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John Corriveau Der Generalminister OFMCap Armut in Brüderlichkeit leben IntraText CT - Text |
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1. Als mindere Brüder heute in evangelischer armut leben 1. Fundament und Vorbild unserer evangelischen Armut ist Jesus, das Wort Gottes, der "all seine Vorrechte aufgab (Entäusserung) und einem Sklaven gleich wurde ... im Gehorsam gegen Gott sogar den Tod auf sich nahm, den Verbrechertod am Kreuz" (Phil 2,7). In seiner Nachfolge haben wir in freier Entscheidung die Armut gewählt: eine Armut, die frei macht und mit Freude erfüllt, eine Armut auf das Reich Gottes hin. Sie hat ihren Zweck nicht in sich selber. Sie ist wie die Armut, die Jesus gelebt hat: "Er war reich und wurde für euch arm; denn er wollte euch durch seine Armut reich machen" (2 Kor 8,9; vgl. Satz 59,1). Armut macht uns frei für Gott und frei für unsere Brüder und Schwestern. 2. Grundlegende Absicht des hl. Franziskus war es, "das heilige Evangelium unseres Herrn Jesus Christus zu beobachten" (BReg 1,1). In der Menschwerdung und im Kreuz erkennt er das Modell, das ihn in seiner radikalen Lebenshaltung bestimmen wird: "Behaltet nichts von euch für euch zurück!"(BrOrd 29). Zunächst bedeutet dies: anerkennen, dass alles Gute, das in uns ist und das durch uns Gestalt annimmt, ein Geschenk Gottes ist. und: dass wir es Gott in Lob und Danksagung zurückerstatten müssen. Ein weiteres Element dieser radikalen Entäusserung ist noch schmerzhafter: "Wir sollen fest überzeugt sein, dass nur Laster und Sünden zu uns gehören" (NbReg 17,7). Franziskus fügt noch ein drittes, nicht weniger forderndes Element hinzu: "Wir müssen uns mehr freuen, wenn wir in mancherlei Versuchungen geraten und vielerlei Ängste und Trübsal an Seele und Leib ertragen sollten" (NbReg 17,8). Und: "Wir können uns rühmen in unseren Schwachheiten und können täglich das heilige Kreuz unseres Herrn Jesus Christus tragen" (Erm 5,8). 3. Das Ideal evangelischer Armut lässt Franziskus eine klare Entscheidung für das Mindersein treffen. Mindersein ist der greifbare Ausdruck wahrhaft innerer Armut. Diese muss im franziskanischen Lebensentwurf auch in konkreten Lebensvollzügen sichtbar werden: Armut wird greifbar als Demut des Herzens, als Verzicht auf Macht (vgl. Erm 2,3; 3; 4; 6,4; usw) und als Solidarität mit denen, die in Not und Entbehrung leben. Ohne wirkliches Mindersein verfehlte unsere Armut ihren Sinn; sie würde zur Überheblichkeit. Aber auch Mindersein ohne Armut wäre eine Haltung, die in die Irre führt. Andererseits tragen für Franziskus Armut und Mindersein ihren Sinn nicht in sich, sie helfen uns nur, die "höhere Geistesgabe" (vgl. 1 Kor 12,31) zu verwirklichen, die Liebe. Diese findet ihren Ausdruck in der franziskanischen Geschwisterlichkeit gegenüber den Menschen und der Kreatur. Es war gerade die gelebte evangelische Geschwisterlichkeit in Armut und Mindersein, die Menschen aus allen sozialen Schichten um Franziskus versammelte und sie achtsam und sensibel machte für die Not gerade der Bedürftigsten. 4. Durch das Wirken des Franziskus entstand eine Ordensgemeinschaft von Brüdern (vgl. 1 Cel 38). Unsere Geistigkeit und Überlieferung haben die Armut immer in den Mittelpunkt gestellt. Dabei richteten sie ihr Augenmerk vor allem auf die aszetische, individuelle Seite der Armut, allerdings ohne ihren brüderlichen, gemeinschaftlichen Aspekt ganz zu übersehen (vgl. besonders: I CPO 46-61; IV CPO 43-45; V CPO 29-40.55; Satz 59-74). Heute laden uns ein geschärfter Sinn für Brüderlichkeit, die weltweite Verbreitung des Ordens und neue Problemstellungen unserer Zeit dazu ein, neu und vertieft darüber nachzudenken, was es bedeutet "Armut in Brüderlichkeit zu leben". Der in diesen Propositiones gewählte Gesichtspunkt ist der gemeinschaftliche, institutionelle und strukturelle Aspekt von Armut. 5. Innerhalb der franziskanischen Bewegung haben die Kapuziner ihrer Armut durch die Praxis strenger Einfachheit und ihrem Mindersein durch gelebte Volksnähe (Predigt beim einfachen Volk, Pflege von Pestkranken, Almosensammlung usw.) einen besonderen Akzent verliehen. Werden diese traditionellen Werte von erneuerten und inkulturierten Gemeinschaften gelebt, entwickeln sie eine Dynamik, die das Evangelium kraftvoll bezeugt und gleichzeitig einen kräftigen Impuls gibt für den Einsatz zugunsten der Schwächsten. 6. Franziskus war der Auffassung, dass Habgier und Geiz die Beziehung des Menschen zu Gott zerstören und dass Ehrgeiz und Konkurrenzdenken den Sinn für die Geschwisterlichkeit unter den Menschen zunichte machen. Er wollte das evangelische Ideal der Liebe und der Brüderlichkeit in seiner ganzen Fülle leben. Darum hat er sich mit seinen ersten Gefährten zu einer Lebensform entschieden, die sich im damaligen Kontext mutig für ein Leben in Armut entschied: Verzicht auf den Gebrauch von Geld, Verzicht auf Eigentum, Handarbeit als ordentliches Mittel, um den Lebensunterhalt der Brüder zu bestreiten und für die Bedürfnisse anderer Menschen aufzukommen, und schliesslich Almosensammeln in Zeiten offenkundiger Not. In neuerer Zeit und im Hinblick auf die neuen Lebensverhältnisse hat Papst Paul VI. alle päpstlichen Erklärungen, mit denen in den vergangenen sieben Jahrhunderten die Armutspraxis des Ordens geregelt wurde, ausser Kraft gesetzt (Erklärung vom 4. März 1970). Von dieser Regelung ausgenommen sind nur die Anordnungen, wie sie vom allgemeinen Kirchenrecht und von den Satzungen festgelegt wurden. In diesem Zusammenhang hält der Papst ausdrücklich fest, dass die franziskanischen Orden nicht mehr an die wirtschaftlichen Optionen des Franziskus und seiner ersten Gefährten gebunden sind. Gleichwohl fühlen wir uns auch in Zukunft zur Treue den Grundintentionen des hl. Franziskus gegenüber verpflichtet. Wir müssen bisher noch unbegangene Wege suchen und finden, um den Grundintentionen franziskanischen Lebens eine neue Gestalt zu geben: Strenge des Lebensstils und engagierter Einsatz in der Arbeit; Solidarität und gegenseitige Abhängigkeit; eine Lebensweise, die in der Erfahrung des Volkes, vor allem der Armen verwurzelt ist; rechter Gebrauch und korrekte Verwaltung unserer Güter; Einsatz zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung. 7. Angesichts der weltweiten Globalisierung der Wirtschaft - sie bestimmt auch die Lebenswirklichkeit unserer Gemeinschaft - bekennen wir in Demut und in gläubigem Vertrauen den Wert der evangelischen Armut als einer gültigen Alternative für unsere Zeit. Wir stehen zur ursprünglichen Inspiration des hl. Franziskus und zu den Grundentscheidungen der franziskanisch-kapuzinischen Tradition. Darum übernehmen wir für unsere Gemeinschaft die Option der evangelischen Armut und verpflichten uns, sie neu zu durchdenken und neu zu gestalten. Wir müssen uns fragen: Welche Antwort geben wir zum Beispiel auf die Auswirkungen einer globalisierten Welt? Zunächst einmal geht es darum, dass wir die Mechanismen dieser neuen wirtschaftlichen "Ordnung" kennen lernen, sie verstehen und sie kritisch beurteilen können. Dabei achten wir besonders auf die moralische Problematik, die diesem Wirtschaftssystem zugrunde liegt. Als Antwort auf dieses Wirtschaftssystem müssen wir unsere evangelische Lebensform tatkräftig leben und sie auch nach aussen bezeugen. Die Werte, die unsere Lebensform ausmachen, sind: Einfachheit, Unentgeltlichkeit, Bereitschaft zum Dienen, Respekt vor der menschlichen Person und vor der Kreatur - all diese Werte wollen wir - wobei wir zu unserer Schwäche stehen - dem herrschenden wirtschaftlichen System als Alternative vorleben. Dabei wollen wir beachten, dass wir nicht allein sind: Mit uns gehen auf demselben Weg viele Männer und Frauen guten Willens . Auf unterschiedliche Weise arbeiten sie wie wir für das Gute, für den Frieden und die Gerechtigkeit. 8. Damit unsere Gemeinschaft gut vorbereitet auf die Herausforderungen der heutigen Welt eingehen kann, sollen für die Zeit der Grundausbildung Lehreinheiten vorgesehen werden, die eine angemessene Kenntnis der ökonomisch-sozialen Wirklichkeit vermitteln. Dazu sollen die Brüder die Welt der Arbeit erfahren in sozialen Einsätzen und im Dienst an den Armen, wie es schon der 4. Plenarrat angeregt hat (vgl. IV COP 51).Dabei soll man vor allem die ethischen und anthropologischen Aspekte der wirtschaftlichen Problematik ins Auge fassen. Auch die Weiterbildung muss einen ihrer Schwerpunkte auf die vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Problematik setzen.
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