ERSTER
TEIL I
BEDEUTUNG
UND WERT
DER KLAUSUR DER NONNEN
Im Geheimnis des Sohnes,
der die Liebesgemeinschaft mit dem Vater lebt
3.
Die kontemplativen Klausurschwestern
passen sich in besonderer, radikaler Weise dem auf dem Berg betenden Jesus
Christus und seinem Ostergeheimnis an, das ein Tod hin zur Auferstehung ist. (10)
Die alte, vom
II. Vatikanischen Konzil wieder aufgegriffene geistliche Tradition verbindet
das beschauliche Leben ausdrücklich mit dem Gebet Jesu »auf dem Berg« (11)
oder an einem einsamen Ort, der nicht allen, sondern nur jenen zugänglich
ist, die er zu sich ruft und beiseite nimmt (vgl. Mt 17,1-9; Lk
6,12-13; Mk 6,30-31; 2 Petr 1,16-18).
Zwar ist der
Sohn stets mit dem Vater eins (vgl. Joh 10,30; 17,11), doch in seinem
Leben gibt es Raum für ganz besondere Augenblicke der Einsamkeit und des
Gebetes, der Begegnung und Gemeinschaft in der jubelnden Freude der
Gotteskindschaft. So drückt er die
liebevolle Bezogenheit und die ewige Bewegung seiner Person als Sohn zu dem
aus, der ihn von Ewigkeit her gezeugt hat.
Diese Bindung des kontemplativen Lebens an
das Gebet Jesu an einem einsamen Ort deutet auf eine einzigartige Weise der
Teilhabe an der Beziehung Christi zum Vater hin. Der Heilige Geist, der Jesus
in die Wüste geführt hat (vgl. Lk 4,1), lädt die Nonne
ein, die Einsamkeit Jesu Christi zu teilen, der sich »kraft des ewigen Geistes«
(Hebr 9,14) selbst dem Vater darbrachte. Die einsame Zelle, das
geschlossene Kloster sind der Ort, an dem die Nonne als Braut des
fleischgewordenen Wortes ganz mit Christus in Gott vertieft lebt. Das Geheimnis
dieser Gemeinschaft wird ihr in dem Maße offenbar, in dem sie, dem
Heiligen Geist gehorsam und von seinen Gaben belebt, auf das Wort des Sohnes
hört (vgl. Mt 17,5), den Blick auf sein Antlitz richtet (vgl. 2
Kor 3,18) und sich bis zur letzten Hingabe an den Vater (vgl. Phil
2,5ff) seinem Leben gleichgestalten läßt als ausdrücklichen
Lobpreis.
Die Klausur stellt somit auch in konkreter
Hinsicht eine besondere Lebensform dar, um beim Herrn zu sein, »durch eine
radikale Armut, die sich im Verzicht nicht nur auf Dinge, sondern auch auf den
Raum, auf die Kontakte und auf so viele Güter der Schöpfung
ausdrückt«, (12) an der Aufopferung Christi teilzunehmen und sich
mit dem fruchtbaren Schweigen des Wortes am Kreuz zu vereinen. So begreift man,
daß »das Sich-Zurückziehen aus der Welt, um sich in der Einsamkeit
einem intensiveren Gebetsleben zu widmen, nichts anderes ist als eine besondere
Art und Weise, das Ostergeheimnis Christi zu leben und auszudrücken«, (13)
eine echte Begegnung mit dem auferstandenen Herrn auf einem Weg, der stetig
emporführt zur Wohnung des Vaters.
In der wachsamen Erwartung der Wiederkunft
des Herrn wird die Klausur also zu einer Antwort auf die absolute Liebe Gottes
zu seinem Geschöpf und zur Erfüllung seines ewigen Wunsches, das
Geschöpf in das Geheimnis innigster Vertrautheit mit dem Wort aufzunehmen,
das in der Eucharistie zum Brautgeschenk geworden ist (14) und im
Tabernakel die Mitte der vollen Liebesgemeinschaft mit ihm bleibt, indem es das
ganze Leben der Klausurschwester einfängt, um es ständig dem Vater
darzubringen (vgl. Hebr 7,25). Auf das Geschenk des Bräutigams
Christus, der seinen ganzen Leib am Kreuz aufgeopfert hat, antwortet die Nonne
in ähnlicher Weise, indem sie ihren »Leib« hinschenkt, sich mit Jesus
Christus dem Vater darbringt und am Erlösungswerk mitwirkt. So verleiht
die Trennung von der Welt dem ganzen Klausurleben eine eucharistische Bedeutung,
»über den Aspekt des Opfers und der Sühne hinaus auch den Aspekt der
Danksagung an den Vater in der Teilhabe an der Danksagung des geliebten
Sohnes«.(15)
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