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Ioannes Paulus PP. II
Laborem exercens

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6. Die Arbeit im subjektiven Sinn: Der Mensch als Subjekt der Arbeit

Wollen wir unsere Darlegung zur Arbeit nach den Worten der Bibel fortsetzen, nach denen sich der Mensch die Erde untertan machen soll, so müssen wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die Arbeit im subjektiven Sinne richten, und zwar viel eingehender, als wir es zum objektiven Sinn der Arbeit getan haben, wo wir jene weitgespannte Problematik nur eben berührten, die den Wissenschaftlern der verschiedenen Gebiete und auch, ihrer Spezialisierung entsprechend, den arbeitenden Menschen selbst vollkommen und in Einzelheiten bekannt ist. Wenn die Worte des Buches Genesis, auf die wir uns bei dieser Untersuchung beziehen, von der Arbeit im objektiven Sinne nur indirekt sprechen, so sprechen sie vom Subjekt der Arbeit zwar ebenfalls nur indirekt; was sie aber dazu sagen, ist sehr aufschlußreich und voll tiefer Bedeutung.

Der Mensch soll sich die Erde untertan machen, soll sie beherrschen, da er als »Abbild Gottes« eine Person ist, das heißt ein subjekthaftes Wesen, das imstande ist, auf geordnete und rationale Weise zu handeln, fähig, über sich zu entscheiden, und auf Selbstverwirklichung ausgerichtet. Als Person ist der Mensch daher Subjekt der Arbeit. Als Person arbeitet er und vollzieht die verschiedenen Handlungen, die zum Arbeitsprozeß gehören; unabhängig von ihrem objektiven Inhalt müssen diese alle der Verwirklichung seines Menschseins dienen, der Erfüllung seiner Berufung zum Personsein, die ihm eben aufgrund seines Menschseins eigen ist. Die wichtigsten Wahrheiten zu diesem Thema hat in unserer Zeit das II. Vatikanische Konzil in der Konstitution Gaudium et spes, insbesondere im Kapitel I über die Berufung des Menschen, unterstrichen.

So bezieht sich also die »Herrschaft«, von welcher unser Bibeltext spricht, nicht nur auf die objektive Dimension der Arbeit, sondern führt uns gleichzeitig zum Begreifen ihrer subjektiven Dimension. Die Arbeit als Prozeß, durch den sich der Mensch und die Menschheit die Erde untertan machen, wird jener grundlegenden Auffassung der Bibel nur dann gerecht, wenn in diesem ganzen Prozeß sich der Mensch zugleich immer als der erweist und bestätigt, der »herrscht«. Dieses Herrschen bezieht sich in gewisser Hinsicht sogar mehr auf die subjektive als auf die objektive Dimension: gerade jene Dimension bedingt ja die ethische Substanz der Arbeit. Denn es steht außer Zweifel, daß die menschliche Arbeit ihren ethischen Wert hat, der unmittelbar und direkt mit der Tatsache verbunden ist, daß der, welcher sie ausführt, Person ist, ein mit Bewußtsein und Freiheit ausgestattetes Subjekt, das heißt ein Subjekt, das über sich entscheidet.

Diese Wahrheit, die in gewissem Sinne den fundamentalen und bleibenden Kern der christlichen Lehre über die menschliche Arbeit darstellt, war und ist für das Erfassen wichtiger sozialer Probleme epochalen Ausmaßes von grundlegender Bedeutung.

Die Antike teilte die Menschen nach eigenem, typischem Maßstab nach der Art der Arbeit ein, die sie verrichteten. Die Arbeit, die vom Arbeitenden den Einsatz seiner körperlichen Kräfte erforderte, die Arbeit der Muskeln und der Hände, wurde für freie Menschen als unwürdig betrachtet; zu ihrer Verrichtung wurden deshalb die Sklaven bestimmt. Das Christentum bewirkte in Ausweitung einiger schon im Alten Testament enthaltener Gedanken eine grundlegende Umwälzung solcher Anschauungen, wobei es von der Botschaft des Evangeliums in ihrer Gesamtheit und vor allem von der Tatsache ausging, daß derjenige, der Gott war, uns jedoch in allem gleich geworden ist, den größten Teil seiner irdischen Lebensjahre der körperlichen Arbeit in der Werkstatt eines Zimmermanns gewidmet hat. Dieser Umstand ist als solcher das beredteste »Evangelium der Arbeit«, aus dem hervorgeht, daß die Grundlage zur Bewertung menschlicher Arbeit nicht in erster Linie die Art der geleisteten Arbeit ist, sondern die Tatsache, daß der, der sie verrichtet, Person ist. Die Würde der Arbeit wurzelt zutiefst nicht in ihrer objektiven, sondern in ihrer subjektiven Dimension.

Bei einer solchen Sicht verschwindet geradezu die Grundlage der in der Antike gemachten Einteilung der Menschen in verschiedene Gruppen nach der Art der von ihnen verrichteten Arbeit. Damit soll nicht gesagt sein, daß die menschliche Arbeit, objektiv verstanden, nicht irgendwie bewertet und qualifiziert werden könne oder dürfe, sondern lediglich, daß die erste Grundlage für den Wert der Arbeit der Mensch selbst ist, ihr Subjekt. Hiermit verbindet sich sogleich eine sehr wichtige Schlußfolgerung ethischer Natur: So wahr es auch ist, daß der Mensch zur Arbeit bestimmt und berufen ist, so ist doch in erster Linie die Arbeit für den Menschen da und nicht der Mensch für die Arbeit. Mit dieser Schlußfolgerung kommt man logisch zur Anerkennung des Vorranges der subjektiven Bedeutung der Arbeit vor der objektiven. Aufgrund dieser Auffassung und vorausgesetzt, daß verschiedene von Menschen verrichtete Arbeiten einen größeren oder geringeren objektiven Wert haben können, geht es uns vor allem darum, deutlich zu machen, daß der Maßstab für jede dieser Arbeiten in erster Linie die Würde ihres Subjekts ist, also der Person, des Menschen, der sie verrichtet. Noch einmal: Unabhängig von der Arbeit, die jeder Mensch verrichtet, und vorausgesetzt, daß diese einen Zweck seines Handelns darstellt - der ihn oft stark engagiert -, ist festzuhalten, daß dieser Zweck für sich allein keine entscheidende Bedeutung besitzt. Zweck der Arbeit, jeder vom Menschen verrichteten Arbeit - gelte sie auch in der allgemeinen Wertschätzung als die niedrigste Dienstleistung, als völlig monotone, ja als geächtete Arbeit -, bleibt letztlich immer der Mensch selbst.




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