Zweiter
Teil
Die Funktion der Sozialen
Kommunikationsmittel als Faktoren des menschlichen Fortschritts (19-100)
19. Die neue Technik für
den Austausch unter den Menschen versammelt die Zeitgenossen sozusagen um einen
runden Tisch. So kommen sie in dem Streben nach Brüderlichkeit und
gemeinsamen Handeln miteinander ins Gespräch. Denn durch diese Instrumente
wird das tägliche Gespräch der einzelnen aufgenommen, angeregt und
weithin verbreitet. So wird das öffentliche Gespräch der ganzen
Gesellschaft durch diese Medien ermöglicht und überall vernehmbar.
Der so vermittelte Fluß der Nachrichten und Meinungen bewirkt in der Tat,
daß alle Menschen auf dem ganzen Erdkreis wechselseitig Anteil nehmen an
den Sorgen und Problemen, von denen die einzelnen und die ganze Menschheit
betroffen sind. Das sind notwendige Voraussetzungen für das Verstehen und
die Rücksichtnahme untereinander und letztlich für den Fortschritt
aller.
20. Die Kommunikationsmittel
beseitigen in ihrer raschen Entwicklung die zeitlichen und räumlichen
Schranken, die früher die Menschen trennten. Sie schaffen
größere Nähe und beständigere Bindung unter den Menschen.
Mit ihrer Hilfe dringt jede Nachricht und Information unaufhörlich von
einem Ende der Welt bis zum anderen und läßt die Menschen am Leben
und Geschehen in der heutigen Welt tätigen Anteil nehmen. Bildung und
Unterweisung auf allen Ebenen ziehen Nutzen aus diesen Medien. Sie leisten
große Hilfe im Kampf gegen den Analphabetismus und unterstützen die
Grundbildung und Weiterbildung. Sie können viel beitragen zum Wohl der Menschen
und ihrer wirklichen Befreiung vor allem in den Gebieten, die sich nur langsam
entwickeln. Sie begründen und sichern eine größere Gleichheit
unter den Menschen, indem sie ohne Unterschied allen Schichten der Gesellschaft
den Zugang zu kulturellen Gütern öffnen und Freude und Entspannung
gewähren. Sie bannen die sichtbaren und konkreten Dinge des Lebens in
Töne und Bilder, sie machen die entlegensten Gebiete und längst
vergangene Zeiten gegenwärtig und bereichern so den Geist der Menschen.
Mitglieder einer Gesellschaft, die zwar nicht lesen und schreiben können,
aber eine gewachsene Kultur von hohem menschlichem und sittlichem Wert
besitzen, werden durch diese Medien beinahe abrupt mit der Lebensweise der
modernen Welt konfrontiert.
21. Die Betrachtung solcher
Möglichkeiten zwingt dazu, die Instrumente der Sozialen Kommunikation als
höchst wirksame Faktoren aufzufassen. Einerseits vermehren sie den
menschlichen Fortschritt. Andererseits können sie eine Vielzahl von
Problemen mit sich bringen, an deren Lösung man beständig arbeiten
muß. Dabei mitzuwirken sind Kommunikatoren und Rezipienten in gleicher
Weise herausgefordert. Wie will man sicherstellen, daß die Information,
ständig in Überfülle, oft verworren und mit rasender Eile
verbreitet, überhaupt richtig beurteilt und verstanden wird? Die
Instrumente der Sozialen Kommunikation wenden sich ihrer Natur nach an
möglichst viele Empfänger und verhalten sich meist neutral, um
niemand zu verletzen. Wie kann dabei in der sogenannten pluralistischen Gesellschaft
das Wahre vom Falschen, das Gute vom Bösen sicher unterschieden werden?
Wie kann man verhindern, daß im freien Wettbewerb der Medien die Jagd
nach der Gunst des Publikums sie dazu zwingt, die egoistischen und vitalen
Antriebe der menschlichen Natur einseitig anzusprechen und aufzureizen? Wie
läßt sich vermeiden, daß durch die Konzentration der Medien in
den Händen ganz weniger ein wirkliches Gespräch in der Gesellschaft
verhindert und die Gemeinschaft zerstört wird? Wie muß man mit den
Medien umgehen, damit nicht durch die technisch vermittelte Kommunikation, vor
allem wenn sie im Bild wirksam wird, die personalen Beziehungen Schaden leiden?
Die Medien verführen häufig den Menschen dazu, sich in eine Traumwelt
zu flüchten: Was kann geschehen, daß sie ihn nicht vom realen Leben
mit seinen Verpflichtungen ablenken? Wie kann man die Menschen davor bewahren,
in Untätigkeit und Passivität zu versinken? Wie kann man erreichen,
daß der ständige Appell an die Emotionen nicht den Gebrauch der Vernunft
verhindert?
22. In vielen Bereichen des
heutigen Lebens ist ein Verfall sittlicher Normen offenkundig. Dies
erfüllt jeden Menschen guten Willens mit tiefer Sorge. Zeichen dieses
Verfalls sind unschwer auch in allen Instrumenten der Sozialen Kommunikation zu
finden. In welchem Maße nun die Medien selbst an diesem Verfall
mitschuldig sind, ist eine offene Frage. Viele vertreten
verantwortungsbewußt die Ansicht, daß die Kommunikationsmittel nur
den jeweiligen sittlichen Zustand der menschlichen Gesellschaft widerspiegeln.
Andere jedoch halten dafür, daß die Medien diese Tendenzen eher
verstärken, weiter verbreiten und allmählich zu einer
tatsächlichen Lebensgewohnheit machen, indem sie diese als allgemein
übliche Selbstverständlichkeiten hinstellen. Eine weitere
Meinungsgruppe gibt schließlich den Medien die Hauptschuld an diesem
Verfall. Wie immer sich das verhält, man kann nicht leugnen, daß die
Mängel in der Gesellschaft selbst zu suchen sind. Der Versuch, den
sittlichen Normen wieder Geltung zu verschaffen, muß Sache aller sein,
der Eltern, der Lehrer, der Seelsorger und aller, die sich um das Gemeinwohl
sorgen. In diesem wichtigen Bemühen fällt den Kommunikationsmitteln
eine unverzichtbare Rolle zu. Es ist allerdings unmöglich, von den Kommunikationsmitteln
zu erwarten, daß sie sich gänzlich von den tatsächlichen
Lebensgewohnheiten und Einstellungen des Volkes isolieren.
23. Damit der Beitrag der
Sozialen Kommunikation für die Gesellschaft besser erkannt und ausgewertet
wird und die mit den Medien gegebenen Schwierigkeiten sicherer überwunden
werden, muß man die wichtigsten Aspekte der Funktion dieser Medien im
menschlichen Zusammenleben genauer betrachten.
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