Das Konzil und die
communio-Ekklesiologie
19. Das ist die Grundvorstellung von sich selbst, die die
Kirche im II. Vatikanischen Konzil zum Ausdruck gebracht, und die die
Außerordentliche Synode von 1985 uns zwanzig Jahre nach dem Ereignis des Konzils
in Erinnerung gerufen hat: »Die communio-Ekklesiologie ist der zentrale und
grundlegende Gedanke der Konzilsdokumente. Die koinonia-communio, die in
der Heiligen Schrift begründet ist, nimmt in der alten Kirche und in den
östlichen Kirchen bis in unsere Tage hinein eine Vorrangstellung ein. Darum ist
seit dem II. Vatikanischen Konzil viel getan worden, um das Verständnis der
Kirche als communio zu fördern und konkreter in das Leben umzusetzen. Was
bedeutet das vielschichtige Wort "communio"? Es geht im Letzten um
die Gemeinschaft mit Gott durch Jesus Christus im Heiligen Geist. Diese
communio ist im Wort Gottes und in den Sakramenten gegeben. Die Taufe ist der
Zugang zur communio der Kirche und ihr Fundament. Die Eucharistie ist Quelle
und Höhepunkt des christlichen Lebens (vgl. LG, 11). Die Kommunion des
eucharistischen Leibes Christi bedeutet und erwirkt, das heißt, sie baut die
tiefe communio aller Gläubigen im Leib Christi, der die Kirche ist, auf (1 Kor
10, 16 f)«.(53)
Am Tag nach dem Konzil sprach Paul VI. zu den Gläubigen:
»Die Kirche ist eine communio. Was bedeutet in diesem Fall communio? Wir weisen
hin auf das Kapitel des Katechismus, das von der sanctorum communionem, von
der Gemeinschaft der Heiligen handelt. Und Gemeinschaft der Heiligen bedeutet
eine zweifache lebensmäßige Teilhabe: die Eingliederung der Christen in das
Leben Christi und das kreisförmige Weiterströmen dieser Liebe unter allen
Gläubigen in dieser und in der anderen Welt. Einheit mit Christus und in
Christus; und Einheit unter den Christen in der Kirche«.(54)
Die biblischen Bilder, mit denen das Konzil uns in die
Betrachtung des Geheimnisses der Kirche einführen wollte, werfen Licht auf die
Realität der Kirche als communio in ihren unzertrennbaren Dimensionen der
Gemeinschaft der Christen mit Christus und der Gemeinschaft der Christen
untereinander. Diese Bilder handeln vom Schafstall, von der Herde, vom
Weinstock, vom geistigen Haus, von der heiligen Stadt.(55)
Im Vordergrund steht vor allem das Bild des Leibes, das
uns vom heiligen Paulus gegeben wurde, und dessen Lehre uns an vielen Stellen
der Konzilstexte in ihrer ganzen Ursprünglichkeit und Anziehungskraft
entgegenkommt.(56) Das Konzil wiederum schöpft aus der gesamten Heilsgeschichte
und stellt uns das Bild der Kirche als Volk Gottes erneut dar: »Gott hat
es aber gefallen, die Menschen nicht einzeln unabhängig von aller
wechselseitigen Verbindung zu heiligen und zu retten, sondern sie zu einem
Volke zu machen, das ihn in Wahrheit anerkennen und ihm in Heiligkeit dienen
soll«.(57) Schon in ihren ersten Zeilen faßt die Konstitution Lumen Gentium diese
Lehre zutreffend zusammen, wenn sie schreibt: »Die Kirche ist ja in Christus
gleichsam das Sakrament, das heißt, Zeichen und Werkzeug für die innigste
Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit«.(58)
Die Realität der Kirche als communio ist wesentlicher Bestandteil, ja sie stellt den zentralen
Inhalt des »Mysteriums«, das heißt, des göttlichen Heilsratschlusses für
die Menschen dar. Darum kann die communio der Kirche nicht verstanden werden,
wenn man sie lediglich als soziologische oder psychologische Gegebenheit
betrachtet. Die Kirche als communio ist das »neue« Volk, das »messianische«
Volk, das »zum Haupte Christus« hat, »dem die Würde und die Freiheit der Kinder
Gottes« zu eigen ist, dessen »Gesetz ... das neue Gebot ..., zu lieben wie
Christus uns geliebt hat« und dessen »Bestimmung endlich ... das Reich Gottes«
ist, das »von Christus als Gemeinschaft des Lebens, der Liebe und der Wahrheit
gestiftet« worden ist.(59) Die Bande, die die Glieder des Volkes Gottes
untereinander - und vor allem mit Christus - verbinden, sind nicht die des
»Fleisches« und des »Blutes«, sondern die des Geistes, genauer noch, die des
Heiligen Geistes, den alle Getauften empfangen (vgl. Joel 3, 1).
Derselbe Geist, der von Ewigkeit die einzige und
ungeteilte Dreifaltigkeit vereinigt, der Geist, der »als die Zeit erfüllt war«
(Gal 4, 4), das menschliche Fleisch unzertrennlich mit dem Sohn
Gottes vereinigt, derselbe und dergleiche Geist ist im Lauf der christlichen
Generationen die unversiegbare und unerschöpfliche Quelle der communio der
Kirche und in der Kirche.
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