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Richard Wagner Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg IntraText CT - Text |
Chor
Freudig begrüßen wir die edle Halle,
wo Kunst und Frieden immer nur verweil,
wo lange noch der frohe Ruf erschalle:
Thüringens Fürsten, Landgraf Hermann, Heil!
Die Ritter und Frauen haben die von den Edelknaben ihnen angewiesenen, in einem weiten Halbkreise erhöhnten Plätze eingenommen. Der Landgraf und Elisabeth nehmen im Vordergrunde unter einem Baldachin Ehrensitze ein.
Trompeten. - Die Sänger treten auf und verneigen sich feierlich mit ritterlichem Gruße gegen die Versammlung; darauf nehmen sie in der leergelassenen Mitte des Saales die in einem engeren Halbkreise für sie bestimmten Sitze ein. Tannhäuser im Mittelgrunde rechts, Wolfram am entgegengesetzten Ende links, der Versammlung gegenüber.
Der Landgraf [erhebt sich]
Gar viel und schön ward hier in dieser Halle
von euch, ihr lieben Sänger, schon gesungen;
in weisen Rätseln wie in heitren Liedern
erfreutet ihr gleich sinnig unser Herz. -
Wenn unser Schwert in blutig ernsten Kämpfen
stritt für des deutschen Reiches Majestät,
wenn wir dem grimmen Welfen widerstanden
und dem verderbenvollen Zwiespalt wehrten:
so ward von euch nicht mindrer Preis errungen.
Der Anmut und der holden Sitte,
der Tugend und dem reinen Glauben
erstrittet ihr durch eure Kunst
gar hohen, herrlich schönen Sieg. -
Bereitet heute uns denn auch ein Fest,
heut, wo der kühne Sänger uns zurück
gekehrt, den wir so ungern lang' vermißten.
Was wieder ihn in unsre Nähe brachte,
ein wunderbar Geheimnis dünkt es mich;
durch Liedes Kunst sollt ihr es uns enthüllen,
deshalb stell' ich die Frage jetzt an euch:
könnt ihr der Liebe Wesen mir ergründen?
Wer es vermag, wer sie am würdigsten
besingt, dem reich' Elisabeth den Preis:
er fordre ihn so hoch und kühn er wolle,
ich sorge, daß sie ihn gewähren solle. -
Auf, liebe Sänger! Greifet in die Saiten!
Die Aufgab' ist gestellt, kämpft um den Preis,
und nehmet all im voraus unsren Dank!
[Trompeten]
Chor der Ritter und Edelfrauen
Heil! Heil! Thüringens Fürsten Heil!
Der holden Kunst Beschützer Heil!
Alle setze sich. Vier Edelknaben treten vor, sammeln in einem goldenen Becher von jedem der Sänger seinen auf ein Blättchen geschriebenen Namen ein und reichen ihn Elisabeth, welche eines der Blättchen herauszieht und es den Edelknaben reicht. Diese, nachdem sie den Namen gelesen, treten feierlich in die Mitte und rufen: -
Vier Edelknaben
Wolfram von Eschenbach, beginne!
Tannhäuser stützt sich auf seine Harfe und scheint sich in Träumereien zu verlieren. Wolfram erhebt sich.
Wolfram
Blick' ich umher in diesem edlen Kreise,
welch hoher Anblick macht mein Herz erglühn!
So viel der Helden, tapfer, deutsch und weise, -
ein stolzer Eichwald, herrlich, frisch und grün.
Und hold und tugendsam erblick' ich Frauen, -
lieblicher Blüten düftereichsten Kranz.
Es wird der Blick wohl trunken mir vom Schauen,
mein Lied verstummt vor solcher Anmut Glanz. -
Da blick' ich auf zu einem nur der Sterne,
der an dem Himmel, der mich blendet, steht:
es sammelt sich mein Geist aus jener Ferne,
andächtig sinkt die Seele in Gebet.
Und sieh! Mir zeiget sich ein Wunderbronnen,
in den mein Geist voll hohen Staunens blickt:
aus ihm er schöpfet gnadenreiche Wonnen,
durch die mein Herz er namenlos erquickt.
Und nimmer möcht' ich diesen Bronnen trüben,
berühren nicht den Quell mit frevlem Mut:
in Anbetung möcht' ich mich opfernd üben,
vergießen froh mein letztes Herzensblut. -
Ihr Edlen mögt in diesen Worten lesen,
wie ich erkenn' der Liebe reinstes Wesen!
Die Ritter und Frauen [in
beifälliger Bewegung]
So ists! So ist's! Gepriesen sei dein Lied!
Tannhäuser [der gegen das Ende
von Wolframs Gesange wie aus dem Traume auffuhr, erhebt sich schnell]
Auch ich darf mich so glücklich nennen
zu schaun, was, Wolfram, du geschaut!
Wer sollte nicht den Bronnen kennen?
Hör, seine Tugend preis' ich laut! -
Doch ohne Sehnsucht heiß zu fühlen
ich seinem Quell nicht nahen kann:
Des Durstes Brennen muß ich kühlen,
getrost leg' ich die Lippen an.
In vollen Zügen trink' ich Wonnen,
in die kein Zagen je sich mischt:
denn unversiegbar ist der Bronnen,
wie mein Verlangen nie erlischt.
So, daß mein Sehnen ewig brenne,
lab' an dem Quell ich ewig mich:
und wisse, Wolfram, so erkenne
der Liebe wahrstes Wesen ich!
Elisabeth macht eine Bewegung, ihren Beifall zu bezeigen; da aber alle Zuhörer in ernstem Schweigen verharren, hält sie sich schüchtern zurück.
Walther von der Vogelweide [erhebt
sich]
Den Bronnen, den uns Wolfram nannte,
ihn schaut auch meines Geistes Licht;
doch, der in Durst für ihn entbrannte,
du, Heinrich, kennst ihn wahrlich nicht.
Laß dir denn sagen, laß dich lehren:
der Bronnen ist die Tugend wahr.
Du sollst in Inbrunst ihn verehren
und opfern seinem holden Klar.
Legst du an seinen Quell die Lippen,
zu kühlen frevle Leidenschaft,
ja, wolltest du am Rand nur nippen,
wich' ewig ihm die Wunderkraft!
Willst du Erquickung aus dem Bronnen haben,
mußt du dein Herz, nicht deinen Gaumen laben.
Die Zuhörer [in lautem
Beifall]
Heil Walther! Preis sei deinem Liede!
Tannhäuser [sich heftig
erhebend]
O Walther, der du also sangest,
du hast die Liebe arg entstellt!
Wenn du in solchem Schmachten bangest,
versiegte wahrlich wohl die Welt.
Zu Gottes Preis in hoch erhabne Fernen,
blickt auf zum Himmel, blickt zu seinen Sternen!
Anbetung solchen Wundern zollt,
da ihr sie nicht begreifen sollt!
Doch was sich der Berührung beuget,
euch Herz und Sinnen nahe liegt,
was sich, aus gleichem Stoff erzeuget,
in weicher Formung an euch schmiegt, -
dem ziemt Genuß in freud'gem Triebe,
und im Genuß nur kenn' ich Liebe!
Große Aufregung unter den Zuhörern.
Biterolf [sich mit Ungestüm erhebend]
Heraus zum Kampfe mit uns allen!
Wer bliebe ruhig, hört er dich?
Wird deinem Hochmut es gefallen,
so höre, Lästrer, nun auch mich!
Wenn mich begeistert hohe Liebe,
stählt sie die Waffen mir mit Mut;
daß ewig ungeschmäht sie bliebe,
vergöss' ich stolz mein letztes Blut.
Für Frauenehr' und hohe Tugend
als Ritter kämpf' ich mit dem Schwert;
doch, was Genuß beut' deiner Jugend,
ist wohlfeil, keines Streiches wert.
Die Zuhörer [in tobendem
Beifall]
Heil, Biterolf! Hier unser Schwert!
Tannhäuser [in stets
zunehmender Hitze aufspringend]
Ha, tör'ger Prahler, Biterolf!
Singst du von Liebe, grimmer Wolf?
Gewißlich hast du nicht gemeint,
was mir genießenswert erscheint.
Was hast du Ärmster wohl genossen?
Dein Leben war nicht liebereich,
und was von Freuden dir entsprossen,
das galt wohl wahrlich keinen Streich!
[Zunehmende Aufregung unter den Zuhörern]
Ritter [von verschiedenen
Seiten]
Laßt ihn nicht enden! - Wehret seiner Kühnheit!
Landgraf [zu Biterolf, der
nach dem Schwerte greift]
Zurück das Schwert! Ihr Sänger, haltet Frieden!
Wolfram [erhebt sich in edler
Entrüstung. Bei seinem Beginn tritt sogleich die größte Ruhe wieder ein]
O Himmel, laß dich jetzt erflehen,
gib meinem Lied der Weihe Preis!
Gebannt laß mich die Sünde sehen
aus diesem edlen, reinen Kreis!
Dir, hohe Liebe, töne
begeistert mein Gesang,
die mir in Engels-Schöne
tief in die Seele drang!
Du nahst als Gottgesandte,
ich folg' aus holder Fern', -
so führst du in die Lande,
wo ewig strahlt dein Stern.
Tannhäuser [in höchster
Verzückung]
Dir, Göttin der Liebe, soll mein Lied ertönen!
Gesungen laut sei jetzt dein Preis von mir!
Dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen,
und jedes holde Wunder stammt von dir.
Wer dich mit Glut in seinen Arm geschlossen,
was Liebe ist, kennt er, nun er allein: -
Armsel'ge, die ihr Liebe nie genossen,
zieht hin, zieht in den Berg der Venus ein!
[Allgemeiner Aufbruch und Entsetzen]
Alle
Ha, der Verruchte! Fliehet ihn!
Hört es! Er war im Venusberg!
Die Edelfrauen
Hinweg! Hinweg aus seiner Näh'!
Sie entfernen sich in größter Bestürzung unter Gebärden des Abscheus. Nur Elisabeth, welche dem Verlaufe des Streites in furchtbar wachsender Angst zuhörte, bleibt von den Frauen allein zurück, bleich, mit dem größten Aufwand ihrer Kraft an einer der hölzernen Säulen des Baldachins sich aufrecht erhaltend.
Der Landgraf, alle Ritter und Sänger habe ihre Sitze verlassen und treten zusammen. Tannhäuser zur äußersten Linken verbleibt noch eine Zeitlang wie in Verzückung.
Landgraf, Ritter und Sänger
Ihr habt's gehört! Sein frevIer Mund
tat das Bekenntnis schrecklich kund.
Er hat der Hölle Lust geteilt,
im Venusberg hat er geweilt! -
Entsetzlich! Scheußlich! Fluchenswert!
In seinem Blute netzt das Schwert!
Zum Höllenpfuhl zurückgesandt,
sei er gefemt, sei er gebannt!
Alle stürzen mit entblößten Schwertern auf Tannhäuser ein, welcher eine trotzige Stellung einnimmt. Elisabeth wirft sich mit einem herzzerreißenden Schrei dazwischen und deckt Tannhäuser mit ihrem Leibe.
Elisabeth
Haltet ein! -
Bei ihrem Anblick halten alle in größter Betroffenheit an.
Landgraf, Ritter und Sänger
Was seh' ich? Wie, Elisabeth!
Die keusche Jungfrau für den Sünder?
Elisabeth
Zurück! Des Todes achte ich sonst nicht!
Was ist die Wunde eures Eisens gegen
den Todesstoß, den ich von ihm empfing?
Landgraf, Ritter, Sänger
Elisabeth! Was muß ich hören?
Wie ließ dein Herz dich so betören,
von dem die Strafe zu beschwören,
der auch so furchtbar dich verriet?
Elisabeth
Was liegt an mir? Doch er, - sein Heil!
Wollt ihr sein ewig Heil ihm rauben?
Landgraf, Ritter, Sänger
Verworfen hat er jedes Hoffen,
niemals wird ihm des Heils Gewinn!
Des Himmels Fluch hat ihn getroffen;
in seinen Sünden fahr' er hin!
[Sie dringen von neuem auf Tannhäuser ein.]
Elisabeth
Zurück von ihm! Nicht ihr seid seine Richter!
Grausame! Werft von euch das wilde Schwert
und gebt Gehör der reinen Jungfrau Wort
Vernehmt durch mich, was Gottes Wille ist! -
Der Unglücksel'ge, den gefangen
ein furchtbar mächt'ger Zauber hält,
wie? sollt' er nie zum Heil gelangen
durch Reu' und Buß' in dieser Welt?
Die ihr so stark im reinen Glauben,
verkennt ihr so des Höchsten Rat?
Wollt ihr des Sünders Hoffnung rauben,
so sagt, was euch er Leides tat?
Seht mich, die Jungfrau, deren Blüte
mit einem jähen Schlag er brach, -
die ihn geliebt tief im Gemüte,
der jubelnd er das Herz zerstach: -
Ich fleh' für ihn, ich flehe für sein Leben,
zur Buße lenk' er reuevoll den Schritt!
Der Mut des Glaubens sei ihm neu gegeben,
daß auch für ihn einst der Erlöser litt!
Tannhäuser [nach und nach von
der Höhe seiner Aufregung und seines Trotzes herabgesunken, durch Elisabeths
Fürsprache auf das heftigste ergriffen, sinkt in Zerknirschung zusammen]
Weh! Weh mir Unglücksel'gem!
Landgraf, Sänger und Ritter [allmählich
beruhigt und gerührt]
Ein Engel stieg aus lichtem Äther,
zu künden Gottes heil'gen Rat. -
Blick hin, du schändlicher Verräter,
werd inne deine Missetat!
Du gabst ihr Tod, sie bittet für dein Leben;
wer bliebe rauh, hört er des Engels Flehn?
Darf ich auch nicht dem Schuldigen vergeben
dem Himmels-Wort kann ich nicht widerstehn.
Tannhäuser
Zum Heil den Sündigen zu führen,
die Gott-Gesandte nahte mir:
doch, ach! sie frevelnd zu berühren
hob ich den Lästerblick zu ihr!
O du, hoch über diesen Erdengründen,
die mir den Engel meines Heils gesandt,
erbarm dich mein, der ach! so tief in Sünden
schmachvoll des Himmels Mittlerin verkannt!
Landgraf [nach einer Pause]
Ein furchtbares Verbrechen ward begangen: -
es schlich mit heuchlerischer Larve sich
zu uns der Sünde fluchbeladner Sohn. -
Wir stoßen dich von uns, - bei uns darfst du
nicht weilen; schmachbefleckt ist unser Herd
durch dich, und dräuend blickt der Himmel selbst
auf dieses Dach, das dich zu lang' schon birgt.
Zur Rettung doch vor ewigem Verderben
steht offen dir ein Weg: von mir dich stoßend,
zeig' ich ihn dir: - nütz ihn zu deinem Heil! -
Versammelt sind aus meinen Landen
bußfert'ge Pilger, stark an Zahl:
die ält'ren schon voran sich wandten,
die jüng'ren rasten noch im Tal.
Nur um geringer Sünde willen
ihr Herz nicht Ruhe ihnen läßt,
der Buße frommen Drang zu stillen
ziehn sie nach Rom zum Gnadenfest.
Landgraf, Sänger und Ritter
Mit ihnen sollst du wallen
zur Stadt der Gnadenhuld,
im Staub dort niederfallen
und büßen deine Schuld!
Vor ihm stürz dich darnieder,
der Gottes Urteil spricht;
doch kehre nimmer wieder,
ward dir sein Segen nicht!
Mußt' unsre Rache weichen,
weil sie ein Engel brach:
dies Schwert wird dich erreichen,
harrst du in Sünd und Schmach!
Elisabeth
Laß hin zu dir ihn wallen,
du Gott der Gnad' und Huld!
Ihm, der so tief gefallen,
vergib der Sünden Schuld!
Für ihn nur will ich flehen,
mein Leben sei Gebet;
laß ihn dein Leuchten sehen
eh' er in Nacht vergeht!
Mit freudigem Erbeben
laß dir ein Opfer weihn!
Nimm hin, o nimm mein Leben:
nicht nenn' ich es mehr mein!
Tannhäuser
Wie soll ich Gnade finden,
wie büßen meine Schuld?
Mein Heil sah ich entschwinden,
mich flieht des Himmels Huld.
Doch will ich büßend wallen,
zerschlagen meine Brust,
im Staube niederfallen, -
Zerknirschung sei mir Lust:
o, daß nur er versöhnet,
der Engel meiner Not,
der sich, so frech verhöhnet,
zum Opfer doch mir bot!
Gesang der Jüngeren Pilger [aus
dem Tale heraufschallend]
Am hohen Fest der Gnadenhuld
in Demut sühnet eure Schuld!
Gesegnet wer im Glauben treu:
er wird erlöst durch Buß' und Reu'.
Alle haben innegehalten und mit
Rührung dem Gesange zugehört. Tannhäuser dessen Züge von einem Strahle schnell
erwachter Hoffnung erleuchtet werden, eilt ab mit dem Rufe: -
Nach Rom!
Alle [ihm nachrufend]
Nach Rom!
Der Vorhang fällt schnell.