DAS HAB' ICH GEHÖRT.
Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Rájagaham, am Geierkulm, im Gebirge. Um
diese Zeit nun hatte der Pilger Nigrodho im Pilgergarten unter der Vogelfeige
Aufenthalt genommen10, in Gesellschaft vieler Pilger, von etwa
dreihundert Pilgern umgeben.
Da ist denn Sandháno der Hausvater, noch mitten am Tage11, von
Rájagaham aufgebrochen, um den Erhabenen besuchen zu gehn. Aber Sandháno der
Hausvater sagte sich da: <Es ist wohl noch nicht an der Zeit den Erhabenen
aufzusuchen, zurückgezogen weilt der Erhabene; und auch die geistig vertieften
Mönche besuchen ziemt sich jetzt nicht, zurückgezogen wirken die Mönche
geistiges Werk. Wie, wenn ich nun nach dem Pilgergarten unter der Vogelfeige
hinginge, zu Nigrodho dem Pilger heranträte?> So hat denn Sandháno der
Hausvater sich nach dem Pilgergarten unter der Vogelfeige hinbegeben wo
Nigrodho der Pilger sich aufhielt.
Um diese Zeit aber war Nigrodho der Pilger, im weiten Kreise der Pilgerschar
sitzend, in lebhaftem Gespräche begriffen; und sie machten lauten Lärm, großen
Lärm, und unterhielten sich über allerhand gemeine Dinge, als wie über Könige,
über Räuber, über Fürsten und Soldaten, über Krieg und Kampf, über Speise und
Trank, über Kleidung und Bett, über Blumen und Düfte, über Verwandte, über
Fuhrwerk und Wege, über Dörfer und Burgen, über Städte und Länder, über Weiber
und Männer, über Branntweine und Gasthöfe, über Straßen und Märkte, über die
Altvorderen und über die Veränderungen, über Volksgeschichten und
Seegeschichten, über dies und das und dergleichen mehr. Es sah nun Nigrodho der
Pilger wie Sandháno der Hausvater von ferne herankam. Als er ihn gesehn, mahnte
er die Umsitzenden zur Ruhe:
«Seid nicht so laut, ihr Lieben, macht keinen Lärm, ihr Lieben: da kommt ein
Jünger des Asketen Gotamo heran, Sandháno der Hausvater! Von jenen Jüngern des
Asketen Gotamo, die da als Hausleute, weiß gekleidet, in Rájagaham wohnen, ist
dieser auch einer, Sandháno der Hausvater. Und sie lieben nicht lauten Lärm,
diese Herren, Ruhe ist ihnen recht, Ruhe preisen sie; vielleicht mag ihn der
Anblick einer lautlosen Versammlung bewegen seine Schritte hierher zu lenken.»
Also ermahnt schwiegen jene Pilger still. Da kam denn Sandháno der Hausvater
zu Nigrodho dem Pilger heran. Dort angelangt wechselte er höflichen Gruß und
freundliche, denkwürdige Worte mit ihm und nahm beiseite Platz. Beiseite
sitzend wandte sich nun Sandháno der Hausvater an Nigrodho den Pilger mit den
Worten:
«Anders ist es hier bei den verehrten Pilgern der anderen Orden, wenn sie
sich treffen und versammeln, kräftig rufen, laut reden, großen Lärm machen und
über allerhand alltägliche Dinge eifrige Gespräche führen: und anders pflegt
wohl Er, der Erhabene, im Walde einsame Stätten, entlegene Ruheplätze
aufzusuchen, wo Lärm verklungen ist, wenig Geräusch nur hindringt, Orte, die
von den Leuten gemieden werden, wo der Mensch verborgen sitzen und gut
nachdenken kann.»
Auf diese Worte wandte sich Nigrodho der Pilger also an Sandháno den
Hausvater:
«Ach bitte, Hausvater, vielleicht weißt du, mit wem der Asket Gotamo zu
reden pflegt, mit wem er sich in ein Gespräch einläßt, mit wem er sich in einen
geistigen Kampf einläßt? Die öde Klause hat dem Asketen Gotamo den Geist
benommen, der Asket Gotamo ist der Gesellschaft entfremdet, er kann gar nicht
Gespräche führen, darum eben liebt er die entlegenen Orte. Gleichwie etwa eine
einäugige Kuh an der Weidengrenze herumstreicht und nur abgelegene Orte
aufsucht: ebenso nun auch ist der Geist des Asketen Gotamo in öder Klause
benommen, der Asket Gotamo ist der Gesellschaft entfremdet, er kann gar nicht
Gespräche führen, darum eben liebt er die entlegenen Orte. Lasse doch,
Hausvater, den Asketen Gotamo zu dieser Versammlung erst herkommen: mit einer
einzigen Frage schon werden wir ihn wohl zum Umsinken bringen, ihn wie eine
leere Kufe, so zu sagen, ausgepocht haben.»
Es vernahm aber der Erhabene mit dem himmlischen Gehör, dem geläuterten,
über menschliche Grenzen hinausreichenden, dieses Gespräch des Hausvaters
Sandháno mit Nigrodho dem Pilger. Da ist denn der Erhabene vom Geierkulm aus
dem Gebirge herabgestiegen, dem Gestade der Sumágadhí (die Sumágadhí, heute
Bángangá genannt) entlang bis zum Pfauenhügel herangekommen, und ist dann in
der Aue dort auf und ab gegangen. Es sah nun Nigrodho der Pilger wie der
Erhabene dem Gestade der Sumágadhí entlang bis zum Pfauenhügel herankam, und
dann in der Aue dort auf und ab ging. Bei diesem Anblick mahnte er die
Versammlung ringsum zur Ruhe:
«Seid weniger laut, ihr Lieben, ich ersuche die Lieben keinen Lärm zu
machen: dort geht der Asket Gotamo am Gestade der Sumágadhí, beim Pfauenhügel,
in der Aue auf und ab. Viel Geräusch aber liebt er nicht, der Ehrwürdige, Ruhe
ist ihm recht, Ruhe preist er; vielleicht daß ihn der Anblick einer lautlosen
Versammlung bewegen mag seine Schritte heranzulenken. Sollte der Asket Gotamo
in unsere Gesellschaft kommen, so wollen wir eine solche Frage vorlegen: 'Was
ist denn das, o Herr, für eine Satzung vom Erhabenen, worin der Erhabene die
Jünger unterweist, in der die Jünger, durch den Erhabenen unterwiesen, ihren
Trost gefunden zu haben bekennen, oblegen dem Urasketentum?»
Also aufgefordert verhielten sich jene Pilger ruhig. Da kam denn der
Erhabene zu Nigrodho dem Pilger heran. Nigrodho der Pilger aber wandte sich mit
diesen Worten an den Erhabenen:
«Es komme, o Herr, der Erhabene, gegrüßt sei, o Herr, der Erhabene! Lange
schon, o Herr, hat der Erhabene hoffen lassen uns hier einmal zu besuchen. Möge
sich, o Herr, der Erhabene setzen: dieser Sitz ist bereit.»
Es setzte sich der Erhabene auf den dargebotenen Sitz. Nigrodho aber der
Pilger nahm einen von den niederen Stühlen zur Hand und setzte sich an die
Seite. Zu Nigrodho dem Pilger nun, der da beiseite saß, sprach der Erhabene
also:
«Zu was für einem Gespräche, Nigrodho, seid ihr jetzt hier zusammengekommen,
und wobei habt ihr euch eben unterbrochen?»
Also gefragt gab da Nigrodho der Pilger dem Erhabenen zur Antwort:
«Wir haben da, o Herr, den Erhabenen gesehen, am Gestade der Sumágadhí gegen
den Pfauenhügel hinschreiten und in der Aue auf und ab wandeln. Bei diesem
Anblick haben wir uns gesagt: 'Sollte der Asket Gotamo in unsere Gesellschaft
kommen, so wollen wir eine solche Frage vorlegen: Was ist denn das, o Herr, für
eine Satzung vom Erhabenen, worin der Erhabene die Jünger unterweist, in der
die Jünger, durch den Erhabenen unterwiesen, ihren Trost gefunden zu haben
bekennen, oblegen dem Urasketentum?' Das war, o Herr, unter uns da besprochen
worden, und wir brachen ab als der Erhabene ankam.»
«Schwer ist das freilich zu verstehen, Nigrodho, für dich ohne Deutung, ohne
Geduld, ohne Hingabe, ohne Anstrengung, ohne Lenkung, worin ich die Jünger
unterweise, worin die Jünger, durch mich unterwiesen, ihren Trost gefunden zu
haben bekennen, oblegen dem Urasketentum. Lasse mich lieber, Nigrodho, über
deinen eigenen Lehrsatz, Abscheu betreffend, eine Frage beantworten, etwa: 'Wie
muß wohl, o Herr, Buße und Abscheu sein um vollkommen zu werden, und wie bleibt
es unvollkommen?'»
Auf diese Worte brachen die Pilger dort in lebhafte Rufe aus, in lauten
Beifall, in großen Lärm:
«Außerordentlich, in der Tat, ganz wunderbar ist des Asketen Gotamo hohe
Macht, hohe Gewalt, daß er allen Ernstes seine eigene Meinung hintansetzen und
einer Äußerung von anderer Seite das Wort reden mag!»
Da hat denn nun Nigrodho der Pilger jene Pilger beschwichtigt und sich an
den Erhabenen also gewandt: «Wir, o Herr, haben Buße und Abscheu erwählt,
halten fest an Buße und Abscheu. Wie muß aber, o Herr, Buße und Abscheu sein um
vollkommen zu werden, und wie bleibt es unvollkommen?»
«Da ist, Nigrodho, der Büßer ein Unbekleideter, ein Ungebundener, ein
Handverköster, kein Ankömmling, kein Abwärtling, gestattet keine Darreichung,
keine Vergünstigung, keine Einladung, späht beim Empfangen des Almosens nicht
nach dem Topfe, nicht nach der Schüssel, nicht über die Schwelle, nicht über
das Gitter, nicht in den Kessel hinein, nimmt nicht von zu zweit Speisenden an,
nicht von einer Schwangeren, nicht von einer Säugenden, nicht von einer, die
vom Manne kommt, nicht von Beschmutzten, nicht wo ein Hund dabei steht, nicht
wo Fliegen hin und her schwärmen, ißt keinen Fisch, kein Fleisch, trinkt keinen
Wein, kein gebranntes Wasser, keinen gegorenen Haferschleim. Er geht zu einem
Hause und begnügt sich mit einer Handvoll Almosenspeise; geht zu zwei Häusern
und begnügt sich mit zwei Handvoll Almosenspeise; geht zu sieben Häusern und
begnügt sich mit sieben Handvoll Almosenspeise. Er fristet sein Leben durch die
Mildtätigkeit von nur einer Spenderin, von nur zwei Spenderinnen, von nur
sieben Spenderinnen. Er nimmt nur jeden ersten Tag Nahrung ein, nur jeden
zweiten Tag, nur jeden siebenten Tag. Solcherart wechselnd beobachtet er streng
diese bis auf einen halben Monat ausgedehnte Fastenübung. Oder er lebt von
Kräutern und Pilzen, von wildem Reis und Korn, von Samen und Kernen, von
Pflanzenmilch und Baumharz, von Gräsern, von Kuhmist, fristet sich von Wurzeln
und Früchten des Waldes, lebt von abgefallenen Früchten. Auch trägt er das
hänfene Hemd, trägt das härene Hemd, trägt einen Rock, geflickt aus den im
Leichenhof und auf der Straße gefundenen Fetzen, hüllt sich in Lumpen, in
Felle, in Häute, gürtet sich mit Flechten aus Gras, mit Flechten aus Rinde, mit
Flechten aus Laub, birgt die Blöße unter pelzigem Schurze, unter borstigem
Schurze, unter einem Eulenflügel. Und er rauft sich Haupt- und Barthaar aus,
die Regel der Haar- und Bartausraufer befolgend, ist ein Stetigsteher, verwirft
Sitz und Lager; ist ein Fersensitzer, übt die Zucht der Fersensitzer; ist
Dornenseitiger, legt sich zur Seite auf ein Dornenlager; er liegt auf einem
Brette, liegt auf dem Estrich, liegt auf einer Seite, mit Staub und Asche
bedeckt; er lebt unter freiem Himmel, überall gelagert; er nährt sich von
Unrat, der Unraternährung eifrig ergeben; er ist ein Wasserfreund, dem
Wasserdienste ergeben, steigt allabendlich zum drittenmal herab ins Büßerbad.
Was meinst du wohl, Nigrodho: wenn es sich also verhält, ist dann Buße und
Abscheu vollkommen geworden, oder ist es unvollkommen geblieben?»
«Freilich, o Herr, verhält es sich also, dann ist Buße und Abscheu
vollkommen geworden, es ist nicht unvollkommen geblieben.»
«Also vollkommen gewordene Buße und Abscheu, Nigrodho, heiße ich noch mit
verschiedenartigen Schlacken versetzt 12.»
«Inwiefern denn, o Herr, heißt der Erhabene eine also vollkommen gewordene
Buße und Abscheu mit verschiedenartigen Schlacken versetzt?»
«Da
nimmt, Nigrodho, ein Büßer Buße auf sich. Diese Buße erfreut ihn und füllt
ihm das Sinnen aus. Wenn aber, Nigrodho, ein Büßer Buße auf sich nimmt,
und diese Buße ihn erfreut und ihm das Sinnen ausfüllt, so gilt das eben
dem Büßer als Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich. Um dieser Buße willen
brüstet er sich und verachtet die anderen. Wenn aber, Nigrodho, ein Büßer
Buße auf sich nimmt, und er sich um dieser Buße willen brüstet und die
anderen verachtet, so gilt auch das dem Büßer als Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich. Diese Buße betört ihn,
berückt ihn, macht ihn unsinnig. Wenn aber, Nigrodho, ein Büßer Buße auf
sich nimmt, und er durch diese Buße betört und berückt und unsinnig wird,
so gilt auch das dem Büßer als Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich. Durch diese Buße gelangt
er zu Almosen, Ehre und Ruhm. Diese Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm
erfreut ihn und füllt ihm das Sinnen aus. Wenn aber, Nigrodho, ein Büßer
Buße auf sich nimmt, und die Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm ihn
erfreut und ihm das Sinnen ausfüllt, so gilt auch das dem Büßer als
Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich. Durch diese Buße gelangt
er zu Almosen, Ehre und Ruhm. Wegen dieser Erlangung von Almosen, Ehre und
Ruhm brüstet er sich und verachtet die anderen. Wenn aber, Nigrodho, ein
Büßer Buße auf sich nimmt, und weil er Almosen, Ehre und Ruhm erlangt sich
brüstet und die anderen verachtet, so gilt auch das dem Büßer als
Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich. Durch diese Buße gelangt
er zu Almosen, Ehre und Ruhm. Diese Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm
betört ihn, berückt ihn, macht ihn unsinnig. Wenn aber, Nigrodho, ein
Büßer Buße auf sich nimmt, und weil er Almosen, Ehre und Ruhm erlangt
betört und berückt und unsinnig wird, so gilt auch das dem Büßer als
Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich, und er wird bei der
Nahrung wählerisch: <Das bekommt mir, das bekommt mir nicht.> Was
ihm nun nicht bekommt, das läßt er mit Abneigung liegen; was ihm aber
bekommt, davon verlockt und berückt läßt er es sich mit Behagen schmecken,
ohne das Elend zu sehn, ohne an Entrinnung zu denken. Auch das gilt,
Nigrodho, dem Büßer als Schlacke13.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich, weil er Almosen, Ehre und
Ruhm in Fülle erhofft: <Auszeichnen werden mich Könige und königliche
Würdenträger, Krieger und Priester, Bürgersleute und Ordensbrüder.>
Auch das gilt, Nigrodho, dem Büßer als Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer läßt sich da über einen Asketen oder Priester
irgendwie abfällig aus: <Was hat nur dieser Vielfraß alles und jedes
zusammenzubeißen, ganz gleich ob es Wurzeln sind oder Steinfrüchte, Beeren
oder Schoten, oder auch Samenkapseln zufünft: zu zernagen, zerknacken, mit
den Zähnen zu sägen, wie man unter Asketen sagt14.> Auch das
gilt, Nigrodho, dem Büßer als Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer sieht wie irgendein Asket oder Priester von
den Leuten wertgehalten, hochgeschätzt, geachtet und geehrt wird. Bei
diesem Anblick wird ihm also zumute: <Dieser üppige Geselle da, der
wird von den Leuten wertgehalten, hochgeschätzt, geachtet und geehrt: ich
aber, der ich ein Büßer bin, rauhe Zucht übe, werde von den Leuten nicht
wertgehalten, nicht hochgeschätzt, nicht geachtet, nicht geehrt.> So
läßt er Neid und Eigensucht unter den Leuten zum Vorschein kommen. Auch
das gilt, Nigrodho, dem Büßer als Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: da pflegt ein Büßer an öffentlichen Plätzen sich
niederzulegen. Auch das gilt, Nigrodho, dem Büßer als Schlacke. Weiter
sodann, Nigrodho: da zeigt sich ein Büßer unschicklich anzusehn unter den
Leuten: <Auch das soll mir Buße sein, auch das soll mir Buße sein!>
Auch das gilt, Nigrodho, dem Büßer als Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: da betreibt ein Büßer irgendetwas geheim. Fragt man ihn
nun: <Gibst du dich damit zufrieden?>, so sagt er, damit nicht
zufrieden, <Ich bin es zufrieden>, und damit zufrieden sagt er
<Ich bin es nicht zufrieden>. So spricht er wissentlich eine Lüge
aus. Auch das gilt, Nigrodho, dem Büßer als Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: da mag ein Büßer, wenn der Vollendete oder ein Jünger
des Vollendeten die Lehre aufweist, ob auch der Darlegung beizupflichten
ist, nicht beipflichten. Auch das gilt, Nigrodho, dem Büßer als
Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: da ist ein Büßer zornig und feindselig. Wenn aber,
Nigrodho, ein Büßer zornig und feindselig ist, so gilt auch das dem Büßer
als Schlacke.
Weiter
sodann, Nigrodho: da ist ein Büßer heuchlerisch und verschlagen, neidisch
und eigensüchtig, listig und gleisnerisch, störrisch und hochmütig, er hat
böse Wünsche und ist bösen Wünschen willfährig, er hat verkehrte Ansicht,
ist mit einer zu Verderben gereichenden Ansicht ausgerüstet, er kümmert
sich nur um das Gegenwärtige, greift mit beiden Händen zu, läßt sich
schwer abweisen. Auch das gilt, Nigrodho, dem Büßer als Schlacke.
Was meinst du wohl, Nigrodho: ist Buße und Abscheu solcher Art mit Schlacken
versetzt oder von Schlacken rein?»
«Freilich, o Herr, ist Buße und Abscheu solcher Art mit Schlacken versetzt
und nicht rein von Schlacken. Und es mag schon sein, o Herr, daß da mancher
Büßer eben mit all diesen Schlacken behaftet sei, geschweige mit einer oder mit
der anderen!»
«Da
nimmt, Nigrodho, ein Büßer Buße auf sich. Diese Buße erfreut ihn nicht und
füllt ihm das Sinnen nicht aus. Wenn aber, Nigrodho, ein Büßer Buße auf
sich nimmt, und diese Buße ihn nicht erfreut und ihm das Sinnen nicht
ausfüllt, so ist er derart in diesem Punkte lauter geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich. Um dieser Buße willen
brüstet er sich nicht und verachtet nicht die anderen. Wenn aber,
Nigrodho, ein Büßer Buße auf sich nimmt, und er sich um dieser Buße willen
nicht brüstet und die anderen nicht verachtet, so ist er derart in diesem
Punkte lauter geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich. Diese Buße betört ihn
nicht, berückt ihn nicht, macht ihn nicht unsinnig. Wenn aber, Nigrodho,
ein Büßer Buße auf sich nimmt, und er durch diese Buße nicht betört, nicht
berückt, nicht unsinnig wird, so ist er derart in diesem Punkte lauter
geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich. Durch diese Buße gelangt
er zu Almosen, Ehre und Ruhm. Diese Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm
erfreut ihn nicht und füllt ihm das Sinnen nicht aus. Wenn aber, Nigrodho,
ein Büßer Buße auf sich nimmt, und die Erlangung von Almosen, Ehre und
Ruhm ihn nicht erfreut und ihm das Sinnen nicht ausfüllt, so ist er derart
in diesem Punkte lauter geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich. Durch diese Buße gelangt
er zu Almosen, Ehre und Ruhm. Wegen dieser Erlangung von Almosen, Ehre und
Ruhm brüstet er sich nicht und verachtet nicht die anderen. Wenn aber,
Nigrodho, ein Büßer Buße auf sich nimmt, und weil er Almosen, Ehre und Ruhm
erlangt sich nicht brüstet und die anderen nicht verachtet, so ist er
derart in diesem Punkte lauter geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich. Durch diese Buße gelangt
er zu Almosen, Ehre und Ruhm. Diese Erlangung von Almosen, Ehre und Ruhm
betört ihn nicht, berückt ihn nicht, macht ihn nicht unsinnig. Wenn aber,
Nigrodho, ein Büßer Buße auf sich nimmt, und weil er Almosen, Ehre und
Ruhm erlangt nicht betört, nicht berückt, nicht unsinnig wird, so ist er
derart in diesem Punkte lauter geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich, und er wird bei der
Nahrung nicht wählerisch, sagt nicht: <Das bekommt mir, das bekommt mir
nicht.> Was ihm nun nicht bekommt, das läßt er ohne Abneigung liegen;
was ihm aber bekommt, davon nicht verlockt, nicht berückt nimmt er es
ohne: Behagen ein, das Elend sehend, eingedenk der Entrinnung: so ist er
derart in diesem Punkte lauter geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer nimmt Buße auf sich, und zwar nicht weil er
Almosen, Ehre und Ruhm in Fülle erhofft, nicht den Gedanken hegt:
<Auszeichnen werden mich Könige und königliche Würdenträger, Krieger
und Priester, Bürgersleute und Ordensbrüder>: so ist er derart in
diesem Punkte lauter geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho ein Büßer läßt sich da über einen Asketen oder Priester
nicht irgendwie abfällig aus: so ist er derart in diesem Punkte lauter
geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: ein Büßer sieht wie irgendein Asket oder Priester von
den Leuten wertgehalten, hochgeschätzt, geachtet und geehrt wird. Bei
diesem Anblick wird ihm nicht also zumute: <Dieser üppige Geselle da,
der wird von den Leuten wertgehalten, hochgeschätzt, geachtet und geehrt:
ich aber, der ich ein Büßer bin, in rauher Zucht lebe, werde von den
Leuten nicht wertgehalten, nicht hochgeschätzt, nicht geachtet, nicht
geehrt.> So läßt er Neid und Eigensucht unter den Leuten nicht
aufkommen, und er ist derart in diesem Punkte lauter geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: da ist ein Büßer nicht an öffentlichen Plätzen herumgelegen,
und er ist derart in diesem Punkte lauter geworden. Weiter sodann,
Nigrodho: da zeigt sich ein Büßer nicht unschicklich anzusehn unter den
Leuten, vermeint nicht: <Auch das soll mir Buße sein, auch das soll mir
Buße sein>: so ist er derart in diesem Punkte lauter geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: da betreibt ein Büßer nicht irgend etwas geheim. Fragt
man ihn nun: <Gibst du dich damit zufrieden?>, so sagt er, damit
nicht zufrieden, <Ich bin es nicht zufrieden>, und damit zufrieden
sagt er <Ich bin es zufrieden.> So spricht er wissentlich keine Lüge
aus, und er ist derart in diesem Punkte lauter geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: da mag ein Büßer, wenn der Vollendete oder ein Jünger
des Vollendeten die Lehre aufweist, weil eben der Darlegung beizupflichten
ist, auch beipflichten. So ist er derart in diesem Punkte lauter
geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: da ist ein Büßer nicht zornig, nicht feindselig. Wenn
aber, Nigrodho, ein Büßer nicht zornig, nicht feindselig ist, so ist er
derart in diesem Punkte lauter geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: da ist ein Büßer nicht zornig, nicht feindselig. Wenn
aber, Nigrodho, ein Büßer nicht zornig, nicht feindselig ist, so ist er
derart in diesem Punkte lauter geworden.
Weiter
sodann, Nigrodho: da ist ein Büßer nicht heuchlerisch und nicht
verschlagen, nicht neidisch ist er und nicht eigensüchtig, nicht listig
und gleisnerisch, nicht störrisch und hochmütig, er hegt keine bösen
Wünsche und ist bösen Wünschen nicht willfährig, er hat keine verkehrte
Ansicht, ist mit keiner zu Verderben gereichenden Ansicht ausgerüstet, er
kümmert sich nicht nur um das Gegenwärtige, greift nicht mit beiden Händen
zu, läßt sich leicht abweisen. So ist er derart in diesem Punkte lauter
geworden.
Was meinst du wohl, Nigrodho wenn es sich also verhält, ist dann Buße und
Abscheu lauter geworden oder unlauter geblieben?»
«Freilich, o Herr, da es sich also verhält, ist dann Buße und Abscheu lauter
geworden, nicht unlauter geblieben, hat das Höchste erreicht und den
Inbegriff.»
«Nicht doch, Nigrodho, insofern schon hat Buße und Abscheu das Höchste
erreicht und den Inbegriff, sondern ist wohl bis zu den Ästen
gelangt15.»
«Inwiefern aber hat, o Herr, Buße und Abscheu das Höchste erreicht und den
Inbegriff? Sei der Erhabene, o Herr, so gut und lasse mich bei Buße und Abscheu
bis an das Höchste gelangen, bis zum Inbegriff.»
«Da ist, Nigrodho, ein Büßer vierfach gezügelt in fester Zucht. Wie aber,
Nigrodho, ist ein Büßer vierfach gezügelt in fester Zucht? Da bringt, Nigrodho,
ein Büßer kein Wesen um, er läßt kein Wesen umbringen, und wenn man Wesen
umbringt stimmt er nicht zu. Was nicht gegeben wird nimmt er nicht, was nicht
gegeben wird läßt er nicht nehmen, und wenn man Nichtgegebenes nimmt stimmt er
nicht zu. Er spricht keine Lüge, er läßt keine Lüge sprechen, und wenn man lügt
stimmt er nicht zu. Er hofft auf kein Ereignis, er läßt auf kein Ereignis
hoffen, und wenn man auf ein Ereignis hofft stimmt er nicht zu16. So
ist, Nigrodho, ein Büßer vierfach gezügelt in fester Zucht. Ist aber, Nigrodho,
ein Büßer vierfach gezügelt in fester Zucht, und gilt ihm dies als Buße, so
schreitet er weiter und kehrt nicht mehr zur Gewohnheit zurück. Er sucht einen
abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte,
eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der
offenen Ebene. Nach dem Mahle, wenn er vom Almosengange zurückgekehrt ist,
setzt er sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet,
und pflegt der Einsicht. Er hat weltliche Begierde verworfen und verweilt
begierdelosen Gemütes, von Begierde läutert er sein Herz. Gehässigkeit hat er
verworfen, haßlosen Gemütes verweilt er, voll Liebe und Mitleid zu allen
lebenden Wesen läutert er sein Herz von Gehässigkeit. Matte Müde hat er
verworfen, von matter Müde ist er frei; das Licht liebend, einsichtig, klar
bewußt, läutert er sein Herz von matter Müde. Stolzen Unmut hat er verworfen,
er ist frei von Stolz; innig beruhigten Gemütes läutert er sein Herz von
stolzem Unmut. Das Schwanken hat er verworfen, der Ungewißheit ist er
entronnen; er zweifelt nicht am Guten, von Schwanken läutert er sein Herz. - Er
hat nun diese fünf Hemmungen aufgehoben, hat die Schlacken des Gemütes
kennengelernt, die lähmenden. Liebevollen Gemütes weilend strahlt er nach einer
Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der
vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend
durchstrahlt er die ganze Welt mit liebevollem Gemüte, mit weitem, tiefem,
unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem. Erbarmenden Gemütes,
freudevollen Gemütes, unbewegten Gemütes weilend strahlt er nach einer
Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der
vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend
durchstrahlt er die ganze Welt mit erbarmendem Gemüte, mit freudevollem Gemüte,
mit unbewegtem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll
geklärtem17. Was meinst du wohl, Nigrodho: wenn es sich also verhält,
ist dann Buße und Abscheu lauter geworden oder unlauter geblieben?»
«Fürwahr, o Herr, da es sich also verhält, ist dann Buße und Abscheu lauter
geworden, nicht unlauter geblieben, hat das Höchste erreicht und den
Inbegriff.»
«Nicht doch, Nigrodho, insofern schon hat Buße und Abscheu das Höchste
erreicht und den Inbegriff, sondern ist wohl bis an die Rinde gelangt.»
«Wie aber wär's denn, o Herr, daß Buße und Abscheu auf das Höchste gelangte
und zum Inbegriff! Sei der Erhabene, o Herr, so gut und lasse mich bei Buße und
Abscheu bis an das Höchste gelangen, bis zum Inbegriff.»
«Da ist, Nigrodho, der Büßer vierfach gezügelt in fester Zucht, hat die fünf
Hemmungen aufgehoben, er weilt unbewegten Gemütes. Der kann sich nun an manche
verschiedene frühere Daseinsform erinnern, als wie an ein Leben, dann an zwei
Leben, dann an drei Leben, dann an vier Leben, dann an fünf Leben, dann an zehn
Leben, dann an zwanzig Leben, dann an dreißig Leben, dann an vierzig Leben,
dann an fünfzig Leben, dann an hundert Leben, dann an tausend Leben, dann an
hunderttausend Leben, dann an die Zeiten während mancher Weltenentstehungen,
dann an die Zeiten während mancher Weltenvergehungen, dann an die Zeiten
während mancher Weltenentstehungen-Weltenvergehungen. <Dort war ich, jenen
Namen hatte ich, jener Familie gehörte ich an, das war mein Stand, das mein
Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; dort
verschieden trat ich anderswo wieder ins Dasein: da war ich nun, diesen Namen
hatte ich, dieser Familie gehörte ich an, dies war mein Stand, dies mein Beruf,
solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; da verschieden
trat ich hier wieder ins Dasein>: so kann er sich mancher verschiedenen
früheren Daseinsform, mit je den eigentümlichen Merkmalen, mit je den
eigenartigen Beziehungen, erinnern. Was meinst du wohl, Nigrodho: wenn es sich
also verhält, ist dann Buße und Abscheu lauter geworden oder unlauter
geblieben?»
«Freilich, o Herr, da es sich also verhält, ist dann Buße und Abscheu lauter
geworden, nicht unlauter geblieben, hat das Höchste erreicht und den
Inbegriff.»
«Nicht doch, Nigrodho, insofern schon hat Buße und Abscheu das Höchste
erreicht und den Inbegriff, sondern ist wohl bis an das Grünholz gelangt.»
«Wie mag denn aber, o Herr, Buße und Abscheu das Höchste erreichen und den
Inbegriff? Sei der Erhabene, o Herr, so gut und lasse mich bei Buße und Abscheu
bis zum Höchsten herankommen, eben den Inbegriff erreichen.»
«Da ist, Nigrodho, der Büßer vierfach gezügelt in fester Zucht, hat die fünf
Hemmungen aufgehoben, er weilt unbewegten Gemütes, erinnert sich mancher
verschiedenen früheren Daseinsform. Der kann nun mit dem himmlischen Auge, dem
geläuterten, über menschliche Grenzen hinausreichenden, die Wesen dahinschwinden
und wiedererscheinen sehn, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche
und unglückliche, er kann erkennen wie die Wesen je nach den Taten
wiederkehren. <Diese lieben Wesen sind freilich in Taten dem Schlechten
zugetan, in Worten dem Schlechten zugetan, in Gedanken dem Schlechten zugetan,
tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, tun Verkehrtes; bei der Auflösung des
Leibes, nach dem Tode, gelangen sie auf den Abweg, auf schlechte Fährte, zur
Tiefe hinab, in untere Welt. Jene lieben Wesen sind aber in Taten dem Guten
zugetan, in Worten dem Guten zugetan, in Gedanken dem Guten zugetan, tadeln
nicht Heiliges, achten Rechtes, tun Rechtes; bei der Auflösung des Leibes, nach
dem Tode, gelangen sie auf gute Fährte, in selige Welt>: so kann er mit dem
himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Grenzen hinausreichenden,
die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen sehn, gemeine und edle, schöne
und unschöne, glückliche und unglückliche, er kann erkennen wie die Wesen je
nach den Taten wiederkehren. Was meinst du wohl, Nigrodho: wenn es sich also
verhält, ist dann Buße und Abscheu lauter geworden oder unlauter geblieben?»
«Gewiß, o Herr, da es sich also verhält, ist dann Buße und Abscheu lauter
geworden, nicht unlauter geblieben, hat das Höchste erreicht und den
Inbegriff.»
«Insofern, Nigrodho, ist Buße und Abscheu auf das Höchste gestiegen, hat den
Inbegriff erreicht. Das jedoch, Nigrodho, worüber du mich gefragt hattest:
<was ist denn das, o Herr, für eine Satzung vom Erhabenen, worin der Erhabene
die Jünger unterweist, in der die Jünger, durch den Erhabenen unterwiesen,
ihren Trost gefunden zu haben bekennen, oblegen dem Urasketentum>, das ist,
Nigrodho, ein Gegenstand, der noch weiter reicht und erlesener ist, worin ich
die Jünger unterweise, worin die Jünger, durch mich unterwiesen, ihren Trost
gefunden zu haben bekennen, oblegen dem Urasketentum.»
Nach diesen Worten brachen die Pilger dort in lebhafte Rufe aus, in lauten
Beifall, in großen Lärm:
«So haben wir unsere Lehrsätze verloren, so haben wir unsere Lehrsätze
wiedergefunden! Darüber hinaus begreifen wir nichts Höheres mehr.»
Als nun Sandháno der Hausvater merkte: <Ohne Zweifel horchen jetzt diese
andersfährtigen Pilger auf das Wort des Erhabenen, sie leihen Gehör, wenden das
Herz dem Verständnisse zu>, da wandte er sich also an Nigrodho den Pilger:
«Wie ist das wohl, verehrter Nigrodho, mit dem, was du zu mir gesagt hast:
<Ach bitte, Hausvater, vielleicht weißt du, mit wem der Asket Gotamo zu
reden pflegt, mit wem er sich in ein Gespräch einläßt, mit wem er sich in einen
geistigen Kampf einläßt? Die öde Klause hat dem Asketen Gotamo den Geist
benommen, der Asket Gotamo ist der Gesellschaft entfremdet, er kann überhaupt
nicht Gespräche führen, eben darum liebt er die entlegenen Orte. Gleichwie etwa
eine einäugige Kuh an der Weidengrenze umherschweift und nur abgelegene Orte
aufsucht: ebenso nun auch ist der Geist des Asketen Gotamo in öder Klause
benommen, der Asket Gotamo ist der Gesellschaft entfremdet, er kann überhaupt
nicht Gespräche führen, eben darum liebt er die entlegenen Orte. Lasse doch,
Hausvater, den Asketen Gotamo zu dieser Versammlung erst herkommen: mit einer
einzigen Frage schon werden wir ihn wohl zum Umsinken bringen, ihn wie eine
leere Kufe, so zu sagen, ausgepocht haben.> Da ist nun, o Herr, der
Erhabene, Heilige, vollkommen Erwachte hier zugegen: lasset ihn doch der
Gesellschaft entfremdet sein, wie eine einäugige Kuh an der Grenze der Weiden
umherschweifen, bringet ihn mit einer einzigen Frage schon zum Umsinken, ihr
wolltet ihn ja wie eine leere Kufe, so zu sagen, auspochen.»
Also angesprochen war Nigrodho der Pilger stumm geworden, verlegen geworden:
mit gebeugten Schultern, auf den Boden vor sich hinstarrend, ohne eine Antwort
zu finden, saß er da. Wie nun Nigrodho der Pilger so dasaß, wandte sich der
Erhabene bei diesem Anblick also an ihn:
«Ist es wahr, Nigrodho, hast du solche Sprache geführt»
«Es ist wahr, o Herr, ich habe solche Sprache geführt, wie ein Tor, wie ein
Irrer, wie ein Mißratener.»
«Was meinst du wohl, Nigrodho: hast du vielleicht reden hören, bei den
Pilgern, den altgewordenen, hochbejahrten, bei den Meistern und Altmeistern,
als sie untereinander sprachen: daß da einst, in vergangenen Zeiten, Heilige,
vollkommen Erwachte waren, und jene Erhabenen wohl also gesellig
zusammengekommen sind, lebhafte Gespräche geführt, lauten Lärm, großen Lärm
gemacht, sich über allerhand gemeine Dinge eifrig unterhalten haben, als wie
über Könige und so weiter, über dies und das und derart, gleichwie auch du jetzt
als Ordenshaupt: oder daß wohl jene Erhabenen also im Walde einsame Stätten,
entlegene Ruheplätze aufzusuchen pflegten, wo Lärm verklungen ist, wenig
Geräusch nur hindringt, Orte, die von den Leuten gemieden werden, wo der Mensch
verborgen sitzen, sich zurückziehn kann, gleichwie auch ich es jetzt pflege?»
«Reden hab' ich hören, o Herr, bei den Pilgern, den altgewordenen,
hochbejahrten, bei den Meistern und Altmeistern, als sie untereinander
sprachen: daß da einst, in vergangenen Zeiten, Heilige, vollkommen Erwachte
waren, und jene Erhabenen wohl nicht also gesellig zusammengekommen sind,
lebhafte Gespräche geführt, lauten Lärm, großen Lärm gemacht, sich über
allerhand gemeine Dinge eifrig unterhalten haben, als wie über Könige und so
weiter, über dies und das und derart, gleichwie auch ich jetzt als Ordenshaupt:
wohl also pflegten jene Erhabenen im Walde einsame Stätten, entlegene
Ruheplätze aufzusuchen, wo Lärm verklungen ist, wenig Geräusch nur hindringt,
Orte, die von den Leuten gemieden werden, wo der Mensch verborgen sitzen, sich
zurückziehn kann, gleichwie es auch jetzt der Erhabene pflegt.»
«Und ist dir, Nigrodho, da du Verstand hast, erwachsen bist, nicht etwa
beigefallen: <Erwacht ist der Erhabene, zur Erwachung zeigt er die Lehre,
beruhigt ist der Erhabene, zur Beruhigung zeigt er die Lehre, gestillt ist der
Erhabene, zur Stillung zeigt er die Lehre, entronnen ist der Erhabene, zur
Entrinnung zeigt er die Lehre, zur Erlöschung gekommen ist der Erhabene, zur
Erlöschung kommen zu lassen zeigt er die Lehre>?»
Auf diese Worte hat Nigrodho der Pilger zum Erhabenen also gesprochen:
«Ein Vergehn hat mich, o Herr, überkommen, wie einen Toren, wie einen Irren,
wie einen Mißratenen, der ich über den Erhabenen so geredet hatte! So möge
mich, o Herr, der Erhabene das Vergehn als Vergehn bekennen lassen, um in
Zukunft an mich zu halten.»
«In der Tat hat dich, Nigrodho, ein Vergehn überkommen, wie einen Toren, wie
einen Irren, wie einen Mißratenen, da du so über mich geredet. Weil du aber
nun, Nigrodho, das Vergehn als Vergehn eingesehn und nach Gebühr bekannt hast,
erkennen wir das von dir an. Denn ein Fortschritt ist es, Nigrodho, im Orden
des Heiligen, ein Vergehn als Vergehn einzusehn, nach Gebühr zu bekennen, in
Zukunft an sich zu halten. - Ich also, Nigrodho, sage dies: willkommen sei mir
ein verständiger Mann, kein Heuchler, kein Gleisner, ein gerader Mensch. Ich
führ' ihn ein, ich lege die Satzung dar. Der Führung folgend wird er so Schritt
um Schritt jenes Ziel, um dessen willen edle Söhne gänzlich vom Hause fort in
die Hauslosigkeit ziehn, die höchste Vollendung der Heiligkeit noch bei
Lebzeiten sich offenbar machen, verwirklichen und erringen, in sieben Jahren.
Sei es, Nigrodho, um die sieben Jahre: in sechs Jahren, fünf Jahren, vier
Jahren, in drei Jahren, zwei Jahren, in einem Jahre wird er die höchste
Vollendung der Heiligkeit noch bei Lebzeiten sich offenbar machen,
verwirklichen und erringen. Sei es, Nigrodho, um das eine Jahr: in sieben
Monaten, sechs Monaten, fünf Monaten, vier Monaten, in drei Monaten, zwei
Monaten, in einem Monat, in einem halben Monat wird er die höchste Vollendung
der Heiligkeit noch bei Lebzeiten sich offenbar machen, verwirklichen und
erringen. Sei es, Nigrodho, um den halben Monat: willkommen sei mir ein
verständiger Mann, kein Heuchler, kein Gleisner, ein gerader Mensch. Ich führ'
ihn ein, ich lege die Satzung dar. Der Führung folgend wird er so Schritt um
Schritt jenes Ziel, um dessen willen edle Söhne gänzlich vom Hause fort in die
Hauslosigkeit ziehn, die höchste Vollendung der Heiligkeit noch bei Lebzeiten
sich offenbar machen, verwirklichen und erringen, in sieben Tagen. - Nun
möchtest du wohl, Nigrodho, etwa denken: <Um Jünger zu werben spricht der
Asket Gotamo so, doch darf das, Nigrodho, nicht also aufgefaßt werden. Wer auch
euer Meister ist, der soll auch euer Meister sein. Oder du möchtest wohl,
Nigrodho, etwa denken: <Von unserer Regel will uns der Asket Gotamo abwendig
machen, darum spricht er so>, doch darf das, Nigrodho, nicht also aufgefaßt
werden. Was auch deine Regel ist, das soll auch deine Regel sein. Oder
vielleicht möchtest du, Nigrodho, vermeinen: <Von unserem Wandel will uns
der Asket Gotamo abwendig machen, darum spricht er so>, doch darf das,
Nigrodho, nicht also aufgefaßt werden. Was eben dein Wandel ist, das soll auch
dein Wandel sein. Oder du möchtest, Nigrodho, etwa vermeinen: <Was bei uns
als unheilsam gilt, nach unserem Lehrgebot, darin will uns der Asket Gotamo
bestärken, darum spricht er so>, doch darf das, Nigrodho, nicht also
aufgefaßt werden. Als unheilsam soll es eben gelten, nach euerem Lehrgebot.
Oder du möchtest auch, Nigrodho, etwa denken: <Was bei uns als heilsam gilt,
nach unserem Lehrgebot, davon will uns der Asket Gotamo abbringen, darum
spricht er so>, doch darf das, Nigrodho, nicht also aufgefaßt werden. Als
heilsam soll es eben gelten, nach euerem Lehrgebot. So hab' ich denn, Nigrodho,
nicht wohl um Jünger zu werben also gesprochen, auch nicht um von einer Regel
abwendig zu machen oder von einem Wandel, auch nicht um in Dingen, die euch als
unheilsam gelten, euch zu bestärken, und habe auch nicht also gesprochen um von
Dingen, die euch als heilsam gelten, euch abzubringen. Es gibt ja, Nigrodho,
unheilsame Dinge, die zu lassen sind, besudelnde, Wiederdasein säende,
entsetzliche, Leiden ausbrütende, wiederum Leben, Altern und Sterben
erzeugende: davon sich abzukehren leg' ich die Lehre dar, so daß ihr Schritt um
Schritt die besudelnden Dinge verlieren, die läuternden Dinge erwerben, euch
die Weisheit in ihrer Fülle und Weite noch bei Lebzeiten selber offenbar
machen, verwirklichen und erringen könnt18.»
Nach diesen Worten verblieben die Pilger dort stumm. Verlegen geworden, mit
gebeugten Schultern, auf den Boden vor sich hinstarrend, ohne eine Erwiderung
zu finden, saßen sie da, als wie schon vom Tod im Geiste umgarnt19. Da
hat denn der Erhabene sich gesagt: <Alle sind sie, die eitlen Menschen, vom
Tode berührt, dem bösen, da auch nicht ein einziger sich entschließen mag:
'Wohlan denn, nur des Versuches halber wollen wir beim Asketen Gotamo heiliges
Leben führen, sieben Tage, was liegt daran?'>
Da hatte nun der Erhabene im Pilgergarten unter der Vogelfeige den Löwenruf
erschallen lassen, stieg dann zur Höhe empor, kehrte wieder auf den Geierkulm
im Gebirge zurück; während Sandháno der Hausvater sich alsbald nach Rájagaham
begab.
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