2. Das Recht auf Information
33. Damit öffentliche
Meinung sich nach den ihr eigenen Entstehungsgesetzen bilden kann, muß
der Gesellschaft grundsätzlich der Zugang zu den Quellen und Kanälen
der Information offenstehen und die Freiheit der Meinungsäußerung
gewährt sein. Meinungsfreiheit sowie das Recht zu informieren und
informiert zu werden bedingen einander notwendig. Johannes XXIII.,(4)
Paul VI.(5) und das II. Vatikanische Konzil(6) haben das Recht
auf Information klar und deutlich herausgestellt, da es für den Menschen
und unsere moderne Gesellschaft wesentlich ist.
a) Der Zugang zu den Quellen und
Kanälen der Information
34. Der heutige Mensch
braucht eine zuverlässige, klare, vollständige und genaue
Information. Nur so kann er die Welt, in der er lebt, in ihrem ständigen
Wandel verstehen. Nur so kann er sich einstellen auf die Tatsachen und die
stets wechselnden Situationen, die täglich sein Urteil und seine Entscheidung
herausfordern. Nur so kann er an seinem Platz einen aktiven und bedeutsamen
Beitrag in die Gesellschaft einbringen. Nur so ist er wirklich dabei, wo es um
die Formung des wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen, menschlichen
und religiösen Lebens seiner Zeit geht. Dem Recht, das aus diesen
Erfordernissen erwächst, entspricht auf der anderen Seite die Pflicht, von
sich aus Information zu suchen. Denn das Informationsrecht bliebe nur Formel,
wenn sich nicht jeder bemüht, auch informiert zu sein. Um frei das
auszuwählen, was jeweils seinen persönlichen und gesellschaftlichen
Erfordernissen entspricht, muß jeder über ein hinreichend
vielfältiges Angebot von Instrumenten und Einrichtungen der Sozialen
Kommunikation verfügen. Ohne eine Vielzahl voneinander unabhängiger
Informationsquellen wäre der Gebrauch des Informationsrechtes völlig
gegenstandslos.
35. Damit auch die
Gesellschaft als ganze in all ihren Schichten und Gruppierungen richtig
funktioniert, bedarf sie gut informierter Bürger. Das Recht auf
Information kommt also heute nicht nur dem einzelnen zu, sondern ist auch vom
Gemeinwohl her gefordert.
36. Die Menschen, deren Beruf
es ist, die Öffentlichkeit zu informieren, erfüllen daher eine sehr
wichtige und schwierige Aufgabe, die sie oft großen Belastungen aussetzt.
Häufig werden sie von denen unter Druck gesetzt, die ein Interesse daran
haben, die Wahrheit zu verdunkeln und zu verschweigen. Das betrifft vor allem
die Korrespondenten, die in die entlegensten Teile der Welt reisen,(7)
um direkt vom Ort des Geschehens zu berichten. Während sie versuchen, die
Ereignisse so zu sehen, wie sie sich wirklich zutragen,(8) begeben sie
sich zwangsläufig oft sogar in Lebensgefahr. Viele haben bei der Ausübung
ihres Berufes den Tod gefunden. Besonders in Kriegsfällen, die die ganze
Menschheit in große Aufregung und Angst versetzen, haben die Menschen ein
Recht zu erfahren, was sich in den Krisengebieten abspielt. Hier müssen
Leben und Gesundheit der Korrespondenten immer und mit allen Mitteln
geschützt werden. Darum lehnt die Kirche jede Gewaltanwendung gegen diese
Korrespondenten und andere Journalisten entschieden ab. Denn beim Recherchieren
und bei der richtigen Weitergabe der Nachrichten nehmen sie das Informationsrecht
der Menschen wahr und verwirklichen es.
37. Es ist schon gemeinhin
für den Menschen schwierig genug, die Wahrheit unverkürzt zu sehen
und darzustellen. Für den Journalisten kommt hinzu, daß Nachrichten
etwas Neues bringen müssen und darum ihrer Natur nach nur das beleuchten,
was sich im Augenblick verändert und von aktuellem Interesse ist. Für
die Redakteure ergibt sich ein neues Problem: sie müssen aus der Flut der
Nachrichten jene auswählen, die ihrer Meinung nach wichtig sind und
öffentliches Interesse finden können. Nachrichten sind folglich
Ausschnitte, die ein Ereignis nicht notwendig in seinem ganzen Umfang und
seiner vollen Bedeutung erkennen lassen.
38. Ferner müssen die
Kommunikatoren umfassend und verständlich berichten, und zwar so schnell
es geht. Dabei greifen sie mehr und mehr auf Sachverständige als
Kommentatoren zurück, welche die Hintergründe und die näheren
Umstände berichteter Ereignisse erläutern und ihre eigene Beurteilung
dazu beitragen sollen. Kommentare aber werden oft innerhalb kürzester
Frist verlangt, gelegentlich sogar, ehe ein erwartetes Ereignis eintritt. Auf
der anderen Seite widerstrebt es mit Recht gerade verantwortungsbewußten
und gewissenhaften Menschen, vor allem wenn sie leitende Stellungen innehaben
oder Ansehen genießen, überstürzt Vorgänge zu
erläutern, bevor sie sich mit ihnen gründlich und im Zusammenhang
befassen konnten. Unter diesem Zeitdruck, der aus dem Wesen der Medien
resultiert, passiert es dann oft, daß sich unbekümmerte und
oberflächliche Mitarbeiter anbieten, die im übrigen diese Arbeit
recht gern und bereitwillig übernehmen. Diejenigen, die jedoch mit der
Problematik wirklich vertraut sind, sollten dies sorgsam zu verhindern suchen.
Nach Möglichkeit werden sie sich selbst ständig auf dem laufenden
halten, damit sie dann auch vorbereitet sind, das Publikum zuverlässig zu
informieren.
39. Damit Nachrichten
Interesse wecken und nicht veralten, müssen sie möglichst schnell
verbreitet werden, wobei noch hinzukommt, daß solche Eile auch vom Druck
wirtschaftlichen Wettbewerbs aufgenötigt wird. Daraus entsteht ein neues
Problem: Schnelligkeit kann oft um den Preis der Genauigkeit der Nachricht
erkauft sein. Außerdem müssen die Kommunikatoren Rücksicht nehmen
auf ihr Publikum, seinen Geschmack, sein kulturelles Niveau, und gleichzeitig
noch bedenken, worüber es in erster Linie informiert sein möchte. In
dieser gewiß nicht leichten Situation müssen sich die Kommunikatoren
an die Wahrheit halten, wenn sie Nachrichten verbreiten.
40. Neben diesen
Schwierigkeiten, die mit dem Wesen der Kommunikationsmittel und der
Nachrichtengebung zusammenhängen, haben die Redakteure noch mit weiteren
Hindernissen zu rechnen. Sie müssen die Nachrichten vielfach einem
gehetzten und unkonzentrierten Publikum so lebendig vermitteln, daß es
angesprochen und gefesselt wird. Dabei dürfen sie jedoch auf keinen Fall
der Versuchung erliegen, das Publikum zu schockieren und durcheinander zu
bringen, indem sie Nachrichten aus dem Zusammenhang reißen, sensationell
aufbauschen oder dramatisieren und dadurch verfälschen.
41. Die Empfänger nun,
die das Gewirr von Nachrichten zusammenfügen müssen, können zu
einem ungenauen und verzerrten Gesamtbild der Tatsachen kommen. Eine gewisse
Korrektur dieses Bildes kann erfolgen auf Grund des ständigen Flusses der
Nachrichten aus verschiedenartigen Quellen, die man allerdings kritisch sichten
muß. Ferner sollten die Empfänger Verständnis aufbringen für
die Situation der Journalisten. Sie dürfen von ihnen keine Perfektion
verlangen, die menschliches Vermögen völlig übersteigt. Sie
haben aber das Recht und die Pflicht zu fordern, daß falsche oder
fehlerhafte Nachrichten sofort und deutlich berichtigt und Auslassungen
ergänzt werden. Sie haben das Recht, Einspruch zu erheben, wenn die
Instrumente der Sozialen Kommunikation die Tatsachen selbst entstellen, indem
sie den Zusammenhang zerreißen und sie unverhältnismäßig
über- oder untertreiben. Dieses Recht der Rezipienten kann wirksam
gesichert werden durch berufsethische Normen, welche die Kommunikatoren selbst
vereinbaren oder, wenn solche fehlen, durch staatliche Gesetze und
internationale Verträge.
42. Doch das Recht auf
Information hat klare Grenzen, wenn sein Gebrauch andere Rechte verletzen
würde, z. B. das Recht der Wahrheit, das den guten Ruf der einzelnen und
der ganzen Gesellschaft schützt; das Recht auf die Unverletzlichkeit des
Intimbereichs für die Familie und den einzelnen;(9) das Recht auf
Wahrung des Berufsgeheimnisses oder des Geheimnisses im Interesse des
öffentlichen Wohles. Wenn das Gemeinwohl auf dem Spiel steht, kann die
Weitergabe von Nachrichten nur nach sehr sorgfältiger Abwägung aller
Umstände erfolgen.
43. Eine offene und
ausführliche Darstellung von Verbrechen und Brutalität setzt ein
hohes Verantwortungsbewußtsein und große Umsicht voraus. Ohne
Zweifel gibt es viel Unmenschlichkeit und Grausamkeit im Leben, und sie sind
heute mehr als früher sichtbar. Deren Darstellung kann tatsächlich
auf Rezipienten abschreckend wirken. Wenn aber Brutalität allzu
häufig und zu eindrucksvoll gezeigt wird, besteht die Gefahr, ein falsches
Bild vom wirklichen Leben zu vermitteln. Nach Meinung vieler Fachleute können
gelegentlich sogar Psychosen entstehen oder seelische Grundeinstellungen
geprägt werden, denen Gewalt und Brutalität als normale Wege zur
Lösung von Konflikten gelten.
b) Freiheit der Kommunikation
44. Das Recht auf
ausreichende Information hängt eng zusammen mit der Freiheit der
Kommunikation überhaupt. Das ganze gesellschaftliche Leben beruht ja auf
einem ständigen Austausch und Dialog zwischen den einzelnen und den
Gruppen. Dies wiederum ist für gegenseitiges Verständnis und Zusammenarbeit
unerläßlich. Wenn dieses Gespräch der Gesellschaft nun auch in
den Instrumenten der Sozialen Kommunikation eine Stimme erhält,
erschließt sich eine neue Dimension, schon weil immer mehr Menschen am
Leben und am Fortschritt der Gesellschaft teilhaben.
45. Da der Mensch ein
gesellschaftliches Wesen ist, muß er seine Gedanken mit anderen
austauschen und vergleichen. Dies gilt in unseren Tagen mehr denn je, da
geistige und schöpferische Arbeit weniger vom einzelnen, sondern immer
mehr auf allen Ebenen im Zusammenwirken vieler geleistet wird. Wenn die
Menschen ihrer Natur folgend untereinander Erkenntnisse und Meinungen
austauschen, üben sie ihr ureigenstes Recht aus und erfüllen zugleich
eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft.
46. Sogenannte pluralistische
Gesellschaften wissen sehr wohl, was die Möglichkeit der freien
Verbreitung von Nachrichten und Meinungen für die aktive Teilnahme der
Bürger am Leben der Gesellschaft wert ist. Darum schützen sie diese
Freiheit durch Gesetze. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hat
die Kommunikationsfreiheit als Grundforderung herausgestellt. Diese
schließt notwendig die Freiheit der Instrumente der Sozialen
Kommunikation ein.
47. In der Praxis ist die
Freiheit der Kommunikation verbunden mit der Freiheit der einzelnen und der
Gruppen, Nachrichten zu erhalten und überall zu verbreiten sowie Zugang zu
den Kommunikationsmitteln zu haben. Eine Kommunikationsfreiheit aber, die ohne
Rücksicht auf die wesenseigenen Grenzen und Voraussetzungen des
Informationsrechts gebraucht wird, befriedigt eher die Kommunikatoren als das
Publikum.
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