Missionarische Communio
32. Wir greifen wieder zurück auf das biblische Bild des
Weinstocks und der Reben. Es führt wie von selbst unmittelbar zu einer
Betrachtung über die Fruchtbarkeit und das Leben. Durch den Weinstock
verwurzelt und belebt, sind die Reben berufen, Frucht zu bringen: »Ich bin der
Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der
bringt reiche Frucht« (Joh 15, 5). Frucht bringen ist eine
wesentliche Forderung des christlichen und kirchlichen Lebens. Wer keine Frucht
bringt, bleibt nicht in der communio: »Jede Rebe an mir, die keine Frucht
bringt, schneidet er (mein Vater) ab« (Joh 15, 2).
Die Gemeinschaft mit Jesus, von der sich die Gemeinschaft
der Christen untereinander ableitet, ist eine unverzichtbare Voraussetzung, um
Frucht zu bringen: »Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen« (Joh 15,
5). Die schönste Frucht, die die Reben bringen können, ist die Gemeinschaft mit
den anderen, die Gabe Christi und seines Geistes ist.
Die communio schafft communio und stellt sich
wesentlich als missionarische communio dar. Jesus sagt zu seinen
Jüngern: »Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt, und dazu
bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht
bleibt« (Joh 15, 16).
Communio und Sendung sind zutiefst miteinander verbunden,
sie durchdringen und bedingen einander, so daß die communio zugleich Quelle
und Frucht der Sendung ist: die communio ist missionarisch und die Sendung gilt
der communio. Es ist derselbe Geist, der die Kirche sammelt und eint und
der sie sendet, das Evangelium »bis an die Grenzen der Erde« (Apg 1, 8)
zu verkünden. Die Kirche weiß, daß die communio, die sie als Gabe empfangen
hat, eine universale Ausrichtung kennt. Sie weiß um ihre Verpflichtung, der
gesamten Menschheit und jedem Menschen die Gabe weiterzugeben, die sie vom
Geist empfangen hat, der in den Herzen der Gläubigen die Liebe Christi als
dynamische Kraft der inneren Einheit und zugleich des Wachstums in die Weite
ausgegossen hat. Die Sendung der Kirche erwächst aus ihrem von Christus so
gewollten Wesen: »Sakrament und Zeichen ... für die Einheit der ganzen
Menschheit«.(120) Diese Sendung hat das Ziel, allen das Erlebnis der »neuen«
Gemeinschaft zu schenken, die im Sohn Gottes in die Weltgeschichte eingetreten
ist. In diesem Sinn definiert das Zeugnis des Evangelisten Johannes auf nunmehr
unwiderrufliche Weise das seligmachende Endziel, auf das die Sendung der Kirche
hingeordnet ist: »Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch
euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit
dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus« (1 Joh 1, 3).
Im Rahmen der Sendung der Kirche vertraut der Herr den
Laien in Gemeinschaft mit allen anderen Gliedern des Volkes Gottes einen großen
Anteil von Verantwortung an. Die Väter des II. Vatikanischen Konzils waren
sich dieser Tatsache voll bewußt: »Die geweihten Hirten wissen sehr gut,
wieviel die Laien zum Wohl der ganzen Kirche beitragen. Sie wissen ja, daß sie
von Christus nicht bestellt sind, um die ganze Heilsmission der Kirche an der
Welt auf sich zu nehmen, sondern daß es ihre vornehmliche Aufgabe ist, die
Gläubigen so als Hirten zu führen und ihre Dienstleistungen und Charismen so zu
prüfen, daß alle in ihrer Weise zum gemeinsamen Werk einmütig
zusammenarbeiten«.(121) Dieses Bewußtsein trat wieder mit neuer Klarheit und
größerer Deutlichkeit in der gesamten Arbeit der Synode zutage.
|