4. Die Künste
54. Die neuen Techniken der
Kommunikation verbreiten in der ganzen Welt nicht nur die herkömmlichen
Formen der Kunst. Sie schaffen selbst neue künstlerische
Ausdrucksmöglichkeiten. Das weltumspannende Netz der Kommunikation, die
Vervielfachung der Beziehungen unter den Völkern, die zunehmende
internationale Zusammenarbeit der Kommunikatoren, all dies legt es nahe,
daß Kommunikatoren und Rezipienten in diesem interkulturellen Austausch
nach universalen Urteils- und Geschmacksnormen suchen. So könnte man die
alten und neuen Kunstformen bewahren sowie die Kunstwerke aller Völker und
aller kleineren Gesellschaftsgruppen des gleichen Kulturkreises
erschließen und ihnen mit Verständnis begegnen.
55. Werke der Kunst sind
wegen ihrer Bedeutung und ihres Wertes für den Menschen
hochzuschätzen; denn das Schöne erhebt den Geist dessen, der es
betrachtet. Jedes echte Kunstwerk vermag das menschliche Sein bis in seine
Tiefen widerzuspiegeln, kann durch die Wahrnehmung der Sinne allen die geistige
Wirklichkeit zugänglich machen und den Menschen zu einem tieferen
Selbstverständnis führen. Das hat seine Bedeutung nicht nur auf dem Gebiet
der Literatur und Kunst, sondern auch im ethischen und religiösen Bereich.
"Es ist unbestreitbar, daß ihr, Schriftsteller und Künstler, es
versteht, noch in der traurigsten und drückendsten menschlichen Situation
einen Funken des Guten aufleuchten zu lassen, der dann eurem ganzen Werk einen
Glanz der Schönheit verleiht. Wir fordern nicht, daß ihr die Rolle
von Moralisten übernehmt. Dennoch darf man darauf hoffen und vertrauen,
daß ihr über die verborgene Kraft verfügt, jenen Bereich des
Lichtes zu erschließen, der jenseits des Geheimnisses dieses Lebens
liegt".(11)
56. Wer darum den Geist einer
Zeitepoche tiefer verstehen möchte, darf nicht allein ihre Geschichte,
sondern muß auch ihre Literatur und Kunst studieren. Die künstlerischen
Werke zeigen oft den Charakter eines Volkes, sein Wünschen, Denken und
Fühlen besser als reine Beschreibung. Auch dann, wenn die Kunst sich
über diese reale und konkrete Welt erhebt und Gestalten der Phantasie
entwirft, ermöglicht sie einen wertvollen Blick in das Wesen und die
Eigenart des Menschen. Sogar Geschichten, die der lebhaften Einbildungskraft
des Dichters entspringen, in denen er Menschen in einer fiktiven Welt leben und
handeln läßt, geben auf ihre Weise ein Bild der Wahrheit. Obwohl sie
keine Realität besitzen, sind sie doch realistisch, da sie aus Elementen
der menschlichen Natur zusammengefügt sind.(12) Solche Werke
reichen bis in die tiefen Gründe menschlicher Kraft und Leidenschaft. Sie
vermögen diese so aufzuhellen, daß feinfühlige Menschen darin
die Umrisse künftiger menschlicher Entwicklungen sich abzeichnen sehen und
sie in ihrem Denken vergegenwärtigen.
57. Papst Pius XII. sagte
über das menschliche Leben: "Sicherlich könnte man das Leben
nicht verstehen, wenigstens nicht in den großen, schweren Konflikten,
wollte man die Augen verschließen vor der Schuld, die diese Konflikte oft
verursacht (...). Nun, kann ein solcher Stoff nicht doch als Vorlage für
den Idealen Film dienen? Die größten Dichter und Schriftsteller
aller Zeiten und aller Völker haben sich mit diesem schwierigen und
heiklen Problem befaßt und werden es auch in der Zukunft tun (...). Wenn
der Konflikt mit dem Bösen und auch dessen zeitweiliger Sieg, im
Zusammenhang mit dem ganzen Filmstoff, zu einem tieferen Verständnis des
Lebens, zu seiner richtigen Führung, zur Kontrolle des Verhaltens, zur
Klärung und Festigung des Urteils und der Handlungsweise der Menschen
dient, dann kann ein derartiger Stoff gewählt werden, und es ist
zulässig, ihn mit der Gesamthandlung des Films zu verflechten. Man hat
dabei denselben Prinzipien zu folgen (...) wie bei jedem Werk der
Literatur".(13) Auch das ist ein Beitrag zum sittlichen
Fortschritt, denn Kunst und Sittlichkeit, zwar voneinander klar unterschieden,
sind doch keine Gegensätze, sondern bedingen und stützen
einander.
58. Wenn zu junge, unreife
und ungebildete Zuschauer in einem Kunstwerk das Böse und Schlechte
entweder überhaupt nicht oder kaum richtig einzuordnen vermögen,
wirft das ein sittliches Problem auf. Dem Künstler mag das ganze Leben mit
allen guten und schlechten Seiten vertraut sein. Kritisches Beurteilen und
Abwägen sind also erforderlich, wenn ein Kunstwerk sich an ein breites
Publikum aus allen Schichten der Gesellschaft wendet. Dies gilt vor allem, wenn
es die Konfrontation des Menschen mit dem Bösen zeigt.
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