Die Charismen
24. Der Heilige Geist vertraut der Kirche als communio
die verschiedenen Ämter an. Zugleich bereichert er sie mit anderen besonderen
Gaben und Impulsen, Charismen genannt. Sie können als Ausdruck der
vollkommenen Freiheit des Geistes, der sie schenkt, oder als Antwort auf die
vielfältigen Bedürfnisse im Lauf der Geschichte der Kirche verschiedene Formen
annehmen. Die Beschreibung und Klassifizierung dieser Gaben in den Schriften
des Neuen Testamentes beweisen ihre große Vielfalt. »Jedem aber wird die
Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. Dem einen wird vom
Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern durch den gleichen
Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, dem dritten im gleichen Geist
Glaubenskraft, einem andern - immer in dem einen Geist - die Gabe, Krankheiten
zu heilen, einem andern Wunderkräfte, einem andern prophetische Reden, einem
andern die Fähigkeit, Geister zu unterscheiden, wieder einem andern
verschiedene Arten von Zungenreden, einem andern schließlich die Gabe, sie zu
deuten« (1 Kor 12, 7-10; vgl. 1 Kor 12, 4-6. 28-31; Röm
12, 6-8; 1 Petr 4, 10-11).
Ob sie außergewöhnlich oder bescheiden und einfach sind,
stellen die Charismen Gnaden des Heiligen Geistes dar, die unmittelbar
oder mittelbar der Kirche Nutzen bringen, weil sie auf ihre Auferbauung,
auf das Wohl der Menschen und auf die Bedürfnisse der Welt hingeordnet sind.
Auch in unseren Zeiten fehlt das Aufkommen von
verschiedenen Charismen unter den Laien, Männern und Frauen, nicht. Sie werden
dem einzelnen gegeben, können aber von anderen geteilt werden, so daß sie als
kostbares und lebendiges Erbe in der Zeit fortdauern und zwischen einzelnen
Menschen eine besondere geistige Verwandtschaft schaffen. Gerade im Hinblick
auf das Laienapostolat schreibt das II. Vatikanische Konzil: »Zum Vollzug
dieses Apostolates schenkt der Heilige Geist, der ja durch den Dienst des Amtes
und durch die Sakramente die Heiligung des Volkes Gottes wirkt, den Gläubigen
auch noch besondere Gaben (vgl. 1 Kor 12, 7); "einem jeden
teilt er sie zu, wie er will" (1 Kor 12, 11), damit alle,
"wie ein jeder die Gnadengabe empfangen hat, mit dieser einander
helfen"und so auch selbst "wie gute Verwalter der mannigfachen Gnade
Gottes" seien (1 Petr 4, 10) zum Aufbau des ganzen
Leibes in der Liebe (vgl. Eph 4, 16)«.(79)
Gemäß der Logik des ursprünglichen Schenkens, aus dem sie
kommen, verlangen die Gaben des Geistes, daß jene, die sie empfangen haben, sie
für das Wachstum der gesamten Kirche verwenden, so wie das Konzil es uns in
Erinnerung gerufen hat.(80)
Die Charismen müssen von jenen, die sie empfangen, aber
auch von der gesamten Kirche in Dankbarkeit angenommen werden. Sie
beinhalten einen besonderen Reichtum an Gnade für die apostolische Dynamik und
für die Heiligkeit des ganzen Leibes Christi, vorausgesetzt, daß es sich um
Gaben handelt, die in der Tat vom Geist kommen und in vollkommenem Einklang mit
echten Antrieben des Geistes ausgeübt werden. Darum ist eine Unterscheidung
der Charismen immer notwendig. Wie die Synodenväter ausgesagt haben, »kann
das Wirken des Geistes, der weht, wo er will, nicht immer mit Leichtigkeit
erkannt und angenommen werden. Wir wissen, daß Gott in allen Gläubigen wirkt,
und wir sind uns der Wohltaten bewußt, die uns von den Charismen kommen, sei es
im Hinblick auf die einzelnen wie auf die ganze christliche Gemeinde, aber wir
wissen auch um die Macht des Bösen und um sein Bemühen, das Leben der Gläubigen
und der Gemeinde zu stören und durcheinanderzubringen«.(81)
Darum dispensiert kein Charisma von der Rückbindung an
die Hirten der Kirche und von der Unterordnung unter sie. Das Konzil
schreibt mit großer Klarheit: »Das Urteil über ihre (der Charismen) Echtheit
und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung
haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen,
sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten (vgl. 1 Thess 5, 12 u.
19-21)«,(82) damit alle Charismen in ihrer Verschiedenheit und Komplementarität
zum Allgemeinwohl beitragen.(83)
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