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Ioannes Paulus PP. II
Dominum et vivificantem

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III. DER GEIST, DER LEBENDIG MACHT

 

1. Grund für das Jubiläum des Jahres 2000: Christus, »empfangen vom Heiligen Geist«

49. An den Heiligen Geist wenden sich Denken und Herz der Kirche am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts und im Blick auf das dritte Jahrtausend seit der Ankunft Christi in dieser Welt, während wir auf das große Jubiläum vor ausschauen, mit dem die Kirche dieses Ereignis feiern wird. Diese Ankunft wird ja nach menschlicher Zeitrechnung als ein Ereignis festgehalten, das zur Geschichte des Menschen auf dieser Erde gehört. Die übliche Zeitrechnung gibt die Jahre, Jahrhunderte und Jahrtausende entspre chend ihrer Folge vor oder nach der Geburt Christi an. Zugleich aber muß man sich dessen bewußt sein, daß dieses Ereignis für uns Christen nach dem Wort des Apostels die »Fülle der Zeit«193 bedeutet, weil in ihm die Geschichte des Menschen völlig vom »Zeitmaß« Gottes durch drungen wurde: von seiner transzendenten Gegenwart im ewigen »Jetzt«. Er ist derjenige, »der ist und der war und der kommt«; »das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende«194. »Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat«195. »Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau..., damit wir die Sohnschaft erlangen«196. Und diese Fleischwerdung des Ewigen Wortes und Sohnes geschah »durch das Wirken des Heiligen Geistes«.

Die beiden Evangelisten, denen wir den Bericht über die Geburt und Kindheit Jesu von Nazaret verdanken, drücken sich hierbei in der selben Weise aus. Nach Lukas fragt Maria nach der Ankündigung der Geburt Jesu: »Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?«. Sie erhält zur Antwort: »Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden«197.

Matthäus berichtet in direkter Form: »Mit der Geburt Jesu war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, daß sie ein Kind erwartete - durch das Wirken des Heiligen Geistes«198. Josef, dadurch verwirrt, empfängt im Schlaf die folgende Erklärung: »Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen«199.

Darum bekennt die Kirche von Anfang an das Geheimnis der Menschwerdung, dieses zentrale Geheimnis des Glaubens, in Verbindung mit dem Heiligen Geist. Sie spricht im Apostolischen Glaubensbekenntnis: »Empfangen vom Heiligen Geist, geboren aus Maria, der Jungfrau«. Nicht anders das Bekenntnis des nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses: Er »hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden«.

»Durch den Heiligen Geist« wurde Mensch, den die Kirche im selben Glaubensbekenntnis auch als wesensgleichen Sohn des Vaters bekennt: »Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen«. Er wurde Mensch »im Schoß der Jungfrau Maria«. Dies geschah, als »die Zeit erfüllt war«.

50. Das große Jubiläum am Ende des zweiten Jahrtausends, auf das sich die Kirche schon vorbereitet, hat unmittelbar eine christologische Ausrichtung: Es geht ja um die Feier der Geburt Jesu Christi. Zugleich hat es eine pneumatologische Ausrichtung; denn das Geheimnis der Menschwerdung vollzog sich »durch das Wirken des Heiligen Geistes«. Es wurde »gewirkt« durch jenen Geist, der - eines Wesens mit dem Vater und dem Sohn - im absoluten Geheimnis des dreieinigen Gottes die »Liebe in Person« ist, das ungeschaffene Geschenk, das die ewige Quelle allen Schenkens Gottes in der Schöpfungsordnung ist sowie unmittelbarer Ursprung und gewissermaßen Subjekt der Selbstmitteilung Gottes in der Gnadenordnung. Das Geheimnis der Menschwerdung ist der Höhepunkt dieses Schenkens und dieser Selbstmitteilung.

Empfängnis und Geburt Jesu Christi sind das größte vom Heiligen Geist in der Schöpfungs-und Heilsgeschichte vollbrachte Werk: die höchste Gnade - die »Gnade der Einigung« als Quelle jeder anderen Gnade, wie der heilige Thomas erklärt200. Das große Jubiläum gilt diesem Werk und auch - wenn wir es in seiner Tiefe erfassen - dem, der es gewirkt hat, der Person des Heiligen Geistes.

Der »Fülle der Zeit« entspricht in der Tat eine besondere Fülle der Selbstmitteilung des dreieinigen Gottes im Heiligen Geist. »Durch das Wirken des Heiligen Geistes« vollzieht sich das Geheimnis der »hypostatischen Union«, das heißt der Vereinigung der göttlichen mit der menschlichen Natur, der Gottheit mit der Menschheit in der einzigen Person des Ewigen Wortes und Sohnes. Als Maria im Augenblick der Verkündigung ihr »fiat« spricht: »Mir geschehe, wie du es gesagt hast«201, empfängt sie auf jungfräuliche Weise einen Menschen, den Menschensohn, der Gottes Sohn ist. In dieser »Vermenschlichung« des Wortes und Sohnes erreicht die Selbstmitteilung Gottes ihre endgültige Fülle in der Schöpfungs-und Heilsgeschichte. Diese Fülle findet einen besonders dichten und beredten Ausdruck im Johannesevangelium: »Das Wort ist Fleisch geworden«202. Die Menschwerdung des Gottessohnes bedeutet nicht nur die Aufnahme der menschlichen Natur in die Einheit mit Gott, sondern gewissermaßen alles dessen, was »Fleisch« ist: der ganzen Menschheit, der ganzen sichtbaren und materiellen Welt. Die Menschwerdung hat also auch ihre kosmische Bedeutung und Dimension. Indem der »Erstgeborene der ganzen Schöpfung«203 in diesem individuellen Menschen Christus Fleisch annimmt, vereinigt er sich gleichsam mit der ganzen Wirklichkeit des Menschen, der auch »Fleisch«204 ist, und dadurch mit allem »Fleisch«, mit der ganzen Schöpfung.

51. All dies vollzieht sich durch das Wirken des Heiligen Geistes und gehört darum auch zum Inhalt des zukünftigen großen Jubiläums. Die Kirche kann sich darauf in keiner anderen Weise als im Heiligen Geist vorbereiten. Was »in der Fülle der Zeit« durch das Wirken des Heiligen Geistes geschah, kann heute nur durch sein Wirken im Gedächtnis der Kirche neu erwachen. Durch sein Wirken kann all dies Gegenwart werden in der neuen Phase der Geschichte des Menschen auf dieser Erde: im Jahr 2000 nach Christi Geburt.

Der Heilige Geist, dessen Kraft den jungfräulichen Leib Mariens überschattete und so in ihr den Anfang göttlicher Mutterschaft bewirkte, machte zur gleichen Zeit ihr Herz vollkommen gehorsam gegenüber jener Selbstmitteilung Gottes, die jeden Begriff und alle Fassungskraft des Menschen übersteigt. »Selig ist die, die geglaubt hat«205: So wird Maria von ihrer Verwandten Elisabet begrüßt, die auch »vom Heiligen Geist erfüllt« war206. In den Grußworten an jene, die »geglaubt hat«, scheint sich ein entfernter, aber tatsächlich sehr deutlicher Kontrast zu all jenen anzudeuten, von denen Christus sagen wird, »sie haben nicht geglaubt«207. Maria ist in die Heilsgeschichte der Welt eingetreten durch ihren Glaubensgehorsam. Der Glaube ist in seinem tiefsten Wesen die Öffnung des menschlichen Herzens gegenüber der göttlichen Gabe: gegenüber der Selbstmitteilung Gottes im Heiligen Geist. Der heilige Paulus schreibt: »Der Herr aber ist der Geist, und wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit«208. Wenn der dreieinige Gott sich dem Menschen gegenüber im Heiligen Geist eröffnet, dann offenbart und schenkt zugleich diese »Selbsteröffnung dem Menschengeschöpf die Fülle der Freiheit. Diese Fülle fand gerade durch den Gehorsam Mariens, durch ihren »Glaubensgehorsam«, einen erhabenen Ausdruck209. Wirklich: »Selig ist die, die geglaubt hat«!

 




193 Vgl. Gal 4, 4.



194 Offb 1, 8; 22, 13.



195 Joh 3, 16.



196 Gal 4, 4 f.



197 Lk 1, 34 f.



198 Mt 1, 18.



199 Mt 1, 20 f.



200 Vgl. THOMAS VON AQUIN, »Summa Theol.« III, q. 2, aa. 10-12; q. 6, ad 6; q 7, a. 13.



201 Lk 1, 38.



202 Joh 1, 14.



203 Kol 1, 15.



204 Vgl. zum Beispiel Gen. 9, 11; Dtn 5, 26; Ijob 34, 15; Jes 40, 6; 52, 10; Ps 145, 21; Lk 3, 6; 1 Petr 1, 24.



205 Lk 1, 45.



206 Vgl. Lk 1, 41.



207 Vgl. Joh 16, 9.



208 Vgl. 2 Kor 3, 17.



209 Vgl. Röm 1, 5.






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