Der Unterschied zwischen dem
Revolutionär einer schnelleren Gangart und dem, der in seiner bedächtigeren
Gangart erst langsam dazu wird, liegt darin, daß der beginnende
Revolutionsprozeß im ersteren praktisch auf keinerlei Widerstand stößt. Tugend
und Wahrheit fristeten in dieser Seele ein nicht mehr als oberflächliches
Dasein. Wie trockenes Holz vermag sie der geringste Funke in Brand zu setzen.
Wenn der Prozeß dagegen langsam vonstatten geht, so bedeutet dies, daß der
Funke der Revolution wenigstens teilweise auf grünes Holz stößt. Mit anderen
Worten kann man sagen, daß er viel Wahrheit und Tugend antrifft, die sich vom
Geist der Revolution nicht vereinnahmen lassen. Eine so geartete Seele befindet
sich im Zwiespalt zwischen zwei einander entgegengesetzten Prinzipien, dem der
Revolution und dem der Ordnung.
Das gleichzeitige Vorhandensein
beider Prinzipien kann zu verschiedenen Ergebnissen führen:
* a. Der Revolutionär langsamer
Gangart: Er läßt
sich von der Revolution, der er nicht mehr entgegenzusetzen hat als den
Widerstand der Trägheit, mitreißen.
* b. Der Revolutionär langsamer
Gangart mit
gegenrevolutionären „Gerinnseln". Auch dieser läßt sich von der
Revolution mitreißen. In irgendeinem konkreten Punkt verweigert er jedoch seine
Zustimmung. So kann er etwa in allem ein Sozialist sein, von seinen
aristokratischen Manieren möchte er jedoch nicht lassen. Je nach dem kann er
sogar die Vulgarität des Sozialismus anprangern. Es ist dies zweifelsohne eine
Art Widerstand. Doch dieser Widerstand stellt nur ein Detail in Frage, nicht
die Prinzipien; er beruht lediglich auf Gewohnheiten und lebt von Eindrücken.
Deshalb hat ein derartiger Widerstand auch keine weitreichenderen Folgen, er
wird mit dem Individuum untergehen; wenn er aber in einer ganzen
gesellschaftlichen Gruppierung vorkommen sollte, wird ihn die Revolution bei
ihrem unerbittlichen Vorrücken früher oder später mit Gewalt oder Überredung in
ein, zwei Generationen aus dem Wege räumen.
* c. Der
„Halbgegenrevolutionär": Er unterscheidet sich von dem vorher erwähnten lediglich darin, daß
sein „Gerinnungsprozeß" energischer verlaufen ist und selbst den
prinzipiellen Bereich erfaßt hat. Natürlich nur einige Prinzipien, nicht alle.
Er reagiert nachdrücklicher, lebendiger gegen die Revolution. Sein Widerstand
beruht nicht nur auf Trägheit. Er kann wenigstens theoretisch leichter zu einer
gegenrevolutionären Haltung gebracht werden. Irgendeine Ausschreitung von
seiten der Revolution kann bei ihm zu einer umfassenden Veränderung führen, und
alle gutartigen Tendenzen seines Wesens lassen ihn nun zu einer
unerschütterlichen Abwehr finden. Solange diese glückliche Umwandlung aber
nicht stattfindet, darf der „Halbgegenrevolutionär" nicht als ein Kämpfer
der Gegenrevolution angesehen werden.
Typisch für den Konformismus des
langsam vorgehenden Revolutionärs und des „Halbgegenrevolutionärs" ist die
Leichtigkeit, mit der beide die Errungenschaften der Revolution hinnehmen. So
halten sie es zum Beispiel zwar mit der These der Einheit von Kirche und Staat,
leben aber lustlos nach dem Regime der Trennung, ohne auch nur die geringste
Anstrengung zu machen, einer künftigen Einheit unter entsprechenden Bedingungen
den Weg zu ebnen.
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