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Ioannes Paulus PP. II
Dominum et vivificantem

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I. DER GEIST DES VATERS UND DES SOHNES,
EIN GESCHENK AN DIE KIRCHE

 

1. Verheißung und Offenbarung Jesu beim Ostermahl

3. Als für Jesus Christus der Zeitpunkt zum Verlassen dieser Welt kurz bevorstand, kündigte er den Aposteln »einen anderen Beistand« an16. Der Evangelist Johannes, der zugegen war, schreibt, daß sich Jesus während des Ostermahles vor dem Tag seines Leidens und Sterbens mit den folgenden Worten an sie gewandt habe: »Alles, um was ihr in meinem Namen bittet, werde ich tun, damit der Vater im Sohn verherrlicht wird... Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit«17.

Gerade diesen Geist der Wahrheit nennt Jesus »Parakletos« - und Parakletos bedeutet »Tröster«, auch »Fürsprecher« oder »Rechtsbeistand«. Er spricht von einem »anderen«, zweiten Beistand; denn er selbst, Jesus Christus, ist der erste Beistand18, weil er als erster die Frohe Botschaft gebracht und verkündet hat. Der Heilige Geist kommt nach ihm und durch ihn, um in der Welt das Wirken der Frohen Botschaft vom Heil mit Hilfe der Kirche fortzusetzen. Von dieser Fortführung seines Werkes durch den Heiligen Geist spricht Jesus wiederholt während der gleichen Abschiedsrede, als er die im Abendmahlssaal versammelten Apostel auf sein Weggehen, das heißt auf sein Leiden und seinen Tod am Kreuz, vorbereitet.

Die Worte, auf die wir uns hier beziehen, stehen im »Johannesevangelium«. Jedes von ihnen fügt jener Ankündigung und Verheißung einen bestimmten neuen Inhalt hinzu. Zugleich aber sind sie im Hinblick auf dieselben Ereignisse, aber auch im Blick auf das Geheimnis von Vater, Sohn und Heiligem Geist eng miteinander verbunden, das Geheimnis, das vielleicht in keinem Abschnitt der Heiligen Schrift einen so bedeutenden Ausdruck findet wie gerade hier.

4. Kurz nach der oben erwähnten Ankündigung fügt Jesus hinzu: »Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe«19. Der Heilige Geist soll der Beistand der Apostel und der Kirche sein, stets gegenwärtig unter ihnen - wenn auch unsichtbar - als Lehrer derselben Frohen Botschaft, die Christus verkündigt hat. Dieses »Lehren« und »Erinnern« besagt nicht nur, daß er in der ihm eigenen Weise fortfährt, die Ausbreitung der Heilsbotschaft zu fördern, sondern auch hilft, die wahre Bedeutung des Inhaltes der Botschaft Christi zu verstehen, sowie die Kontinuität und Identität ihres Verständnisses inmitten der wechselnden Bedingungen und Umstände zu sichern. Der Heilige Geist soll also bewirken, daß in der Kirche stets dieselbe Wahrheit, wie die Apostel sie von ihrem Meister gehört haben, fortlebt.

5. Bei der Weitergabe der Frohen Botschaft sollen die Apostel in besonderer Weise dem Heiligen Geist verbunden sein. Hierzu sagt Jesus anschließend: »Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen. Und auch ihr sollt Zeugnis ablegen, weil ihr von Anfang an bei mir seid«20.

Die Apostel waren unmittelbare Zeugen, Augenzeugen. Sie haben Christus »gehört« und »mit eigenen Augen gesehen«, sie haben ihn »angeschaut« und sogar »mit eigenen Händen angefaßt«, wie derselbe Evangelist Johannes an anderer Stelle schreibt21. Dieses ihr menschliches und »geschichtliches« Augenzeugnis von Christus verbindet sich mit dem Zeugnis des Heiligen Geistes: »Er wird Zeugnis für mich ablegen«. Im Zeugnis des Geistes der Wahrheit soll das menschliche Zeugnis der Apostel seine stärkste Stütze finden. Und später soll es darin auch das verborgene Fundament seiner Kontinuität zwischen den Generationen von Jüngern und Bekennern Christi finden, die im Laufe der Jahrhunderte aufeinander folgen werden.

Wenn Jesus Christus selbst die höchste und vollständigste Offenbarung Gottes für die Menschheit ist, so fördert, gewährleistet und bekräftigt das Zeugnis des Geistes ihre getreue Weitergabe in der Verkündigung und den Schriften der Apostel22, während das Zeugnis der Apostel ihr den menschlichen Ausdruck in der Kirche und in der Geschichte der Menschheit sichert.

6. Das wird auch ersichtlich aus der engen Beziehung von Inhalt und Absicht zur soeben erwähnten Ankündigung und Verheißung, wie sie sich in den anschließenden Worten des johanneischen Textes findet: »Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird«23.

In seinen vorhergehenden Worten stellt Jesus den Beistand, den Geist der Wahrheit, als denjenigen dar, der »lehren« und »erinnern« wird, der für ihn »Zeugnis ablegen« wird; jetzt sagt er: »Er wird euch in die ganze Wahrheit führen«. Dieses »Einführen in die ganze Wahrheit« im Hinblick auf das, was die Apostel jetzt noch nicht tragen können, hängt notwendigerweise mit der Entäußerung Christi durch Leiden und Tod am Kreuz zusammen, die damals, als diese Worte gesprochen wurden, kurz bevorstand.

Dann wird jedoch deutlich, daß dieses »Einführen in die ganze Wahrheit« sich nicht nur auf das »scandalum crucis«- das Ärgernis des Kreuzes - bezieht, sondern auch auf alles, was Christus »getan und gelehrt hat«24. Denn das gesamte »Mysterium Christi« erfordert den Glauben, weil dieser es ist, der den Menschen auf angemessene Weise in die Wirklichkeit des geoffenbarten Geheimnisses einführt. Die »Einführung in die ganze Wahrheit« verwirklicht sich also im Glauben und mit Hilfe des Glaubens: Sie ist das Werk des Geistes der Wahrheit und die Frucht seines Wirkens im Menschen. Der Heilige Geist muß hierbei der oberste Führer des Menschen, das Licht des menschlichen Geistes sein. Das gilt für die Apostel, die Augenzeugen, die nunmehr allen Menschen die Botschaft bringen sollen von dem, was Christus »getan und gelehrt hat«, vor allem aber von seinem Kreuz und seiner Auferstehung. In einer umfassenderen Sicht gilt das auch für alle Generationen von Jüngern und Bekennern des Meisters; denn sie sollen das Geheimnis Gottes, das in der Geschichte des Menschen am Werk ist, im Glauben annehmen und mit Freimut bekennen, das geoffenbarte Geheimnis, das den endgültigen Sinn dieser Geschichte erklärt.

7. Zwischen dem Heiligen Geist und Christus besteht also in der Heilsordnung eine innere Verbindung, durch die der Geist in der Geschichte des Menschen als »ein anderer Beistand« wirkt, indem er Weitergabe und Ausbreitung der von Jesus von Nazaret offenbarten Frohen Botschaft auf Dauer sicherstellt. Im Heiligen Geist als Paraklet, der im Geheimnis und im Wirken der Kirche die geschichtliche Gegenwart des Erlösers auf Erden und sein Heilswerk unaufhörlich fortsetzt, strahlt deshalb die Herrlichkeit Christi auf, wie die anschließenden Worte bei Johannes bezeugen: »Er (der Geist der Wahrheit) wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden«25. Mit diesen Worten wird noch einmal all das bekräftigt, was die vorhergehenden Worte besagten: Er wird »lehren«, »erinnern«, »Zeugnis ablegen«. Die höchste und vollständige Selbstoffenbarung Gottes, wie sie sich in Christus ereignet hat und durch die Predigt der Apostel bezeugt wurde, tut sich weiterhin in der Kirche kund durch die Sendung des unsichtbaren Beistandes, des Geistes der Wahrheit. Wie innig diese Sendung mit der Sendung Christi verbunden ist, wie vollkommen sie aus dieser seiner Sendung schöpft, wenn sie seine Heilsfrüchte im Ablauf der Geschichte kräftigt und fördert, ist durch das Wort »nehmen« ausgedrückt: »Er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden«. Um das Wort »nehmen« gleichsam zu erklären, indem er die göttliche und dreifaltige Einheit der Quelle deutlich hervorhebt, fügt Jesus hinzu: »Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden«26. Indem er von dem »Meinen« nimmt, schöpft er zugleich aus dem, »was der Vater hat«.

Im Licht dieses »Nehmens« kann man ebenso auch die anderen Worte über den Heiligen Geist erklären, die Jesus im Abendmahlssaal vor Ostern gesprochen hat, Worte von tiefer Bedeutung: »Es ist gut für euch, daß ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er die Welt überführen (und aufdecken), was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist »27. Auf diese Worte wird noch in einer gesonderten Betrachtung zurückzukommen sein.

 




16 »Allon parkleton«: Joh 14, 16.



17 Joh 14, 13. 16 f.



18 Vgl. 1 Joh 2,1.



19 Joh 14, 26.



20 Joh 15, 26 f.



21 Vgl. 1 Joh 1, 1-3; 4, 14.



22 »Das von Gott Geoffenbarte, das in der Heiligen Schrift enthalten ist und vorliegt, ist unter dem Anhauch des Heiligen Geistes aufgezeichnet worden«, und darum muß diese Heilige Schrift »in dem Geist gelesen und ausgelegt werden, in dem sie geschrieben wurde«: II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung »Dei verbum«, 11. 12.



23 Joh 16, 12 f.



24 Apg 1, 1.



25 Joh 16, 14.



26 Joh 16, 15.



27 Joh 16, 7 f.






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