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Ioannes Paulus PP. II Laborem exercens IntraText CT - Text |
Wenn wir bei dieser Sicht des Menschen als Subjekt der Arbeit noch etwas verweilen, ist es angebracht, zumindest in großen Zügen einige Aspekte zu berühren, welche die Würde der menschlichen Arbeit näher erläutern, insofern sie eine vollständigere Kennzeichnung ihres spezifischen moralischen Wertes gestatten. Dabei muß man sich ständig die in der Bibel ausgesprochene Berufung vor Augen halten, die »Erde untertan zu machen«, in welcher der Wille des Schöpfers zum Ausdruck kommt, daß die Arbeit es dem Menschen ermögliche, die ihm in der sichtbaren Welt zukommende »Herrschaft« zu verwirklichen.
Diese grundlegende Urabsicht Gottes für den Menschen, den er als sein Abbild schuf, ihm ähnlich, wurde nicht einmal in dem Augenblick abgeändert oder ausgelöscht, da der Mensch nach dem Bruch des ersten Bundes mit Gott die Worte vernahm: »Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen«. Diese Worte beziehen sich auf die manchmal drückende Mühe, welche seither die menschliche Arbeit begleitet, ändern jedoch nichts an der Tatsache, daß die Arbeit der Weg ist, auf dem der Mensch die ihm eigene »Herrschaft« über die sichtbare Welt verwirklicht, indem er sich die Erde »untertan macht«. Diese Mühe ist eine allgemein bekannte, weil allgemein erfahrene Realität. Das wissen die Menschen mit körperlicher Arbeit, deren Tätigkeit manchmal unter äußerst schweren Bedingungen zu verrichten ist. Das wissen nicht nur die in der Landwirtschaft Tätigen, deren langes Tagewerk dem Bebauen der Erde gilt, die ihnen manchmal »Dornen und Disteln« trägt, sondern auch die Arbeiter in den Bergwerken und Steinbrüchen, die Arbeiter der Metallindustrie an ihren Hochöfen, die oft an Leben und Gesundheit gefährdeten Bauarbeiter. Das wissen auch die Menschen in der Werkstatt intellektueller Arbeit; das wissen die Wissenschaftler und die Menschen, auf denen die schwere Verantwortung für sozial weitreichende Entscheidungen lastet. Das wissen die Ärzte und die Krankenpfleger, die Tag und Nacht bei ihren Kranken wachen. Das wissen die Frauen, die manchmal ohne gebührende Anerkennung seitens der Gesellschaft, ja sogar der Angehörigen, tagtäglich die Mühe und die Verantwortung des Haushalts und der Kindererziehung tragen. Das wissen alle arbeitenden Menschen, und da zu arbeiten die Berufung aller ist, wissen es alle Menschen.
Dennoch ist die Arbeit mit all dieser Mühe - und in gewissem Sinne vielleicht gerade aufgrund dieser Mühe - ein Gut für den Menschen. Wenn dieses Gut das Zeichen eines »bonum arduum« - um mit dem heiligen Thomas von Aquin zu sprechen -, eines »schwierigen Gutes«, an sich trägt, so bleibt die Arbeit als solche doch ein Gut für den Menschen, und zwar nicht nur ein »nützliches« oder ein »angenehmes«, sondern ein »würdiges«, das heißt der Würde des Menschen entsprechendes Gut, ein Gut, das diese Würde zum Ausdruck bringt und sie vermehrt. Wenn man die ethische Bedeutung der Arbeit genauer bestimmen will, muß man in erster Linie diese Wahrheit vor Augen haben. Die Arbeit ist ein Gut für den Menschen - für sein Menschsein -, weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern auch sich selbst als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen »mehr Mensch wird«.
Ohne diese Überlegung kann man die Bedeutung der Tugend des Fleißes nicht verstehen, genauer: man kann nicht verstehen, wieso der Fleiß eine Tugend sein soll; ist doch die Tugend als moralische Haltung das, wodurch der Mensch als Mensch gut wird. Dieser positive Zusammenhang ändert aber nichts an unserer berechtigten Sorge, der Mensch könnte in der Arbeit, durch welche die Materie veredelt wird, an sich selbst eine Herabsetzung seiner Würde erleiden. Es ist ja bekannt, daß die Arbeit verschiedentlich gegen den Menschen verwendet werden kann; daß man ihn mit dem System der Zwangsarbeit in Konzentrationslagern bestrafen kann; daß man die Arbeit zu einem Mittel der Unterdrückung des Menschen machen kann; daß man schließlich in verschiedener Weise die menschliche Arbeit - das heißt den arbeitenden Menschen! - ausbeuten kann. All dies spricht für die moralische Verpflichtung, den Fleiß als Tugend mit einer sozialen Ordnung zu verbinden, die es dem Menschen erlaubt, in der Arbeit »mehr Mensch zu werden«, statt sich ihretwegen zu erniedrigen und nicht nur seine Körperkräfte zu verbrauchen (was ja wenigstens zu einem gewissen Grad unvermeidlich ist), sondern sogar seine ureigene Würde und Personalität verletzt zu sehen.