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Ioannes Paulus PP. II Laborem exercens IntraText CT - Text |
26. Christus, ein Mann der Arbeit
Die Wahrheit, daß der Mensch durch die Arbeit am Wirken Gottes, seines Schöpfers, teilnimmt, hat besonders eindringlich Jesus Christus ins Licht gerückt - Jesus, über den viele seiner ersten Zuhörer in Nazaret staunten und sagten: »Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist?... Ist das nicht der Zimmermann?«. Das ihm anvertraute »Evangelium«, das Wort der ewigen Weisheit, hat Jesus nicht nur verkündet, sondern vor allem durch sein Werk vollbracht. Daher war dieses Evangelium auch ein »Evangelium der Arbeit«, weil der, der es verkündete, selbst ein Mann der Arbeit war, der handwerklichen Arbeit, wie Josef von Nazaret. Wenn wir auch in seinen Worten keine besondere Ermahnung zur Arbeit finden, sondern einmal sogar ein Verbot übertriebener Sorge um Arbeit und Unterhalt, so ist doch die Sprache des Lebens Christi selbst eindeutig: Er gehört zur »Welt der Arbeit«, anerkennt und achtet die menschliche Arbeit. Man kann sogar sagen: Er schaut mit Liebe auf die Arbeit und ihre verschiedenen Formen, deren jede ihm ein besonderer Zug in der Ähnlichkeit des Menschen mit Gott, dem Schöpfer und Vater, ist. Hat er nicht gesagt: »... mein Vater ist ein Winzer«, hat er nicht auf verschiedene Weise jene grundlegende Wahrheit über die Arbeit in seine Lehre übernommen, die schon in der ganzen Tradition des Alten Testamentes, vom Buch Genesis an, zum Ausdruck kommt?
In den Büchern des Alten Testaments fehlt es nicht an zahlreichen Hinweisen auf die menschliche Arbeit, auf die verschiedenen Berufe des Menschen: so auf den Arzt, den Apotheker, den Kunsthandwerker, den Schmied - man könnte diese Worte auf die Tätigkeit des Metallarbeiters von heute beziehen -, auf den Töpfer, den Landwirt, den Gelehrten, den Seefahrer, den Bauarbeiter, den Musiker, den Hirten, den Fischer. Bekannt sind die schönen Worte über die Arbeit der Frauen. Jesus Christus bezieht sich in seinen Gleichnissen über das Reich Gottes ständig auf die menschliche Arbeit: auf die des Hirten, des Landwirts, des Arztes, des Sämanns, des Hausherrn, des Dieners, des Verwalters, des Fischers, des Händlers, des Landarbeiters. Er spricht auch von den verschiedenen Arbeiten der Frauen. Er vergleicht das Apostolat mit der körperlichen Arbeit der Ernte oder des Fischfangs. Auch auf die Arbeit der Gelehrten bezieht er sich.
Diese Lehre Christi über die Arbeit, deren Grundlage das Beispiel seines eigenen Lebens während der Jahre in Nazaret ist, findet in der Lehre des Apostels Paulus ein besonders lebendiges Echo. Paulus rühmte sich seiner Berufsarbeit - wahrscheinlich war er Zeltmacher -, und dank dieser Tätigkeit konnte er sich auch als Apostel sein Brot selbst verdienen. »Wir haben uns gemüht und geplagt, Tag und Nacht haben wir gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu fallen«. Dies ist die Quelle seiner Anweisungen zum Thema der Arbeit; sie haben ermahnenden und fordernden Charakter: »Wir ermahnen sie und gebieten ihnen im Namen Jesu Christi, des Herrn, in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihr selbstverdientes Brot zu essen«, schreibt er an die Thessalonicher. Im Zusammenhang mit der Feststellung, daß einige von ihnen »ein unordentliches Leben führen..., nur nicht arbeiten«, sagt der Apostel auch ohne Bedenken: »Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen«. An einer anderen Stelle macht er Mut: »Tut eure Arbeit gern, als wäre sie für den Herrn und nicht für Menschen; ihr wißt, daß ihr vom Herrn euer Erbe als Lohn empfangen werdet«.
Wie man sieht, nehmen die Weisungen des Völkerapostels für die Moral und Spiritualität der menschlichen Arbeit eine Schlüsselstellung ein. Sie sind eine wichtige Ergänzung dieses großen, wenn auch diskreten Evangeliums der Arbeit, das wir in Christi Leben und Gleichnissen finden, in dem, »was Jesus getan und gelehrt hat«.
Erleuchtet von dieser Urquelle, hat die Kirche immer verkündet, was seinen modernen Ausdruck in der Weisung des II. Vatikanischen Konzils gefunden hat: »So wie das menschliche Schaffen aus dem Menschen hervorgeht, so ist es auch auf den Menschen hingeordnet. Wenn nämlich der Mensch wirkt, formt er nicht nur die Dinge und die Gesellschaft um, sondern vollendet auch sich selbst. Er lernt vieles, entwickelt seine Fähigkeiten, überschreitet sich selbst und wächst über sich hinaus. Solches Wachstum ist, richtig verstanden, mehr wert als äußerer Reichtum, der angesammelt werden kann... Richtschnur für das menschliche Schaffen ist daher, daß es gemäß dem Plan und Willen Gottes mit dem echten Wohl der Menschheit übereinstimme und dem Menschen als Einzelwesen und als Glied der Gesellschaft die Entfaltung und Erfüllung seiner vollen Berufung gestatte«.
Im Licht einer solchen Auffassung von den Werten menschlicher Arbeit, einer solchen Spiritualität der Arbeit, erklärt sich vollauf das, was wir an der gleichen Stelle der Pastoralkonstitution des Konzils zum Thema der rechten Bedeutung des Fortschritts lesen: »Der Mensch ist mehr wert durch das, was er ist, als durch das, was er hat. Ebenso hat alles, was die Menschen zur Erreichung einer größeren Gerechtigkeit, einer umfassenderen Brüderlichkeit und einer humaneren Ordnung der sozialen Beziehungen tun, größeren Wert als technische Fortschritte. Diese Fortschritte können zwar gleichsam das Material für den menschlichen Aufstieg bieten, doch den Aufstieg selbst werden sie durch sich allein keineswegs zustandebringen«.
Diese Lehraussage zum Problem des Fortschritts und der Entwicklung - ein im modernen Denken so beherrschendes Thema - kann nur als Frucht einer erprobten Spiritualität der menschlichen Arbeit verstanden werden, und nur auf der Grundlage einer solchen Spiritualität kann sie verwirklicht und in konkrete Praxis umgesetzt werden. Das also ist die Lehre und das Programm, die aus dem »Evangelium der Arbeit« erwachsen.