DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit
weilte der ehrwürdige Anando bei Sávatthí, im Siegerwalde, im Garten
Anáthapindikos, nicht lange nachdem der Erhabene erloschen (parinibbuto,
ein Ausdruck für das Ende des Heiligen) war.
Um diese Zeit aber war Subho, der junge Priester, der Sohn Todeyyos, nach
Sávatthí gekommen, wegen irgendeiner Angelegenheit.
Da hat nun Subho der junge Priester, der Sohn Todeyyos, einen seiner
Priesterknaben beauftragt:
«Komm', lieber Junge, und geh' zum Asketen Anando hin und erkundige dich in
meinem Namen beim Asketen Anando nach Gesundheit, Frische, Munterkeit, Stärke,
Wohlbefinden: <Subho,> sage, <der junge Todeyyer, läßt Herrn Anando
Gesundheit, Frische, Munterkeit, Stärke, Wohlbefinden wünschen>; und füge hinzu:
<gut wär' es, wenn Herr Anando sich zu Subho des jungen Todeyyers Behausung
herbegeben wollte, von Mitleid bewogen.>»
«Schön, Herr!» sagte jener Priesterknabe, Subho dem jungen Todeyyer
gehorchend, und begab sich dorthin wo der ehrwürdige Anando weilte, bot dem
ehrwürdigen Anando höflichen Gruß dar, wechselte freundliche, denkwürdige Worte
und nahm beiseite Platz. Beiseite sitzend sprach nun jener Priesterknabe zum
ehrwürdigen Anando also:
«Subho, der junge Todeyyer läßt Herrn Anando Gesundheit, Frische,
Munterkeit, Stärke, Wohlbefinden wünschen; und er meinte noch, gut wär' es,
wenn Herr Anando sich zu Subho des jungen Todeyyers Behausung hinbegeben
wollte, von Mitleid bewogen.»
Auf diese Worte sagte der ehrwürdige Anando zu dem Priesterknaben dort: «Es
ist, lieber Junge, nicht an der Zeit: ich habe heute etwas Arznei eingenommen;
vielleicht aber werden wir uns morgen schon hinbegeben können, wenn Zeit und
Umstände es gestatten.»
«Schön, Herr!» entgegnete da der Priesterknabe dem ehrwürdigen Anando, stand
dann von seinem Sitze auf und begab sich zu Subho dem jungen Todeyyer zurück um
ihm zu melden:
«Ausgerichtet haben wir im Auftrag des Herrn an ihn, den Herrn Anando:
<Subho der junge Todeyyer läßt Herrn Anando Gesundheit, Frische, Munterkeit,
Stärke, Wohlbefinden wünschen; und er meinte noch, gut wär' es, wenn Herr
Anando sich zu Subho des jungen Todeyyers Behausung hinbegeben wollte, von
Mitleid bewogen.> Auf diese Worte, Herr, hat der Asket Anando mir also
geantwortet: <Es ist, lieber Junge, nicht an der Zeit: ich habe heute etwas
Arznei eingenommen; vielleicht aber werden wir uns morgen schon hinbegeben
können, wenn Zeit und Umstände es gestatten.> So ist denn, Herr, wenigstens
das erreicht worden, daß er, Herr Anando eingewilligt hat am morgigen Tage
schon herzukommen.»
Am nächsten Morgen nun rüstete sich der ehrwürdige Anando beizeiten, nahm
Mantel und Almosenschale und begab sich mit Cetako dem Mönche, der hinter ihm
herging, zur Behausung bei Subho dem jungen Todeyyer hin. Dort angelangt nahm er
auf dem dargebotenen Sitze Platz. Alsbald nun trat Subho der junge Todeyyer an
den ehrwürdigen Anando heran, bot höflichen Gruß dar, wechselte freundliche,
denkwürdige Worte mit dem ehrwürdigen Anando und setzte sich dann beiseite
nieder. Beiseite sitzend wandte sich Subho der junge Todeyyer also an den
ehrwürdigen Anando:
«Herr Anando hat ja Ihm, dem Herrn Gotamo lange hindurch aufgewartet, ist um
ihn gewesen, ist bei ihm geweilt. Herr Anando wird es wohl wissen, was für
Dinge Er, der Herr Gotamo gepriesen hat, und worin er die Leute da unterwiesen,
eingeführt und bekräftigt hat. Was sind das nun, Herr Anando, für Dinge, die
Er, der Herr Gotamo gepriesen hat, und worin er die Leute da unterwiesen,
eingeführt und bekräftigt hat?»
«Drei sind es, Priester, der Teile, die Er, der Erhabene gepriesen hat, und
darin hat er die Leute da unterwiesen, eingeführt und bekräftigt: welche drei?
Den Teil der heiligen Tugend, den Teil der heiligen Einigung, den Teil der
heiligen Weisheit. Das sind, Priester, die drei Teile, die Er, der Erhabene
gepriesen hat, und darin hat er die Leute da unterwiesen, eingeführt und
bekräftigt.»
«Was ist das aber, Herr Anando, für ein Teil der heiligen Tugend, den Er,
der Herr Gotamo gepriesen hat, und worin er die Leute da unterwiesen,
eingeführt und bekräftigt hat?»
«Da erscheint, Priester, der Vollendete in der Welt, der Heilige, vollkommen
Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner,
der unvergleichliche Leiter der Männerherde, der Meister der Götter und
Menschen, der Erwachte, der Erhabene. Er zeigt diese Welt mit ihren Göttern,
ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schar von Priestern und Büßern,
Göttern und Menschen, nachdem er sie selbst verstanden und durchdrungen hat. Er
verkündet die Lehre, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende
begütigt, die sinn- und wortgetreue, er legt das vollkommen geläuterte,
geklärte Asketentum dar. -
Diese Lehre hört ein Hausvater, oder der Sohn eines Hausvaters, oder einer,
der in anderem stande neugeboren ward. Nachdem er diese Lehre gehört hat, faßt
er Vertrauen zum Vollendeten. Von diesem Vertrauen erfüllt denkt und überlegt
er also: <Ein Gefängnis ist die Häuslichkeit, ein Schmutzwinkel; der freie
Himmelsraum die Pilgerschaft. Nicht wohl geht es, wenn man im Hause bleibt, das
völlig geläuterte, völlig geklärte Asketentum Punkt für Punkt zu erfüllen. Wie,
wenn ich nun mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, aus
dem Hause in die Hauslosigkeit hinauszöge?> So gibt er denn später einen
kleinen Besitz oder einen großen Besitz auf, hat einen kleinen Verwandtenkreis
oder einen großen Verwandtenkreis verlassen und ist mit geschorenem Haar und
Barte, im fahlen Gewande von Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen. -
Also Pilger geworden bleibt er in reiner Zucht richtig gezügelt, lauter im
Handel und Wandel: vor geringstem Fehl auf der Hut kämpft er beharrlich weiter,
Schritt um Schritt; in Taten und Worten heilsam beflissen lebt er rein, ist
tüchtig in Tugend, hütet die Tore der Sinne, gewappnet mit klarem Bewußtsein,
zufrieden. - Treu der heiligen Tugendsatzung, treu der heiligen Sinnenzügelung,
treu der heiligen klaren Einsicht, treu der heiligen Zufriedenheit sucht er
einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine
Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager
in der offenen Ebene. Nach dem Mahle, wenn er vom Almosengange zurückgekehrt
ist, setzt er sich mit verschränkten Beinen nieder und pflegt der Einsicht. Er
hat weltliche Begierde verworfen und verweilt begierdelosen Gemütes, von
Begierde läutert er sein Herz. Gehässigkeit hat er verworfen, haßlosen Gemütes
verweilt er, voll Liebe und Mitleid zu allen lebenden Wesen läutert er sein
Herz von Gehässigkeit. Matte Müde hat er verworfen, von matter Müde ist er
frei; das Licht liebend, einsichtig, klar bewußt, läutert er sein Herz von
matter Müde. Stolzen Unmut hat er verworfen, er ist frei von Stolz; innig
beruhigten Gemütes läutert er sein Herz von stolzem Unmut. Das Schwanken hat er
verworfen, der Ungewißheit ist er entronnen; er zweifelt nicht am Guten, vom
Schwanken läutert er sein Herz.- Das ist nun, Priester, der Teil der heiligen
Tugend, den Er, der Erhabene gepriesen hat, und darin hat er die Leute da unterwiesen,
eingeführt und bekräftigt. Aber es bleibt da noch mehr zu tun übrig.»
«Erstaunlich ist es, Herr Anando, außerordentlich ist es, Herr Anando! Das
ist freilich ein Teil, Herr Anando, der heiligen Tugend, der vollständig ist,
nicht unvollständig einen derart vollständigen Teil, Herr Anando, der heiligen
Tugend hab' ich wohl sonstwo, bei anderen Asketen und Priestern nicht
kennenlernen. Hätten sie aber, Herr Anando, einen derart vollständigen Teil der
heiligen Tugend sonstwo bei sich aufzuweisen, die anderen Asketen und Priester:
sie würden insofern schon zufrieden sein: <Endlich genug, es ist vollbracht,
erreicht haben wir das Ziel der Asketenschaft, nichts weiter mehr bleibt uns zu
tun übrig>; während ja doch Herr Anando also spricht: <Aber es bleibt da
noch mehr zu tun übrig.> Was ist das aber, Herr Anando, für ein Teil der
heiligen Einigung, den Er, der Herr Gotamo gepriesen hat, und worin er die
Leute da unterwiesen, eingeführt und bekräftigt hat?»
«Sobald nun, Priester, der Mönch jene fünf Hemmungen (nivarana) in sich
aufgehoben erkennt, wird er freudig bewegt. Freudig bewegt wird er heiter.
Heiteren Herzens wird der Körper beschwichtigt. Körperbeschwichtigt fühlt er
sich wohl. Sich wohl fühlend wird sein Geist einig. So gewinnt er gar fern von
Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener
seliger Verzückung, die Weihe der ersten Schauung. Das aber gilt ihm als
Einigung. - Weiter sodann, Priester: nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens
erreicht der Mönch die innere Meeresstille, die Einheit des Gemütes, die von
sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene selige Verzückung, die
Weihe der zweiten Schauung. Das aber gilt ihm als Einigung. Weiter sodann,
Priester: in heiterer Ruhe verweilt er gleichmütig, einsichtig, klar bewußt,
ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: <Der
gleichmütig Einsichtige lebt beglückt>; so erwirkt er die Weihe der dritten
Schauung. Das aber gilt ihm als Einigung. - Weiter sodann, Priester: nach
Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und
Trübsinns erwirkt er die leidlose, freudlose, gleichmütig einsichtige
vollkommene Reine, die Weihe der vierten Schauung. Das aber gilt ihm als
Einigung. - Weiter sodann, Priester, kann der Mönch sich mancher verschiedenen
früheren Daseinsform erinnern, mit je den eigentümlichen Merkmalen, mit je den
eigenartigen Beziehungen. Das aber gilt ihm als Weisheit. - Weiter sodann,
Priester, kann der Mönch die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen sehn,
gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, kann
erkennen wie die Wesen je nach den Taten wiederkehren. Das aber gilt ihm als
Weisheit. - Weiter sodann, Priester, kann der Mönch mit der Wahnversiegung die
wahnlose Gemüterlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar
machen, verwirklichen und erringen. <Im Erlösten ist die Erlösung>, diese
Erkenntnis geht ihm auf, <Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum,
gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt> versteht er da. Das aber gilt
ihm als Weisheit. - Das ist nun, Priester, der Teil der heiligen Einigung und
der Teil der heiligen Weisheit, den Er, der Erhabene gepriesen hat, und darin
hat er die Leute da unterwiesen, eingeführt und bekräftigt. Nun bleibt da
nichts weiter mehr zu tun übrig.»
«Erstaunlich ist es, Herr Anando, außerordentlich ist es, Herr Anando! Das
ist freilich ein Teil, Herr Anando, der heiligen Einigung und ein Teil der
heiligen Weisheit, der vollständig ist, nicht unvollständig: einen derart
vollständigen Teil, Herr Anando, der heiligen Einigung und der heiligen
Weisheit hab' ich wohl sonstwo, bei anderen Asketen und Priestern nicht
kennenlernen. Nun bleibt da freilich nichts mehr zu tun übrig. - Vortrefflich,
Herr Anando, vortrefflich, Herr Anando! Gleichwie etwa, Herr Anando, als ob
einer Umgekehrtes aufkehrte, oder Verborgenes enthüllte, oder Verirrten den Weg
zeigte, oder eine Lampe in einen dunklen Raum brächte: <Wer Augen hat wird die
Dinge sehn>: ebenso auch hat Herr Anando die Lehre gar vielfach beleuchtet.
Und so nehm' ich, Herr Anando, bei Ihm, dem Herrn Gotamo Zuflucht, bei der
Lehre und bei der Jüngerschaft: als Anhänger soll mich Herr Anando betrachten,
von heute an zeitlebens getreu.»
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