der Laien in
der Kirche definieren wollten, kommt uns die berühmte Ermahnung Leos des Großen
in den Sinn: »O Christ, erkenne deine Würde!«(48) Die gleiche
Ermahnung hat Maximus, Bischof von Turin, an alle gerichtet, die die Salbung
der heiligen Taufe empfangen hatten: »Bedenkt die Ehre, die euch in diesem
Geheimnis zuteil wurde!«(49) Alle Getauften sind aufgerufen, erneut auf die
Worte des heiligen Augustinus zu hören: »Freuen wir uns und danken wir: wir
sind nicht nur Christen, sondern Christus geworden ... Staunt und frohlockt:
Wir sind Christus geworden«.(50)
Die christliche Würde, die Ursprung der Gleichheit aller
Glieder der Kirche ist, gewährleistet und fördert den Geist der communio und
der Brüderlichkeit und ist zugleich Geheimnis und Kraftquelle der apostolischen
und missionarischen Dynamik der Laien. Diese Würde ist anspruchsvoll,
sie ist die Würde der Arbeiter, die der Herr in seinen Weinberg gerufen
hat: »So obliegt allen Laien« - lesen wir in den Konzilstexten - »die
ehrenvolle Bürde, dafür zu wirken, daß der göttliche Heilsratschluß mehr und
mehr alle Menschen aller Zeiten und überall auf der Erde erreiche«.(51)
|