Ein hochmütiger Mensch, der sich der
Autorität eines anderen zu unterwerfen hat, haßt an erster Stelle das Joch, das
direkt auf ihm lastet.
An zweiter Stelle haßt der
Hochmütige ganz allgemein alle Autorität und jedes Joch und mehr noch das
Prinzip der Autorität an sich.
Und da er jede Art von Autorität
haßt, erfüllt ihn auch jede Überlegenheit in irgendeinem geordneten
Zusammenhang mit Haß.
Und in all dem steckt ein wahrer Haß
Gott gegenüber 23.
Dieser Haß gegen alle Ungleichheit
hat bereits soweit geführt, daß selbst hochgestellte Personen infolge dieses Hasses
die errungene Stellung auf Spiel gesetzt und sogar verloren haben, nur weil sie
sich nicht einer übergeordneten Autorität unterworfen sehen wollten.
Auf dem Höhepunkt seiner Virulenz
kann der Haß den Menschen sogar dazu bringen, für die Anarchie zu kämpfen und
die ihm etwa angebotene höchste Macht zurückzuweisen, denn allein schon die
Tatsache, daß es diese Macht gibt, beinhaltet ja die Behauptung des
Autoritätsprinzips, dem sich jeder Mensch als solcher - auch der Hochmütige -
zu unterwerfen hat.
Somit kann der Hochmut zu einem
radikalen, vollkommenen Egalitarismus führen.
Dieser radikale, metaphysische
Egalitarismus hat verschiedene Aspekte:
* a. Die Gleichheit zwischen den
Menschen und Gott:
H i e r liegen die Wurzeln des Pantheismus, des Immanentismus und aller
esoterischen Religionen, denen es darum geht, einen gleichberech tigten Umgang
der Menschen mit Gott zu ermöglichen, mit dem Ziel, den Menschen mit göttlichen
Eigenschaften zu überhäufen. Auch der Gottlose ist ein Egalitarist, der zur
Vermeidung eines so absurden Gedankens wie dem, der in der Behauptung steckt,
der Mensch sei Gott, in eine andere Absurdität verfällt, indem er behauptet,
daß es Gott gar nicht gibt. Auch der Laizismus ist eine Art von Atheismus und
Egalitarismus. Für ihn ist es unmöglich, Gewißheit über die Existenz Gottes zu
erhalten; im weltlichen Bereich soll der Mensch demnach so handeln, als ob es
Gott nicht gäbe, oder eben wie einer, der Gott entthront hat.
* b. Gleichheit im kirchlichen
Bereich:
Abschaffung des Priestertums mit seiner durch die Weihe verliehenen
priesterlichen Gewalt, seinem Lehrauftrag und seiner leitenden Funktion, oder
wenigstens der hierarchischen Struktur desselben.
* c. Gleichheit unter den
verschiedenen Religionen: Jede religiöse Diskriminierung stößt auf Abneigung, da sie die
grundsätzliche Gleichheit unter den Menschen verletze. Deshalb sind alle
Religio nen streng nach dem Gleichheitsprinzip zu behandeln. Der Anspruch,
unter Ausschluß anderer die einzig wahre Religion zu sein, bedeute, daß eine Überlegenheit
behauptet werde, die der Sanftmut des Evangeliums widerspreche und politisch
unklug sei, da sie den Zugang zu den Herzen versperre.
* d. Gleichheit im politischen
Bereich:
Abschaffung oder doch wenigstens Verminderung der Ungleichheit zwischen Regierenden
und Regierten. Die Gewalt gehe nicht von Gott, sondern von der Masse aus, die
das Sagen habe und der die Regierung zu gehorchen habe. Verdammung der
Monarchie und der Aristokratie als wesenhaft böse, da gegen den Egalitarismus
gerichtete Regierungsformen. Nur die Demokratie sei rechtmäßig, gerecht und dem
Evangelium entsprechend 24.
* e. Gleichheit der
Gesellschaftsstruktur:
Abschaffung der Klassen, vor allem derer, die erblich weitergegeben werden.
Beseitigung eines jeden aristokratischen Einflusses auf die Führung der
Gesellschaft sowie auf das kulturelle Leben und die Sitten im allgemeinen. Der
naturgegebene Vorrang der geistigen über die körperliche Arbeit werde im Zuge
der Überwindung des Unterschiedes zwischen beiden verschwinden.
* f. Abschaffung der zwischen
Individuum und Staat stehenden Einrichtungen sowie aller Privilegien, die
sich aus gesellschaftlichen Gruppierungen ergeben. So groß auch der Haß der
Revolution auf den königlichen Absolutismus, noch viel verhaßter sind ihr die
Zwischengruppierungen und die organische Monarchie des Mittelalters, denn der
monarchische Absolutismus hat die Tendenz, selbst die qualifiziertesten
Untertanen untereinander gleichzusetzen, und kündet somit bereits die
Vernichtung des Individuums und die heraufziehende Anonymität an, die dann in
den städtischen Ballungsgebieten der sozialistischen Gesellschaft ihren Höhepunkt
erreichen werden. Eine der abzuschaffenden Zwischenstrukturen ist vor allem die
Familie. Solange sie noch nicht in der Lage ist, sie völlig auszurotten,
versucht die Revolution, sie wenigstens mit allen Mitteln zu beschränken, zu
verstümmeln und zu verunglimpfen.
* g. Wirtschaftliche Gleichheit:
Dem Einzelnen gehört nichts, alles gehört der Gemeinschaft. Abschaffung des
Privateigentums, des Rechtes eines jeden auf den gesamten Ertrag seiner Arbeit
und auf freie Berufswahl.
* h. Gleichheit im äußerlichen
Erscheinungsbild: Verschiedenheit führt leicht zu Niveauunterschieden.
Deshalb sind die Unterschiede in Kleidung, Wohnung, Einrichtungen"
Gewohnheiten usw. auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
* i. Gleichheit der Seelen:
Die Propaganda normt sozusagen auch die Seelen, denn sie nimmt ihnen ihre
Eigenart und praktisch sogar ihr Eigenleben. Selbst geschlechtsbedingte
Unterschiede in der psychischen Verhaltensweise zeigen eine zurückgehende
Tendenz. Die Folge ist, daß das Volk, das ja seinem Wesen nach eine einzige
große Familie verschiedener, aber harmonisch zusammenwirkender Seelen ist, die
sich um das ihnen Gemeinsame herum scharen, verschwindet. An seine Stelle aber
tritt die Masse mit ihrer großen leeren, willenlosen Kollektivseele 25
* j. Gleichheit im
gesellschaftlichen Umgang: Wie zum Beispiel zwischen älteren und jungen Menschen, zwischen
Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Lehrern und Schülern, Ehemann und Ehefrau,
Eltern und Kindern usw.
* k. Gleichheit auf internationaler
Ebene: Der Staat besteht aus einem unabhängigen Volk und übt die
uneingeschränkte Herrschaft über ein bestimmtes Gebiet aus. Somit erscheint die
Souverä nität im öffentlichen Recht als Ausdruck des Eigentums. Wenn wir das
Volk als ein von allen anderen verschiedenes, mit einem Recht auf Souveränität
ausgestattes verstehen, so haben wir es wohl oder übel mit ungleichen
Fähigkeiten, Tugenden, Zahlen usw. zu tun. Wenn wir von einem jeweils eigenen
Territorium ausgehen, stoßen wir auf Unterschiede in Größe und Beschaffenheit
der verschiedenen territorialen Einheiten. Es ist also durchaus verständlich,
daß die grundsätzlich gleichmacherische Revolution davon träumt, alle Rassen,
Völker und Länder in einer Rasse, einem Volk und einem einzigen Land zu verschmelzen
26.
* 1. Gleichheit unter den
verschiedenen Landesteilen: Aus dem gleichen Grund und auf ähnliche Weise
trachtet die Revolution danach, im Innern der heutigen Vaterländer jede Art gesunder
regionaler Eigenart in Politik und Kultur abzuschaffen.
* m. Egalitarismus und Haß auf
Gott: Der Hl. Thomas lehrt uns 27, daß die Unterschiede unter den
Geschöpfen und ihr hierarchischer Aufbau ein Gut an sich darstellen, denn auf
diese Weise komme in der Schöpfung um so deutlicher die Vollkommenheit des
Schöpfers zum Ausdruck. Außerdem behauptet er, daß die Göttliche Vorsehung
sowohl unter den Engeln 28 als auch unter den Menschen, im irdischen
Paradies wie im Lande der Verbannung 29, die Ungleichheit eingeführt
habe. Deshalb würde in einer Welt voller unter sich gleicher Geschöpfe die
Ebenbildlichkeit zwischen den Geschöpfen und ihrem Schöpfer nach Möglichkeit
zerstört. Wer daher grundsätzlich jede Art von Ungleichheit haßt, stellt sich,
metaphysisch gesehen, gegen die wertvollsten Elemente der Ähnlichkeit zwischen
dem Schöpfer und seiner Schöpfung, er haßt Gott selbst.
* n. Die Grenzen der Ungleichheit:
Aus der vorangegangenen Darstellung darf man nun natürlich keineswegs
schließen, daß jede Ungleichheit immer und notwendigerweise vom guten sei.
Von Natur aus sind alle Menschen
gleich, verschieden sind sie nur in den unwesentlichen Eigenarten. Die Rechte,
die ihnen allein aus der Tatsache erwachsen, daß sie Menschen sind, gelten für
alle: das Recht auf Leben, Ehre, ausreichende Existenzgrundlagen, Arbeit,
Eigentum, Familiengründung und vor allem auf die Kenntnis und die Ausübung der
wahren Religion. Ungleichheiten, die diese Rechte verletzen, stehen im
Widerspruch zu der von der Göttlichen Vorsehung gewollten Ordnung. Innerhalb
dieser Grenzen aber sind eigenartsbestimmte Ungleichheiten wie Tugend,
Begabung, Schönheit, Kraft" Familie, Tradition usw. als gerecht und der
Weltordnung entsprechend anzusehen 30
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