ÄNDERUNGEN IM ORDENSLEBEN
5. In diesen Jahren haben sich Wandlungen vollzogen,
die auf die Ordensgemeinschaften einen einschneidenden Einfluß ausgeübt haben.
a) Neue Lebensgestaltung in den Ordensgemeinschaften.
Gleichzeitig mit dem Rückgang der Berufe haben in vielen Ländern die
zunehmenden Aktivitäten des Staates in Bereichen, in denen die
Ordensgemeinschaften tätig waren, wie z.B. in Fürsorge, Schule und
Gesundheitswesen, zu einer Verminderung der Präsenz der Ordensleute in den für
apostolisch tätige Institute typischen Werken geführt.
So werden jene großen Ordensgemeinschaften weniger, die in solchen
äußeren Apostolatswerken eingebunden waren, die lange Zeit das Erscheinungsbild
der verschiedenen Institute geprägt haben.
Gleichzeitig werden in einigen Gegenden die kleineren Gemeinschaften
bevorzugt, die von Ordensleuten gebildet werden, die sich in nicht
institutseigene, jedoch oft auf der Linie des Charismas des Instituts liegende
Werke einbringen. Dies hat beachtliche Folgen für die Form des
Gemeinschaftslebens und verlangt Änderungen im traditionellen Lebensrhythmus.
Der ehrliche Wille, der Kirche zu dienen, das Festhalten an Werken des
Instituts, sowie die drängenden Anfragen der Ortskirche können manchmal die
Ordensleute leicht dazu veranlassen, sich mit Arbeit zu überladen, was dann zu
einer zeitlichen Verringerung ihrer Verfügbarkeit für das Gemeinschaftsleben
führt.
b) Auf die zunehmenden Anfragen um Hilfe in den drängendsten Nöte
unserer Zeit (Arme, Drogenabhängige, Flüchtlinge, Randgruppen, Behinderte,
Kranke), antworteten die Orden mit einem bewundernswerten und auch anerkannten
Engagement.
Dies machte jedoch auch Änderungen im traditionellen Erscheinungsbild
der Ordensgemeinschaften notwendig, die von einigen für ungeeignet gehalten
wurden, um solchen neuen Umständen zu begegnen.
c) Das Verständnis und die Realisierung der eigenen Arbeit, die -
besonders in einem säkularisierten Umfeld - eher als schlichte Ausübung eines
bestimmten Berufes, und nicht als die Entfaltung einer Sendung im Dienste des
Evangeliums angesehen wird, hat zuweilen die Wirklichkeit der Weihe an Gott
und die geistliche Dimension des Ordenslebens derart in den Schatten gestellt,
daß das Gemeinschaftsleben als ein Hindernis für dieses Apostolat angesehen
wurde, oder als ein rein funktionales Mittel zum Zweck.
d) Im unmittelbaren Gefolge des Konzils entwickelte sich ein neues
Verständnis der Person, verbunden mit einer starken Betonung der
Einzelperson und ihrer Initiativen. Im Anschluß daran erwachte ein feineres
Gespür für Gemeinschaft im Sinne eines brüderlichens Lebens, das mehr auf der
Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen als auf den formalen Aspekten
einer satzungsmäßigen Observanz gründet.
Diese Akzentuierung wurde hier und da radikalisiert (daher rühren die
einander entgegengesetzten Tendenzen des Individualismus und des
Kommunitarismus), ohne bislang zu einer befriedigenden Synthese gefunden zu
haben.
e) Die neuen Leitungsstrukturen, die aus den erneuerten
Konstitutionen hervorgegangen sind, verlangen nach einer erheblich stärkeren
Einbeziehung der Ordensmitglieder. Das führte zu einer anderen Weise, den
Problemen durch gemeinschaftliches Gespräch, durch Mitverantwortung und durch
Subsidiarität zu begegnen. Sämtliche Mitglieder werden in die Fragen der
Gemeinschaft miteinbezogen. Dies ändert nicht unerheblich die
zwischenmenschlichen Beziehungen und hat Folgen auch für das Verständnis der Autorität.
Nicht selten tut sich diese im praktischen Alltag schwer, im neuen Gefüge ihren
eigenen Ort wiederzufinden.
Alle die oben angeführten Veränderungen und Tendenzen haben auf das
Erscheinungsbild der Ordensgemeinschaften einen tiefgehenden, wenngleich
differenzierten Einfluß ausgeübt.
Die oft beachtlichen Differenzierungen sind - wie leicht zu verstehen
ist - bedingt durch die Verschiedenheit der Kulturen und der Kontinente, durch
die Geschlechterverschiedenheit der Gemeinschaften, durch die Eigenart des
Ordenslebens und des Instituts, durch die unterschiedlichen Werke und das
entsprechende neue Verständnis und die neue Aktualisierung des
Gründercharismas, durch die unterschiedliche Art, der Gesellschaft und der
Kirche zu begegnen, durch die unterschiedliche Aufnahme der vom Konzil
formulierten Werte, durch die verschiedenen Traditionen und Formen im
Gemeinschaftsleben, durch die Unterschiede in der Ausübung der Autorität und in
dem Bemühen um die Erneuerung der beständigen Weiterbildung. Diese Probleme
sind in Wirklichkeit nur zum Teil gemeinsame Probleme, und sie differenzieren
sich immer mehr.
|