1. Öffentliche Meinung (24-32)
24. Die Kommunikationsmittel
bilden gewissermaßen ein öffentliches Forum, auf dem das
Gespräch der Menschen hin und her geht. Die Äußerung und der
Kampf der verschiedenen Meinungen in der Öffentlichkeit greift tief in das
Leben der Gesellschaft ein, bereichert es und beschleunigt ihren
Fortschritt.
25. Dadurch, daß jeder
bemüht ist, seine eigenen Auffassungen, Meinungen, Empfindungen und
sittlichen Überzeugungen anderen mitzuteilen, damit sie gemeinsamer Besitz
vieler werden, entsteht "öffentliche Meinung". Sie ist
wesentlicher Ausdruck der gesellschaftlichen Natur des Menschen. Bereits
früher hat Pius XII. die öffentliche Meinung zutreffend umschrieben
als "ein natürliches Echo, einen gemeinhin mehr oder weniger
spontanen Widerhall von Ereignissen und aktuellen Situationen im menschlichen
Geist und Urteil".(1) Die Freiheit der Meinungsäußerung
des einzelnen ist ein Wesensbestandteil bei der Bildung von öffentlicher
Meinung. Denn öffentlich ausgesprochene Meinungen geben das Denken und die
Haltung wichtiger Gruppen wieder, die in einem bestimmten geographischen,
geschichtlichen und kulturellen Zusammenhang stehen.
26. Die Freiheit des
einzelnen, seine Empfindungen und Gedanken vortragen zu können, ist unbedingt
erforderlich, damit es zu rechter und angemessener Bildung von
öffentlicher Meinung kommt. Man muß darum mit dem II. Vatikanischen
Konzil feststellen, daß diese Freiheit der Meinungsäußerung
für die einzelnen wie für die Gesellschaft in den Grenzen der
Sittlichkeit und des Gemeinwohls notwendig ist.(2) Die Zusammenarbeit
aller im Dienst des gesellschaftlichen Fortschritts bedarf der ungehinderten
Gegenüberstellung der als wichtig erachteten Meinungen, damit im Spiel des
Gebens und Nehmens, der Ablehnung und Ergänzung, auf dem Weg der Einigung
und des Kompromisses die am besten begründeten und gesicherten Ansichten
zum gemeinsamen Handeln zusammenführen können.
27. Darum haben die
Kommunikatoren einen höchst verantwortungsvollen Auftrag: sie besitzen
nämlich einen sehr großen Einfluß bei der Bildung, Sammlung
und Verbreitung von Meinungen, und es liegt zugleich in ihrer Hand, die
Meinungen frei und sachgemäß miteinander zu konfrontieren.
28. Alle Bürger sind
aufgerufen, zur Bildung der öffentlichen Meinung beizutragen,(3)
auch dadurch, daß sie ihre eigene Meinung durch qualifizierte Sprecher
vertreten lassen. Wer durch seine Stellung, Begabung oder aus anderen
Gründen großen Einfluß in der Öffentlichkeit besitzt,
spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung öffentlicher Meinung, sooft er
seine Ansicht äußert. Diese Verantwortung wiegt um so schwerer, je
mehr sein Beispiel andere mitzuziehen vermag.
29. Alle Arten von
Propagandakampagnen sind nur dann erlaubt, wenn deren Ziel und Mittel der
Würde des Menschen nicht widersprechen. Sie müssen bemüht sein,
der Wahrheit zu dienen und das gemeinsame Interesse aller im Auge zu behalten
sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene und im Blick auf einzelne und
Gruppen.
30. Jede Propaganda jedoch,
die sich gegen das Gemeinwohl richtet, die eine offene und öffentliche
Einrede hindern will, die Tatsachen verdreht oder den Menschen Vorurteile
einhämmert, die halbe oder einseitig gefärbte Wahrheiten verbreitet
und wichtige Sachverhalte verschweigt, verweigert dem Menschen das Recht auf
Entscheidungsfreiheit. Solche Propaganda ist untragbar. Das gilt um so mehr,
weil die Fortschritte der Wissenschaft vom Menschen, vor allem der Psychologie,
sowie die Entwicklung der Instrumente der Sozialen Kommunikation dieser
Propaganda eine immer noch wachsende Macht verleihen.
31. Veröffentlichte
Meinungen sind noch keineswegs schon eine öffentliche Meinung, die von
einer Mehrheit auch vertreten wird. Sodann können verschiedene Ansichten
gleichzeitig nebeneinander bestehen, obwohl eine unter ihnen oft eine
größere Mehrheit findet. Allerdings ist die Meinung der Mehrheit
nicht unbedingt die bessere oder der Wahrheit am nächsten. Schließlich
wandelt sich die öffentliche Meinung häufig und gewinnt oder verliert
an Einfluß in der Gesellschaft. Darum sollte man jeweils gängigen
Meinungen nicht bedenkenlos und übereilt folgen. Es kann sogar gute
Gründe geben, sich ihnen direkt zu widersetzen.
32. Immerhin machen allgemein
und öffentlich geäußerte Meinungen das Denken und Wollen der
Gesellschaft sichtbar. Man sollte also sorgfältig auf sie achten. Das gilt
besonders für die Autoritäten im kirchlichen und weltlichen Raum.
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