Organische communio:
Verschiedenheit und Komplementarität
20. Genauer betrachtet stellt die communio der Kirche
sich als »organische communio« dar, ähnlich der eines lebendigen und wirkenden
Leibes: Sie ist gekennzeichnet von der Koexistenz der Verschiedenheit und
der Komplementarität der Berufungen, Lebenssituationen, Diensten,
Charismen und Verantwortungen. Dank dieser Verschiedenheit und Komplementarität
steht jeder Laie in Beziehung zum gesamten Leib und bringt seinen
Beitrag in ihn ein. Der heilige Paulus betont auf ganz besondere Weise die
organische communio des mystischen Leibes Christi. Wir finden seine reiche
Lehre in der Synthese, die das Konzil uns geboten hat: Jesus Christus - so
lesen wir in der Konstitution Lumen Gentium - hat, »indem er nämlich
seinen Geist mitteilte, ... seine Brüder, die er aus allen Völkern
zusammenrief, in geheimnisvoller Weise gleichsam zu seinem Leib gemacht. In
jenem Leibe strömt Christi Leben auf die Gläubigen über ... Wie aber alle
Glieder des menschlichen Leibes, obschon sie viele sind, dennoch den einen Leib
ausmachen, so auch die Gläubigen in Christus (vgl. 1 Kor 12, 12).
Auch bei der Auferbauung des Leibes Christi waltet die Verschiedenheit der
Glieder und der Aufgaben. Der eine Geist ist es, der seine vielfältigen Gaben
gemäß seinem Reichtum und den Erfordernissen der Dienste zum Nutzen in der
Kirche austeilt (vgl. 1 Kor 12, 1-11). Unter diesen Gaben ragt die Gnade
der Apostel heraus, deren Autorität der Geist selbst auch die Charismatiker
unterstellt (vgl. 1 Kor 14). Derselbe Geist eint durch sie und
durch seine Kraft, wie durch die innere Verbindung der Glieder den Leib; er
bringt die Liebe der Gläubigen untereinander hervor und treibt sie an. Folglich
leiden, wenn ein Glied leidet, alle Glieder mit, und wenn ein Glied Ehre
empfängt, freuen sich alle Glieder mit (vgl. 1 Kor 12, 26)«.(60)
Das dynamische Prinzip der Verschiedenheit und der
Einheit der Kirche und in der Kirche ist immer derselbe Geist. Wir
lesen ferner in der Konstitution Lumen Gentium: »Damit wir aber in ihm
unablässig erneuert werden (vgl. Eph 4, 23), gab er uns von
seinem Geist, der als der eine und gleiche im Haupt und in den Gliedern wohnt
und den ganzen Leib so lebendig macht, eint und bewegt, daß die heiligen Väter
sein Wirken vergleichen konnten mit der Aufgabe, die das Lebensprinzip - die
Seele - im menschlichen Leibe erfüllt«.(61) In einem anderen Passus, dessen
Dichte und Fülle die »Organizität« der communio der Kirche auch unter dem
Gesichtspunkt ihres dauernden Wachstums auf die vollkommene communio hin
aufschließt, schreibt das Konzil: »Der Geist wohnt in der Kirche und in den
Herzen der Gläubigen wie in einem Tempel (vgl. 1 Kor 3, 16; 6, 19), in
ihnen betet er und bezeugt ihre Annahme an Sohnes Statt (vgl. Gal 4, 6;
Röm 8, 15-16. 26). Er führt die Kirche in alle Wahrheit ein (vgl. Joh
16, 13), eint sie in Gemeinschaft und Dienstleistung, bereitet und lenkt
sie durch die verschiedenen hierarchischen und charismatischen Gaben und
schmückt sie mit seinen Früchten (vgl. Eph 4, 11-12; 1 Kor 12, 4;Gal
5, 22). Durch die Kraft des Evangeliums läßt er die Kirche allezeit sich
verjüngen, erneut sie immerfort und geleitet sie zur vollkommenen Vereinigung
mit ihrem Bräutigam. Denn der Geist und die Braut sagen zum Herrn Jesus:
"Komm" (vgl. Apk 22, 17)«.(62)
Die communio der Kirche ist also eine Gabe, eine große Gabe des Heiligen Geistes, die die Laien
dankbar annehmen und mit tiefem Verantwortungsbewußtsein leben sollen. Das
geschieht konkret durch ihre Teilnahme am Leben und an der Sendung der Kirche,
in deren Dienst sie ihre verschiedenen und komplementären Aufträge und
Charismen stellen.
Der Laie »kann sich nicht in sich selbst verschließen und
geistig von der Gemeinschaft trennen, er muß in einem dauernden Austausch mit
den anderen leben, aus einem lebendigen Sinn für Brüderlichkeit, in der Freude
der gleichen Würde und im Bemühen, gemeinsam den großen Schatz, der als Erbe
empfangen wurde, fruchtbar werden zu lassen. Der Geist des Herrn schenkt ihm
wie auch den anderen vielfältige Charismen, er lädt ihn zu verschiedenen
Diensten und Aufgaben ein und erinnert ihn daran, so wie er im Hinblick auf ihn
andere daran erinnert, daß das, was ihn unterscheidet, nicht ein mehr an
Würde, sondern eine besondere und komplementäre Befähigung zum Dienst ist
... So bestehen die Charismen, die Dienste, die Aufgaben des Laien in der
communio und für die communio. Sie sind komplementäre Reichtümer für den Dienst
an allen unter der weisen Führung der Hirten«.(63)
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