66. Schließlich dürfen wir nicht aus dem Blick
verlieren, daß auch in unserer Zeit für viele die Arbeit harte
Knechtschaft ist, sei es auf Grund der elenden Arbeitsbedingungen und der
auferlegten Arbeitszeiten, besonders in den ärmsten Gegenden der Welt,
oder weil es selbst in den wirtschaftlich hochentwickelten Gesellschaften allzu
viele Fälle von Ungerechtigkeit und Ausbeutung des Menschen durch den
Menschen gibt. Wenn die Kirche im Laufe der Jahrhunderte Gesetze über die
Sonntagsruhe erlassen hat, (109) hatte sie vor allem die Arbeit der
Sklaven und der Arbeiter im Blick; nicht deshalb, weil es sich um eine weniger
würdige Arbeit im Hinblick auf die geistlichen Anforderungen der
sonntäglichen Praxis gehandelt hätte, sondern eher weil sie am
dringendsten einer Regelung bedurfte, die ihre Last erleichterte und allen die
Heiligung des Sonntags erlaubte. Unter diesem Gesichtspunkt bezeichnete mein
Vorgänger Leo XIII. in der EnzyklikaRerum novarum die Sonntagsruhe
als ein Recht des Arbeiters, das der Staat garantieren müsse.
(110)
Auch in
unserem geschichtlichen Kontext bleibt die Verpflichtung bestehen, sich
dafür einzusetzen, daß alle Freiheit, Ruhe und Entspannung erfahren
können, die für ihre Würde als Menschen notwendig sind; eng
verbunden mit dieser Würde sind die religiösen, familiären,
kulturellen und zwischenmenschlichen Bedürfnisse und Ansprüche, die
kaum befriedigt werden können, wenn nicht wenigstens ein Tag in der Woche
sichergestellt wird, an dem man miteinander die Möglichkeit zum
Ausruhen und zum Feiern genießen kann. Dieses Recht des Arbeiters auf
Ruhe setzt natürlich sein Recht auf Arbeit voraus. Während wir
über diese Problematik, die mit der christlichen Auffassung des Sonntags
verbunden ist, nachdenken, müssen wir mit großer Anteilnahme an die
Notsituation so vieler Männer und Frauen erinnern, die wegen fehlender
Arbeitsplätze auch an den Arbeitstagen zur Untätigkeit gezwungen
sind.
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