Zweyter Aufzug.
Erster
Auftritt.
Das
Theater ist ein Palmwald; alle Bäume sind sil-
berartig, die Blätter von
Gold. 18. Sitze von
Blättern; auf einem jeden Sitze steht eine
Pyramide und ein großes schwarzes Horn mit
Gold gefaßt. In
der Mitte ist die
größte
Pyramide, auch die größten Bäume. Sarastro
nebst andern Priestern kommen in feyerlichen
Schritten, jeder mit einem Palmzweige in der
Hand. Ein Marsch mit blasenden Instrumenten
begleitet den Zug.
Sarastro (nach einer Pause.)
Ihr, in dem Weisheitstempel eingeweihten Diener
der
großen Göttin Osiris und Isis!
-- Mit reiner
Seele
erklär ich euch, daß
unsre heutige Versamm-
lung eine der wichtigsten unsrer Zeit ist. --
Tamino, ein Königssohn, 20 Jahre seines Alters,
wandelt an
der nördlichen Pforte unsers Tempels,
und seufzt
mit tugendvollem Herzen nach einem
Ge-
genstande, den wir alle mit Mühe und Fleiß
errin-
gen
müssen. -- Kurz, dieser Jüngling will seinen
nächtlichen
Schleyer von sich reißen, und ins Hei-
ligthum des
größten Lichtes blicken. --
Diesen
Tugendhaften
zu bewachen, ihm freundschaftlich die
Hand zu
bieten, sey heute eine unsrer wichtigsten
Pflichten.
Erster Priester. (steht auf)
Er besitzt Tugend?
Sarastro. Tugend!
Zweyter Priester. Auch
Verschwiegenheit?
Sarastro. Verschwiegenheit!
5
Dritter Priester. Ist
wohlthätig?
Sarastro. Wohlthätig! --
haltet ihr ihn für
würdig, so folgt meinem Beyspiele. (sie blasen
drey
mahl in die Hörner.) Gerührt über die
Einig-
keit
eurer Herzen, dankt Sarastro euch im Namen
der
Menschheit. -- Mag immer das Vorurtheil seinen
Tadel
über uns Eingeweihte auslassen! --
Weisheit
und
Vernunft zerstückt es gleich dem Spinnengewebe.
-- Unsere
Säulen erschüttern sie nie. Jedoch, das
böse Vorurtheil soll schwinden; und es
wird
schwinden,
so bald Tamino selbst die Größe unserer
schweren Kunst besitzen wird. --
Pamina, das
sanfte, tugendhafte Mädchen haben die Götter dem
holden
Jünglinge bestimmt; dies ist der Grundstein,
warum ich
sie der stolzen Mutter
entriß. -- Das
Weib
dünkt sich groß zu seyn; hoft durch Blendwerk
und
Aberglauben das Volk zu
berücken, und unsern
festen
Tempelbau zu zerstören. Allein, das soll
sie nicht;
Tamino, der holde Jüngling selbst, soll
ihn mit uns
befestigen, und als
Eingeweihter der
Tugend
Lohn, dem Laster aber Strafe seyn. (der
dreymahlige Accord in den Hörnern wird von allen
wiederhohlt.)
Sprecher. (steht auf) Großer Sarastro, deine
weisheitsvollen Reden erkennen und bewundern wir;
allein, wird Tamino auch die harten
Prüfungen, so
seiner
warten, bekämpfen? -- Verzeih, daß ich so
frey bin, dir
meinen Zweifel zu
eröfnen! mich
bangt es um
den Jüngling. Wenn nun
im Schmerz da-
hin
gesunken sein Geist ihn
verließe, und er dem
harten
Kampfe unterläge. -- Er ist Prinz! --
Sarastro. Noch mehr! -- -- Er ist
Mensch!
Sprecher. Wenn er nun aber in seiner frühen 10
Jugend
leblos erblaßte?
Sarastro. Dann ist er Osiris und Isis gegeben,
und wird
der Götter Freuden früher
fühlen als wir.
(der dreimahlige Accord wird wiederhohlt)
Man
führe
Tamino mit seinem Reisegefährten in Vorhof
des Tempels
ein. (zum Sprecher, der vor ihm nie-
derkniet.) Und du, Freund! den die Götter durch
uns zum
Vertheidiger der Wahrheit bestimmten --
vollziehe
dein heiliges Amt, und lehre durch deine
Weisheit beyde, was Pflicht der Menschheit sey,
lehre sie
die Macht der Götter erkennen.
(Sprecher geht mit einem Priester ab,
alle Prie-
ster stellen
sich mit ihren Palmzweigen zu-
sammen.)
Chorus.
O Isis und
Osiris schenket
Der Weisheit
Geist dem neuen Paar!
Die ihr der
Wandrer Schritte lenket,
Stärkt
mit Geduld sie in Gefahr --
15
Laßt
sie der Prüfung Früchte sehen.
Doch
sollten sie zu Grabe gehen,
So lohnt
der Tugend kühnen Lauf,
Nehmt sie
in euern Wohnsitz auf.
(Sarastro geht voraus,
dann alle ihm nach ab.)
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