Phusso
949
DA manchen Jünger, manchen Mönch
Von edlem Ansehn, echtem Ernst
Bei Bruder Phusso er gesehn,
Hob also Pandaraso an:
950
'Wie mögen doch, was meinst du, Herr,
In Zukunft unsre Jünger sein?
Von was für Wesen, was für Schlag,
Von welchem Anblick, welcher Art?'
951
'So höre, Heil'ger du, mein Wort
Und merk' es, Pandaraso, recht:
Hab' acht, ich will dir melden klar
Was ich als Zukunft angeschaut.
952
'Von Zorn verzehrt, von Haß verhetzt,
Verschlagen, schlaff, arglistig schlau,
Voll Eifersucht und Eigensinn
Zeigt mir die Zukunft manchen Mönch.
953
'Die tiefe Wahrheit zu verstehn
Wird mancher meinen, dünkelhaft,
Der seichten Sinn am Ufer sucht,
Mit frechen Freunden Possen spielt
954
'Viel Elend, viel Erbärmlichkeit
Wird offenbar sein in der Welt:
Das Wort des Herrn, so klar erklärt,
Das werden sinnlos trüben sie.
955
'Der Ordensfeind, der frevle Gauch
Gebärdet sich als frommer Mann;
Gemeinheit überwiegt alsbald,
Maulaffen sieht man, faules Volk.
956
'Der Ordensfreund, der wackre Mönch,
Der tapfer an der Tugend hält,
Wird überboten, überstimmt,
Beschämt verstummt er, ungehört.
957
'Sie nehmen Gold und Silber an
Und Haus und Hof und Feld und Vieh
Und Knecht und Magd, voll Übermut:
Das ist der Zukunft Angesicht.
958
'Sie werden mürrisch gehn, betört,
Entfremdet frohem Tugendpfad,
Von blöder Ruhmsucht aufgebläht
Verwildern roh, entzückt von Zank.
959
'Sie ziehn die Brauen düster auf
Und legen dunkle Kleidung an,
Betrüger, Tröpfe, geifernd, geil,
Die geben sich für heilig aus!
960
'Mit weich geöltem Lockenhaar,
Mit frechen Augen, frisch gesalbt:
So gehn sie durch die Gassen hin,
Geschmückt mit Gold und Elfenbein.
961
'Das rauhe Wams, dem Reinen recht,
Das fahl gefärbte Ehrenkleid,
Die gelbe Kutte wird verhaßt:
Ein weißer Mantel macht sie froh.
962
'Nach Hab' und Gut begehren sie,
Verdrossen, träge, müde, matt,
Die Klausen fliehn sie, fliehn den Wald,
Und siedeln sich ans nahe Dorf.
963
'Die reich beschenkten Heuchler nur,
Zu Lust und Laster stets gelaunt,
Die hält man hoch, verehrt sie gern,
Folgt ihnen, unbekümmert, nach.
964
'Die unbeschenkt und einsam gehn
Verachtet man und kennt sie nicht,
Und wenn sie noch so trefflich sind
Und weise: keiner kehrt sich dran.
965
'Die bunten Fetzen, die man gibt,
Die unser einer flickt und färbt,
Verwerfen sie, erwählen auch,
Wie andre Büßer, weißes Kleid.
966
'Zum Ekel wird der fahle Rock,
Zuwider ihrer Willensucht,
Des fahlen Rockes Reinigkeit
Will keiner kennen, keiner sehn.
967
'Vom Speer getroffen, schwer verletzt,
Durchwühlt von wilder Schmerzenspein,
Fiel einst als Opfer arger List
Unvorgesehn ein Elefant.
968
'Da sah der edle Sechserilph
Den Jäger fahl verkleidet stehn,
Und Klage ließ er lauten weh,
Im letzten Seufzer, sinnbegabt:
969
'«Wer ungeheilt von trübem Drang
Den trüben Rock ergreifen will,
Der Wahrheit und Entsagung fremd:
Dem ziemet nicht das Mönchgewand
970
'«Doch wer geheilt von trübem Drang
Fest stehet in der Ordenszucht,
Der Wahrheit und Entsagung treu:
Ja, dem geziemt der trübe Rock.»
971
'Wer sittenlos verlottert geht,
Gemeiner Knecht um Sinnensold,
Verstörten Geistes, tugendbar:
Dem ziemet nicht der trübe Rock.
972
'Doch wer da tugendlauter lebt,
Getrost erstorben jeder Lust,
Geklärten Geistes, licht und rein:
Ja, dem geziemt der trübe Rock.
973
'Dem Gecken, der sich blöde bläht,
Dem Laffen ohne Tüchtigkeit
Stehn weiße Falten leidlich gut:
Was gält' ihm wohl der trübe Rock?
974
'Die Mönche, ja die Nonnen gar
Hört man in Zukunft ohne Zucht
Erzürnten Tadel zischen laut,
Verlästern heil'ge Meister hier!
975
'Von Ordensvätern ernst belehrt
Wie man die Kutte tragen soll,
Vergelten sie's mit Ungeduld,
Und jeder tut, was ihm gefällt.
976
'So leben lässig sie dahin
Und kümmern sich um kein Gebot,
Gehorchen keinem Lenkerwort,
Gleichwie der Gaul, der störrig stockt.
977
'Das ist der Zukunft Angesicht,
Dies Ende seh' ich offenbar;
Die Mönche da, die Nonnen dort,
Sie werden elend untergehn.
978
'Bevor heranzieht jene Zeit,
Das arge Unheil, furchtbar groß,
Seid sanften Sinnes, liebreich, gut,
In edler Eintracht euch getreu.
979
'Seid freundlich froh, mitleidig mild,
Beharrlich tüchtig, tugendheil;
Standhaft gestählt, ausdauernd stark
Kämpft euch zum Ziele kühn hindurch!
980
'Erkennt als Abgrund leichten Sinn
Und Ernst als echte Sicherheit:
Den heil'gen achtgeteilten Pfad
Sollt ihr vollenden, toderlöst.'
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