Teilnahme der Nonnen des gänzlich
kontemplativen
Lebens an der Gemeinschaft und Sendung der Kirche
An der Gemeinschaft der
Kirche
6. Auf Grund ihrer besonderen Berufung zur
Vereinigung mit Gott in der Kontemplation befinden sich die Klausurschwestern
voll und ganz in der Gemeinschaft der Kirche und werden zum einzigartigen
Zeichen für die innige Vereinigung der ganzen christlichen Gemeinschaft
mit Gott. Durch das Gebet, besonders durch die Feier der Liturgie, und durch
ihre tägliche Hingabe leisten sie für das ganze Volk Gottes
Fürbitte und schließen sich der Danksagung Jesu Christi an den Vater
an (vgl. 2 Kor 1,20; Eph 5,19-20).
Gerade das kontemplative Leben ist daher
für sie die typische Art und Weise, Kirche zu sein, in der Kirche
Gemeinschaft zu leben und zum Nutzen der ganzen Kirche einer Sendung
nachzukommen. (33) Von den kontemplativen Klausurschwestern wird
deshalb nicht verlangt, sich neue Formen aktiver Präsenz anzueignen,
sondern an der Quelle der trinitarischen Gemeinschaft zu bleiben, indem sie im
Herzen der Kirche wohnen. (34)
Die Klosterkommunität ist zudem eine
hervorragende Schule des schwesterlichen Lebens, ein Ausdruck echter communio
und eine Kraft, die Gemeinschaft anziehend macht. (35)
Dank der gegenseitigen Liebe ist das Leben
unter den Schwestern ein theologaler Raum, in dem man die mystische Gegenwart
des auferstandenen Herrn erfahren kann:(36) Im Geist der Gemeinschaft
teilen die Nonnen mit den Mitgliedern ihrer Kommunität die Gnade derselben
Berufung und helfen sich gegenseitig daßei, gemeinsam, einig und
einmütig auf dem Weg zum Herrn voranzuschreiten.
Mit den Klöstern desselben Ordens
teilen die Nonnen die Verpflichtung, in der Treue zu ihrem besonderen Charisma
und geistlichen Erbe zu wachsen, indem sie, wenn nötig, so
zusammenarbeiten, wie es die Konstitutionen vorsehen.
Kraft derselben Berufung, die den Nonnen
einen Platz im Herzen der Kirche zuweist, werden sie sich durch aufrichtige
Anhänglichkeit an das Lehramt und durch bedingungslosen Gehorsam
gegenüber dem Papst in besonderer Weise um das sentire cum Ecclesia
bemühen.
An der Sendung der
Kirche
7. »Die pilgernde Kirche ist ihrem Wesen
nach missionarisch«, (37) so daß die Sendung auch für die
Institute des kontemplativen Lebens wesentlich ist. (38) Die
Klausurschwestern erfüllen sie, während sie im missionarischen Herzen
der Kirche wohnen, durch immerwährendes Gebet, Selbsthingabe und
Darbringung des Lobopfers.
So wird ihr Leben zu einer geheimnisvollen
Quelle apostolischer Fruchtbarkeit (39) und zum Segen für die
christliche Gemeinschaft und für die ganze Welt.
Die vom Heiligen Geist in die Herzen
ausgegossene Liebe (vgl. Röm 5,5) läßt die Nonnen zu
Mitarbeiterinnen für die Wahrheit (vgl. 3 Joh 8) und zu
Teilhaberinnen am Erlösungswerk Christi (vgl. Kol 1,24) werden.
Indem die Liebe sie mit den anderen Gliedern des mystischen Leibes lebendig
vereint, macht sie das Leben der Nonnen, das ganz auf die Erlangung der Liebe
hingeordnet ist, fruchtbar zum Nutzen aller. (40)
Der hl. Johannes vom Kreuz schreibt:
»Wahrlich, ein Fünklein reiner Liebe ist im Angesicht des Herrn mehr wert
und von größerem Gewinn für die Kirche als alle anderen Werke
zusammen«. (41) Staunend vor ihrer wunderbaren Eingebung sagt die hl.
Theresia vom Kinde Jesus: »... ich begriff, daß die Kirche ein Herz hatte
und daß dieses Herz von Liebe entflammt war. Ich begriff, daß
einzig die Liebe die Glieder der Kirche handeln ließ... Ja, ich habe
meinen Platz in der Kirche gefunden...; im Herzen der Kirche, meiner Mutter,
will ich die Liebe sein«. (42)
Die Erkenntnis der Heiligen von Lisieux ist
die vom Lehramt wiederholt geäußerte Überzeugung der Kirche:
»Die Kirche ist sich zutiefst bewubt und verkündet ohne Zögern und
Zwang, daß zwischen dem Gebet und der Ausbreitung des Gottesreiches,
zwischen dem Gebet und der Umkehr der Herzen, zwischen dem Gebet und der
fruchtbaren Aufnahme der heilbringenden und aufrichtenden Botschaft des
Evangeliums ein tiefer Zusammenhang besteht«. (43)
Was die Nonnen zur Evangelisierung, zur
Ökumene und zur Entfaltung des Gottesreiches in den verschiedenen Kulturen
leisten, ist ein vorwiegend geistlicher Beitrag und gleichsam Seele und Ferment
der apostolischen Initiativen, während sie die aktive Teilnahme daran
denjenigen überlassen, die auf Grund ihrer Berufung dafür
zuständig sind. (44)
Weil derjenige, der zum absoluten Eigentum
Gottes wird, zum Geschenk Gottes für alle wird, darum ist ihr Leben
»wirklich ein Geschenk, das seinen Platz im Zentrum des Geheimnisses der
kirchlichen Gemeinschaft hat und die apostolische Sendung derer begleitet, die
sich in der Verkündigung des Evangeliums abmühen«. (45)
Als Spiegel und Strahl ihres beschaulichen
Lebens bieten die Nonnen der christlichen Gemeinschaft und der heutigen Welt,
die mehr denn je echter geistlicher Werte bedarf, eine schweigende
Verkündigung und ein demütiges Zeugnis des Geheimnisses Gottes an.
Auf diese Weise halten sie im bräutlichen Herzen der Kirche das
prophetische Element lebendig. (46)
Ihr Dasein, völlig bedingungslos und
ganz dem Dienst des Gotteslobes hingegeben (vgl. Joh 12,1-8),
verkündet und verbreitet durch sich selbst den Vorrang Gottes und die
Transzendenz des Menschen, der nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen ist.
Es erinnert daher alle an »jene Kammer des Herzens, in der jeder berufen ist,
die Einheit mit dem Herrn zu leben«. (47)
Die Nonnen, die in der Gegenwart und von der
Gegenwart des Herrn leben, sind eine besondere Vorwegnahme der endzeitlichen
Kirche, die auf den Besitz und die Anschauung Gottes ausgerichtet ist; sie »versinnbildlichen
bei aller Einfachheit des Lebens sichtbar das Ziel, auf das die ganze
Gemeinschaft der Kirche zugeht, die “voll Eifer der Tätigkeit hingegeben
und doch frei für die Beschauung” (SC 2) auf den Straben der Zeit
vorwärtsgeht, den Blick fest auf die künftige Erneuerung von allem in
Christus gerichtet«. (48)
Das Kloster in der Ortskirche
8. Das Kloster ist der von Gott
geschützte Ort (vgl. Sach 2,9); es ist die Wohnung für seine
einzigartige Gegenwart, Abbild des Bundeszeltes, in dem sich die tägliche
Begegnung mit ihm ereignet. Dort nimmt der dreimal heilige Gott den ganzen Raum
ein und wird als der eine und einzige Herr anerkannt und verehrt.
Ein kontemplatives Kloster ist ein Geschenk
auch für die Ortskirche, zu der es gehört. Da es deren betendes
Antlitz darstellt, bringt es die Gegenwart der Kirche in einem noch volleren
Sinn zum Ausdruck. 49 Eine Klostergemeinschaft ist vergleichbar mit
Mose, der den Ausgang der Schlachten Israels im Gebet entscheidet (vgl. Ex
17,11), und mit dem Späher, der die ganze Nacht bis zum Morgengrauen Wache
hält (vgl. Jes 21,6).
Das Kloster verkörpert das Innerste
einer Kirche, das Herz, in dem der Geist ständig um die Bedürfnisse
der ganzen Gemeinschaft seufzt und fleht, wo ohne Unterlaß der Dank emporsteigt
für das Leben, das er jeden Tag schenkt (vgl. Kol 3,17).
Wichtig ist, daß die Gläubigen
das Charisma und die besondere Rolle der Kontemplativen schätzen lernen,
ihr unaufdringliches, aber lebendiges Dasein, ihr schweigendes Zeugnis, das auf
das Gebet und die Wahrheit der Existenz Gottes hinweist.
Als Hirten und Führer zur
Vollkommenheit der ganzen Herde Gottes (50) sind die Bischöfe die
ersten Hüter des kontemplativen Charismas. Deshalb müssen sie die
kontemplative Gemeinschaft mit dem Brot des Wortes und der Eucharistie
nähren und auch, wenn nötig, geeignete geistliche Begleitung durch
entsprechend vorbereitete Priester anbieten. Zugleich teilen sie mit der
Gemeinschaft die Verantwortung der Wachsamkeit, damit in der heutigen Gesellschaft,
die zu Zerstreuung, Mangel an Stille und zu Scheinwerten neigt, das vom
Heiligen Geist gespeiste Klosterleben in echter Weise ganz auf die Anschauung
Gottes ausgerichtet bleibt.
Nur aus der Perspektive der ihnen eigenen
wahren und grundlegenden apostolischen Sendung, die darin besteht, daß
sie »sich ausschließlich mit Gott befassen«, können die Klöster
in dem Maße und nach den Möglichkeiten, die ihrem Geist und der
Tradition ihrer Ordensfamilie entsprechen, alle aufnehmen, die aus ihrer
geistlichen Erfahrung schöpfen oder am Gebet der Gemeinschaft teilnehmen
wollen. Es ist jedoch die materielle Trennung so einzuhalten, daß sie
eine Erinnerung an das beschauliche Leben und ein Schutz für dessen
Ansprüche darstellt, wie es den im vorliegenden Dokument niedergelegten
Klausurvorschriften entspricht. (51)
Freiwillig und bereit tragen die Nonnen »mit
der Liebe Christi« (52) die Leiden und Ängste derer, die sich um
Hilfe an sie wenden, und aller Menschen im Herzen. Zutiefst solidarisch mit der
Geschichte der Kirche und des Menschen von heute arbeiten sie geistlich mit am
Aufbau des Reiches Christi, damit »Gott alles in allem« sei (vgl. 1 Kor
15,28).
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