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Ioannes Paulus PP. II Laborem exercens IntraText CT - Text |
5. Die Arbeit im objektiven Sinn: Die Technik
Diese Universalität und zugleich diese Vielfalt im Prozeß des »Untertan-machens der Erde« werfen Licht auf die menschliche Arbeit; denn die Herrschaft des Menschen über die Erde vollzieht sich durch die Arbeit und in der Arbeit. So wird der Sinn der objektiv verstandenen Arbeit deutlich, wie er in den verschiedenen Epochen der Kultur und Zivilisation zum Ausdruck kommt. Der Mensch beherrscht die Erde schon dadurch, daß er Tiere zähmt und züchtet und aus ihnen die nötige Nahrung und Kleidung für sich gewinnt, und dadurch, daß er aus Erde und Meer verschiedene Naturschätze entnehmen kann. Viel weitgehender jedoch macht sich der Mensch die Erde »untertan«, wenn er sie zu bebauen beginnt und dann ihre Produkte seinen Bedürfnissen entsprechend verarbeitet. Die Landwirtschaft stellt somit einen vorrangigen Zweig der wirtschaftlichen Tätigkeit und - durch die menschliche Arbeit - einen unentbehrlichen Produktionsfaktor dar. Die Industrie wiederum wird immer in der Verbindung der Schätze der Erde - sowohl der vorgegebenen lebenden Naturprodukte als auch der Produkte der Landwirtschaft sowie der mineralischen und chemischen Bodenschätze - mit der Arbeit des Menschen, der körperlichen wie der geistigen, bestehen. Das gilt in gewissem Sinn auch für den Bereich der sogenannten Dienstleistungsindustrie sowie der reinen und angewandten Forschung.
In Industrie und Landwirtschaft ist die Arbeit des Menschen heute in vielen Fällen keine überwiegend körperliche mehr, da die Mühe der Hände und Muskeln von Maschinen und Mechanismen unterstützt wird, deren Vervollkommnung unaufhörlich fortschreitet. Nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Landwirtschaft sind wir Zeugen von Umwandlungen, die durch die stufenweise und ununterbrochene Entwicklung von Wissenschaft und Technik ermöglicht wurden. Dies alles ist, historisch gesehen, eine Ursache großer Umwälzungen der Zivilisation geworden, vom Beginn des »Industriezeitalters« zu den jeweils folgenden, durch neue Techniken bedingten Entwicklungsphasen wie der Phase der Elektronik oder der Mikroprozessoren in den letzten Jahren.
Wenn auch der Eindruck entstehen könnte, daß im industriellen Prozeß die Maschine »arbeitet«, während der Mensch sie nur bedient, indem er auf verschiedene Weise ihr Funktionieren ermöglicht und unterstützt, so trifft doch zu, daß die industrielle Entwicklung gerade dadurch Anlaß gibt, das Problem der menschlichen Arbeit in neuer Weise wieder zu stellen. Sowohl die erste Industrialisierung, welche die sogenannte Arbeiterfrage geschaffen hat, als auch die darauf folgenden industriellen und nachindustriellen Umwandlungen zeigen deutlich, daß auch im Zeitalter der immer stärker mechanisierten »Arbeit« der Mensch das eigentliche Subjekt der Arbeit bleibt.
Die Entwicklung der Industrie und der verschiedenen mit ihr in Verbindung stehenden Sektoren bis zu den modernsten Technologien der Elektronik insbesondere auf den Gebieten der Miniaturisierung, der Informatik, der Telematik und anderen zeigt an, welche ungeheure Bedeutung in der Wechselwirkung zwischen Subjekt und Objekt der Arbeit (im weitesten Sinne dieses Wortes) gerade jener Verbündeten der menschlichen Arbeit zukommt, die der menschliche Geist erzeugt hat, nämlich der Technik. Sie ist - hier nicht als Arbeitsfähigkeit oder -fertigkeit, sondern als die Gesamtheit der Instrumente verstanden, deren sich der Mensch bei seiner Arbeit bedient - zweifellos eine Verbündete des Menschen. Sie erleichtert ihm die Arbeit, vervollkommnet, beschleunigt und vervielfältigt sie. Sie begünstigt die quantitative Mehrung der Arbeitsprodukte und bei vielen auch die Verbesserung ihrer Qualität. Doch ist es auch eine Tatsache, daß sich die Technik in manchen Fällen aus einer Verbündeten fast in eine Gegnerin des Menschen verwandeln kann, wie etwa dann, wenn die Mechanisierung der Arbeit den Menschen verdrängt und ihn jeder persönlichen Befriedigung und des Ansporns zu Kreativität und Verantwortung beraubt, wenn sie viele Arbeitnehmer um ihre Beschäftigung bringt oder durch die Verherrlichung der Maschine den Menschen zu deren Sklaven macht.
Wenn die Bibelworte »macht euch die Erde untertan«, die seit dem Anfang an die Menschen gerichtet sind, von der gesamten modernen industriellen und nachindustriellen Zeit her verstanden werden, schließen sie zweifellos auch eine Beziehung zur Technik ein, zu jener Welt der Mechanismen und Maschinen, die eine Frucht der Verstandesarbeit des Menschen und eine geschichtliche Bestätigung seiner Herrschaft über die Natur sind.
Die jüngste Epoche der Menschheitsgeschichte zeigt vor allem bei einigen Völkern einen berechtigten Triumph der Technik als eines Grundfaktors für wirtschaftlichen Fortschritt; gleichzeitig jedoch hat dieser Triumph zentrale Fragen aufgeworfen und wirft sie immer noch auf: Fragen über die menschliche Arbeit im Verhältnis zu ihrem Subjekt, das eben der Mensch ist. Diese Fragen sind mit schwerwiegenden Inhalten und Spannungen von ethischem und ethisch-sozialem Charakter beladen. Sie stellen daher eine ständige Herausforderung für vielerlei Institutionen dar, für Staaten und Regierungen, für internationale Systeme und Organisationen; sie sind eine Herausforderung auch für die Kirche.