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Khuddaka-Pátha IntraText CT - Text |
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4. Toten-Opfer und Parittá-Dienst im japanischen Buddhismus (Ein Nachtrag zum Tirokudda-Suttam) Herr Rev. Omori, Priester der Sótó-Zen-Schule, hatte die Liebenswürdigkeit, mir jüngst auf meine Anfrage mündlich eingehende Mitteilungen über die im japanischen Buddhismus gebräuchlichen ,Toten-Opfer' zu machen. Mich interessierte der Gegenstand lebhaft, zumal ich schon seit langem einen geschichtlichen Zusammenhang dieser in Japan üblichen Zeremonien mit den im Tirokudda-Suttam behandelten, also zum Bestand des ältesten Buddhismus gehörenden Toten-Opfern vermutete, im Gegensatz zu der allgemein herrschenden Auffassung, die in den erwähnten japanischen Riten wesentlich unbuddhistische, ganz fremdartige Gebräuche zu sehen geneigt ist. Herrn Omoris Mitteilungen haben meine Vermutungen vollauf bestätigt. Zunächst sei festgestellt, dass solche ,Toten-Opfer' in allen Schulen des japanischen Buddhismus, mit Ausnahme der rationalistischen Shin- und der einseitig exklusiven Nichiren-Schule seit altersher üblich sind. Der Name der Totenopfer-Zeremonie ist Se-ga-ki-ye. Ye bedeutet Zeremonie; Se heisst Opfer, Spende, ist also gleichbedeutend mit den Páli-Worten pújá, dánam oder dakkhiná; Ki heißt ,Geist eines Verstorbenen', und die Bedeutung von Ga ist ,ohne Speise'. Ich konnte nun konstatieren, dass Ga-ki genau dem pálibuddhistischen peto (sanskr. preta) entspricht. Der Páli-Buddhismus kennt nämlich fünf, resp. sechs ,Gatis' oder Arten der Wiedergeburt: 1. nirayo (Hölle), 2. tiracchánayoni (tierischer Schoss), 3. petaloko (Welt der abgeschiedenen Geister, auch pettivisayo, ,Reich der Väter', genannt),*1) 4. manussá (Menschen), 5. devá (lichte Geister, Götter) – und 6. asuranikáyo (Klasse der Dämonen). Der japanische Buddhismus lehrt ebenfalls diese sechs Arten der Wiedergeburt, und es zeigt sich, dass Ga-ki genau die Stelle des páli-buddhistischen peto vertritt. Die Welt der Ga-ki wird gedacht als ein auf das irdische Leben folgender Zustand hilfloser Unfreiheit, der durch die für die Abgeschiedenen dargebrachten Opfer und Spenden erleichtert wird. Wollte man also das japanische Sega-ki ins Páli rückübersetzen, so müsste man notgedrungen ein petapújá, petadánam oder petadakkhiná (Opfer oder Spende für abgeschiedene Geister) substituieren müssen. In Japan werden nun - genau wie es unser Tirokudda-Suttam will - die ,Toten-Opfer' für die Abgeschiedenen von deren überlebenden Anverwandte, u. z. zu bestimmten Terminen, dargebracht. Es werden Schalen mit Speise für die Verstorbenen aufgestellt, und einer der Angehörigen oder ein Priester liest Parittá-Texte vor. Die Zeremonie wird meist im Hause, zu bestimmten Terminen aber auch im Tempel im Beisein aller näheren und entfernteren Verwandten vorgenommen. An den betreffenden Tagen werden von den Angehörigen gewisse religiöse Übungen beobachtet.*2) Die zu Grunde liegende Idee ist - wieder in Übereinstimmung mit dem Tirokudda-Suttam -, dass durch diese Opfer die abgeschiedenen Geister ‚freier‘ werden und ihnen Erleichterung verschafft wird.*3) Kurz, alles stimmt so auffallend mit dem Inhalt des Tirokudda-Suttam überein, dass man den Gedanken an ein zufälliges Zusammentreffen schlechterdings aufgeben muss. Somit erweist sich der sogen. ,Totenkult‘ und ‚Ahnenkult‘ (dieser ist nur eine gesteigertere Form des ersteren) des japanischen Bnddhismus*4) aller Wahrscheinlichkeit nach nicht als eine spätere, einer fremden Gedankenwelt entnommene, nicht-buddhistische Institution, sondern als eine, bereits im ältesten Buddhismns nachweislich vorhandene, ja über diesen hinaus in noch ältere Zeiten zurück-reichende, echt indische Kultform. Was nun die in Japan übliche Parittá-Zeremonie betrifft, so stimmen die hierfür gewählten Texte in den einzelnen Schulen nicht überein. Sehr gebräuchlich und beliebt sind Buddhas letzte Predigt (Fosho-hing-tsan-king Kap. XXVI, V. 2018-2087), das Sútra der zweiundvierzig Hauptstücke und bestimmte Texte aus dem Hokke-kyó (Saddharma-pundaríka-Sutra). Wie schon erwähnt, werden solche Parittá-Texte bei Toten-Opfern, sowie an den Todes-tagen der Ahnen entweder von Angehörigen (resp. Nachkommen) oder von Priestern verlesen. Auch kann ein Angehöriger diese Texte still für sich lesen. Ich selbst habe ein in der Sótó-Zen-Schule gebräuchliches Parittá-Text-Buch gesehen; die stille Lesung nimmt etwa 25 Minuten in Anspruch; die mit Zeremonien verbundene Verlesung durch den Priester dauert eine Stunde. Genau wie bei dem auf Ceylon allgemein verbreiteten Pirit-Dienst ist auch hier der Glaube massgebend, dass durch diese Lesungen und Rezitationen böse Mächte vertrieben und gute Kräfte wachgerufen werden. Kann man überhaupt noch zweifeln, dass wir in dem Parittá-Dienst als solchem ebenfalls einen in die urbuddhistische Zeit zurück reichenden Kultus zu erblicken haben?
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*1) Es sei darauf hingewiesen, dass die páli-buddhistischen pétá sowohl den pretás, als auch den pitaras des Brahmanismus entsprechen. *2) Am 15. Juli findet in Japan außerdem eine allgemeine, für alle verstorbenen bestimmte Totenopfer-Zeremonie statt. *3) Natürlich wird dabei auch an eine auf dem verdienstlichen Tun beruhende segensreiche Rückwirkung auf die Opfernden selbst geglaubt. Der nämliche Gedanke wird im Tirokudda-Suttam (V. 5 und 12) ausdrücklich hervorgehoben. *4) Ganz wesentlich verschieden von diesen buddhistischen Toten- und Ahnen-Opfern ist in seinem Ursprung der shintoystische Ahnenkult. Derselbe zielt auf die Apotheose berühmter Fürsten, Helden und Gelehrter ab. Diese Vergötterung betrifft in erster Linie die mythischen Vorfahren der kaiserlichen Familie. Man muss diese zwei, genetisch ganz verschiedenen Dinge (buddhistische Toten-Opfer und shintoistischen Ahnenkult) streng auseinanderhalten, wenngleich nicht geleugnet werden soll, dass Buddhismus und Shinto-Glaube sich im Laufe ihrer geschichtlichen Entwicklung gegenseitig beeinflusst haben. |
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