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Richard Wagner
Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg

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Dritte Szene. Tannhäuser, Wolfram

 

Es ist Nacht geworden. - Tannhäuser tritt auf. Er trägt zerrissene Pilgerkleidung, sein Antlizt ist bleich und entstellt; er wankt matten Schrittes an seinem Stabe.

Tannhäuser
Ich hörte Harfenschlag - wie klang er traurig!
Der kam wohl nicht von ihr. -

Wolfram
Wer bist du, Pilger, der du so einsam wanderst?

Tannhäuser
Wer ich bin?
Kenn' ich doch dich recht gut; - Wolfram bist du,
der wohlgeübte Sänger.

Wolfram
Heinrich! Du?
Was bringt dich her in diese Nähe? Sprich!
Wagst du es, unentsündigt wohl den Fuß
nach dieser Gegend herzulenken?

Tannhäuser
Sei außer Sorg', mein guter Sänger! -
Nicht such' ich dich noch deiner Sippschaft einen.
Doch such' ich wen, der mir den Weg wohl zeige,
den Weg, den einst so wunderleicht ich fand --

Wolfram
Und welchen Weg?

Tannhäuser [mit unheimlicher Lüsternheit]
Den Weg zum Venusberg!

Wolfram
Entsetzlicher! Entweihe nicht mein Ohr!
Treibt es dich dahin?

Tannhäuser
Kennst du wohl den Weg?

Wolfram
Wahnsinn'ger! Grauen faßt mich, hör' ich dich!
Wo warst du? Sag, zogst du denn nicht nach Rom?

Tannhäuser [wütend]
Schweig mir von Rom!

Wolfram
Warst nicht beim heil'gen Feste?

Tannhäuser
Schweig mir von ihm!

Wolfram
So warst du nicht? - Sag, ich beschwöre dich!

Tannhäuser [nach einer Pause, wie sich besinnend, mit schmerzlichem Ingrimm]
Wohl war auch ich in Rom. -

Wolfram
So sprich! Erzähle mir, Unglücklicher!
Mich faßt ein tiefes Mitleid für dich an.

Tannhäuser [nachdem er Wolfram lange mit gerührter Verwunderung betrachtet hat]
Wie sagst du, Wolfram? Bist du nicht mein Feind?

Wolfram
Nie war ich es, so lang' ich fromm dich wähnte! -
Doch sprich! Du pilgertest nach Rom?

Tannhäuser
Wohl denn!
Hör an! Du,Wolfram, du sollst es erfahren.
Er läßt sich erschöpft am Fuße des vorderen Bergvorsprunges neider. Wolfram will sich an seiner Seite niedersetzen.
Bleib fern von mir! Die Stätte, wo ich raste,
ist verflucht. - Hör an, Wolfram, hör an!
Wolfram bleibt in geringer Entfernung vor Tannhäuser stehen.
Inbrunst im Herzen, wie kein Büßer noch
sie je gefühlt, sucht' ich den Weg nach Rom.
Ein Engel hatte, ach! der Sünde Stolz
dem Übermütigen entwunden: -
für ihn wollt' ich in Demut büßen,
das Heil erflehn, das mir verneint,
um ihm die Träne zu versüßen,
die er mir Sünder einst geweint! -
Wie neben mir der schwerstbedrückte Pilger
die Straße wallt', erschien mir allzuleicht: -
betrat sein Fuß den weichen Grund der Wiesen,
der nackten Sohle sucht' ich Dorn und Stein;
ließ Labung er am Quell den Mund genießen,
sog ich der Sonne heißes Glühen ein; -
wenn fromm zum Himmel er Gebete schickte,
vergoß mein Blut ich zu des Höchsten Preis; -
als das Hospiz die Wanderer erquickte,
die Glieder bettet' ich in Schnee und Eis: -
verschloßnen Aug's, ihr Wunder nicht zu schauen,
durchzog ich blind Italiens holde Auen: -
ich tat's, - denn in Zerknirschung wollt' ich büßen,
um meines Engels Tränen zu versüßen! - -
Nach Rom gelangt' ich so zur heil'gen Stelle,
lag betend auf des Heiligtumes Schwelle; -
der Tag brach an: - da läuteten die Glocken,
hernieder tönten himmlische Gesänge;
da jauchzt' es auf in brünstigem Frohlocken,
denn Gnad' und Heil verhießen sie der Menge.
Da sah ich ihn, durch den sich Gott verkündigt,
vor ihm all Volk im Staub sich niederließ;
und Tausenden er Gnade gab, entsündigt
er Tausende sich froh erheben hieß. -
Da naht' auch ich; das Haupt gebeugt zur Erde,
klagt' ich mich an mit jammernder Gebärde
der bösen Lust, die meine Sinn' empfanden,
des Sehnens, das kein Büßen noch gekühlt;
und um Erlösung aus den heißen Banden
rief ich ihn an, von wildem Schmerz durchwühlt. -
Und er, den so ich bat, hub an: -
«Hast du so böse Lust geteilt,
dich an der Hölle Glut entflammt,
hast du im Venusberg geweilt:
so bist nun ewig du verdammt!
Wie dieser Stab in meiner Hand
nie mehr sich schmückt mit frischem Grün,
kann aus der Hölle heißem Brand
Erlösung nimmer dir erblühn!» - -
Da sank ich in Vernichtung dumpf darnieder,
die Sinne schwanden mir. - Als ich erwacht,
auf ödem Platze lagerte die Nacht, -
von fern her tönten frohe Gnadenlieder. -
Da ekelte mich der holde Sang, -
von der Verheißung lügnerischem Klang,
der eiseskalt mir durch die Seele schnitt,
trieb Grausen mich hinweg mit wildem Schritt. -
Dahin zog's mich, wo ich der Wonn' und Lust
so viel genoß an ihrer warmen Brust! -
Zu dir, Frau Venus, kehr' ich wieder,
in deiner Zauber holde Nacht;
zu deinem Hof steig' ich darnieder,
wo nun dein Reiz mir ewig lacht!

Wolfram
Halt ein! Halt ein, Unseliger!

Tannhäuser
Ach, laß mich nicht vergebens suchen, -
wie leicht fand ich doch einstens dich!
Du hörst, daß mir die Menschen fluchen, -
nun, süße Göttin, leite mich!

Wolfram
Wahnsinniger, wen rufst du an?
Leichte Nebel hüllen allmählich die Szene ein.

Tannhäuser
Ha! fühlest du nicht milde Lüfte?

Wolfram
Zu mir! Es ist um dich getan!

Tannhäuser
Und atmest du nicht holde Düfte?
Hörst du nicht die jubelnde Klänge?

Wolfram
In wildem Schauer bebt die Brust!

Tannhäuser
Das ist der Nymphen tanzende Menge! -
Herbei, herbei zu Wonn' und Lust!

Eine rosige Dämmerung beginnt die Nebel zu durchleuchten; durch sie gewahrt man wirre Bewegungen tanzender Nymphen.

Wolfram
Weh, böser Zauber tut sich auf!
Die Hölle naht in wildem Lauf.

Tannhäuser
Entzücken dringt durch meine Sinne,
gewahr' ich diesen Dämmerschein;
dies ist das Zauberreich der Minne,
im Venusberg drangen wir ein!
In heller, rosiger Beleuchtung wird Venus, auf einem Lager ruhend, sichtbar.

Venus
Willkommen, ungetreuer Mann!
Schlug dich die Welt mit Acht und Bann?
Und findest nirgends du Erbarmen,
suchst Liebe nun in meinen Armen?

Tannhäuser
Frau Venus, o, Erbarmungsreiche
Zu dir, zu dir zieht es mich hin!

Wolfram
Du Höllenzauber, weiche, weiche!
Berücke nicht des Reinen Sinn!

Venus
Nahst du dich wieder meiner Schwelle,
sei dir dein Übermut verziehn;
ewig fließt dir der Freuden Quelle,
und nimmer sollst du von mir fliehn!

Tannhäuser
Mein Heil, mein Heil hab'ich verloren,
nun sei der Hölle Lust erkoren!

Wolfram [ihn heftig zurückhaltend]
Allmächt'ger, steh dem Frommen bei!
Heinrich, - ein Wort, es macht dich frei -:
dein Heil -!

Venus
Zu mir!

Tannhäuser [zu Wolfram]
Laß ab von mir!

Venus
O komm! Auf ewig sei nun mein!

Wolfram
Noch soll das Heil dir Sünder werden!

Tannhäuser
Nie, Wolfram, nie! Ich muß dahin!

Wolfram
Ein Engel bat für dich auf Erden -
bald schwebt er segnend über dir:
Elisabeth!

Tannhäuser [der sich soeben von Wolfram losgerissen, bleibt, wie von einem heftigen Schlage gelähmt, an die Stelle geheftet]
Elisabeth!

Männergesang [aus dem Hintergrunde]
Der Seele Heil, die nun entflohn
dem Leib der frommen Dulderin!

Wolfram [nach dem ersten Eintritt des Gesanges]
Dein Engel fleht für dich an Gottes Thron, -
er wird erhört! Heinrich, du bist erlöst!

Venus
Weh! Mir verloren!
Sie verschwindet, und mit ihr die ganze zauberische Erscheinung. Das Tal, vom Morgenrot erleuchtet, wird wieder sichtbar; von der Wartburg her geleitet ein Trauerzug einen offenen Sarg.

Männergesang
Ihr ward der Engel sel'ger Lohn,
himmlischer Freuden Hochgewinn.

Wolfram [Tannhäuser in den Armen sanft umschlossen haltend]
Und hörst du diesen Gesang?

Tannhäuser
Ich höre!R

Von hier an betritt der Trauerzug die Tiefe des Tales, die älteren Pilger voran; den offenen Sarg mit der Leiche Elisabeths tragen Edle, der Landgraf und die Sänger geleiten ihn zur Seite, Grafen und Edle folgen.

Männergesang
Heilig die Reine, die nun vereint
göttlicher Schar vor dem Ewigen steht!
Selig der Sünder, dem sie geweint,
dem sie des Himmels Heil erfleht!

Auf Wolframs Bedeuten ist der Sarg in der Mitte der Bühne niedergesetzt worden. Wolfram geleitet Tannhäuser zu der Leiche, an welcher dieser niedersinkt.

Tannhäuser
Heilige Elisabeth, bitte für mich!
[Er stirbt.]

Die Jüngeren Pilger [auf dem vorderen Bergvorsprung einherziehend]
Heil! Heil! Der Gnade Wunder Heil!
Erlösung ward der Welt zuteil!
Es tat in nächtlich heil'ger Stund'
der Herr sich durch ein Wunder kund:
den dürren Stab in Priesters Hand
hat er geschmückt mit frischem Grün:
dem Sünder in der Hölle Brand
soll so Erlösung neu erblühn!
Ruft ihm es zu durch alle Land',
der durch dies Wunder Gnade fand!
Hoch über aller Welt ist Gott,
und sein Erbarmen ist kein Spott!
Halleluja! Halleluja!
Halleluja!

Alle [in höchster Ergriffenheit]
Der Gnade Heil ist dem Büßer beschieden,
er geht nun ein in der Seligen Frieden!

Der Vorhang fällt.

 

ENDE DER OPER

 




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