70. Tatsächlich ist seit der Zeit der Apostel die
sonntägliche Zusammenkunft für die Christen ein Augenblick
brüderlichen Teilens gegenüber den Ärmsten gewesen. »Jeder soll
immer am ersten Tag der Woche etwas zurücklegen und so zusammensparen, was
er kann« (1 Kor 16,2). Hier handelt es sich um die von Paulus angeregte
Sammlung für die armen Gemeinden Judäas. Bei der Eucharistiefeier am
Sonntag weitet sich das Herz des Glaubenden zu den Dimensionen der Kirche. Die
Aufforderung des Apostels muß aber in ihrer ganzen Tiefe begriffen
werden: Es liegt ihm fern, eine engherzige »Obolus«-Mentalität zu
fördern, vielmehr appelliert er an eine anspruchsvolle Kultur des
Teilens, die sowohl unter den Gliedern der Gemeinde selbst wie im
Verhältnis zur ganzen Gesellschaft verwirklicht werden soll. (114)
Mehr denn je gilt es, wieder auf die strengen Ermahnungen zu hören, die er
an die Gemeinde von Korinth richtet, die sich schuldig gemacht hat, bei der mit
dem »Herrenmahl« einhergehenden brüderlichen Agape die Armen
gedemütigt zu haben: »Was ihr bei euren Zusammenkünften tut, ist
keine Feier des Herrenmahls mehr; denn jeder verzehrt sogleich seine eigenen
Speisen, und dann hungert der eine, während der andere schon betrunken
ist. Könnt ihr denn nicht zu Hause essen und trinken? Oder verachtet ihr
die Kirche Gottes? Wollt ihr jene demütigen, die nichts haben?« (1 Kor
11,20-22). Nicht weniger streng sind die Worte des Jakobus: »Wenn in eure
Versammlung ein Mann mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung kommt,
und zugleich kommt ein Armer in schmutziger Kleidung, und ihr blickt auf den
Mann in der prächtigen Kleidung und sagt: Setz dich hier auf den guten
Platz!, und zu dem Armen sagt ihr: Du kannst dort stehen!, oder: Setz dich zu
meinen Füßen! — macht ihr dann nicht untereinander Unterschiede und
fällt Urteile aufgrund verwerflicher Überlegungen?« (2,2-4).
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