Anhang
1. Schlangensegen.
(Zu Anm. 50 und 58.)
Als ein klassisches Beispiel altbuddhistischer Beschwörungslieder und
Parittás kann der ,Schlangen-segen' gelten. Der Text findet sich im Anguttara
Nikáyo (IV, 67) und ebenfalls im Culla-Vaggo (V, 6). Die Übersetzung lautet:
1. Einstmals weilte der Erhabene zu Savatthi, im Siegerhain, im
Klostergarten des Armenspeisers. Damals nun war in Savatthi ein gewisser Mönch
von einer Schlange gebissen und getötet worden. Und viele Mönche begaben sich
dorthin, wo der Erhabene weilte, und als sie sich dorthin begeben hatten,
begrüssten sie den Erhabenen ehrfurchtsvoll und setzten sich seitwärts nieder.
Seitwärts sitzend sprachen jene Mönche zu dein Erhabenen also:
2. ,Herr, hier in Savatthi ist ein gewisser Mönch von einer Schlange
gebissen und getötet worden.'
„Sicherlich, ihr Mönche, hat dieser Mönch die vier königlichen Geschlechter der
Schlangen (ahirájakuláni) nicht mit liebevollem Gemüte durchdrungen (na …
mettena cittena phari) Hätte nämlich, ihr Mönche, dieser Mönch die vier
königlichen Geschlechter der Schlangen mit liebevollem Gemüte durchdrungen, so
wäre, ihr Mönche, dieser Mönch nicht von einer Schlange gebissen und getötet
worden. Welches sind die vier königlichen Geschlechter der Schlangen?
„Die Virúpakkhos sind ein königliches Geschlecht der Schlangen. Die
Erápathos sind ein königliches Geschlecht der Schlangen. Die Chabyáputtos sind
ein königliches Geschlecht der Schlangen. Die Kanhágotamakos sind ein
königliches Geschlecht der Schlangen. Sicherlich, ihr Mönche, hat dieser Mönch
diese vier königlichen Geschlechter der Schlangen nicht mit liebevollem Gemüte
durchdrungen. Hätte nämlich, ihr Mönche, dieser Mönch diese vier königlichen
Geschlechter der Schlangen mit liebevollem Gemüte durchdrungen, so wäre, ihr
Mönche, dieser Mönch nicht von einer Schlange gebissen und getötet worden.
„Ich ordne an, ihr Mönche, dass ihr zur eigenen Sicherheit, zum eigenen
Schutz, zur eigenen Abwehr (attaparittáya) diese vier königlichen Geschlechter
der Schlangen mit liebevollem Gemüte durchdringt:
3.
„Die Virúpakkhos liebe ich,
Ich liebe die Erápathos>
Die Chabyáputtos liebe ich,
Ich liebe die
Kanhágotamakos."
„Fusslose Wesen liebe ich,
Ich liebe die Zweifüssigen,
Die Vierfüssigen liebe ich,
Ich liebe die Vielfüssigen."
„Nichts Fussloses soll schaden
mir,
Nicht schade mir ein Zweifüssler,
Kein Vierfüssler soll schaden
mir,
Nicht schade mir ein Vielfüssler.
„Die Wesen alle und alles, was
lebt,
Alle Geschöpfe (oder Geister,
bútháni) insgesamt,
Sie alle sollen glücklich sein,
(bhadráni passantu)
Nichts Böses möge ihnen nah‘n.
„Unbegrenzt ist Buddha, unbegrenzt ist das Gesetz, unbegrenzt ist die
Gemeinde. Begrenzt sind die Kriechtiere, Schlangen, Skorpione, Taussendfüssler,
Spinnen, Eidechsen, Mäuse. Ein Schutz ist mir geschaffen, eine Abwehr (parittá)
ist mir (oder: von mir) geschaffen; die Wesen sollen sich zurückziehen! Ich
[spreche]: Verehrung dem Erhabenen, Verehrung den sieben vollkommen
Erleuchteten!"«
Dass wir es hier mit einem echten Beschwörungsliede zu tun haben, und: nicht
etwa mit einer bloßen Anweisung Buddhas, auch gegen die Tiere eine liebevolle
Gesinnung zu betätigen, wird niemand ernstlich in Abrede stellen wollen.
Gleichwohl hebt sich diese Parittá, der neben ihrem eigentlichen Charakter als
‚Schlangensegen' auch ein hoher ethischer Gehalt nicht abgesprochen werden
kann, sehr vorteilhaft von den hinduistischen Mantren und Bannformeln ab.
Dieses Suttam ist also eine von den Stellen der Pitakas, in denen uns
bereits das Wort ,parittá' in der Bedeutung ‚Abwehr', ‚Zauber',
‚Segen‘ begegnet. Das Wort findet sich ausser in der angegebenen
Parallelstelle (Culla-Vaggo, V. 6) ebenfalls in einer Játaka-Erzählung, u. z.
in derselben Wendung, wie in unserem Suttam (katá me parittá). Dieser
Játaka-Text enthält auch ein weiteres Beschwörungslied. Vergl. ferner
Milindapañho IV. 2, 15.
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