VIII. KAPITEL
Die vorausgegangenen Überlegungen
verlangen eine Vertiefung in bezug auf die Rolle, die Verstand, Wille und Gefühl
im Zusammenhang von Irrtum und Leidenschaft spielen.
Es könnte der Eindruck entstanden
sein, daß nach unserem Dafürhalten jeder Irrtum vom Verstand zu dem Zwecke
entwickelt wird, irgendeine Form ungezügelter Leidenschaft zu rechtfertigen. Somit
sähe sich der Moralist, der eine liberale Maxime aufstellte, stets von einer
liberalen Neigung dazu getrieben.
Dies ist jedoch keineswegs unsere
Meinung. Es kann durchaus geschehen, daß der Moralist einzig und allein infolge
der von der Erbsünde in Mitleidenschaft gezogenen Geistesschwäche zu einem
liberalen Schluß kommt.
Hat es in diesem Fall nicht
notwendigerweise ein moralisches Vergehen anderer Natur gegeben wie zum
Beispiel eine Nachlässigkeit? Diese Frage liegt außerhalb des hier
angesprochenen Themenbereichs.
Wir behaupten jedoch, daß der
allererste Ursprung der Revolution, historisch gesehen, in einem unbändigen
Aufwallen der Leidenschaften lag. Wir bestreiten auch keineswegs, daß den
Glaubensirrtümern in diesem Prozeß eine wichtige Rolle zukam.
Bedeutende Autoren wie de Maistre,
de Bonald, Donoso Cortés und viele andere haben sich mit diesen Irrtümern näher
beschäftigt und zu erklären versucht, wie vom 15. zum 16. Jahrhundert und dann
so weiter bis zum 20. Jahrhundert ein Irrtum den anderen ergeben hat. Wir
möchten uns deshalb nicht weiter über dieses Thema auslassen.
Es scheint uns hier jedoch durchaus
angebracht, auf die Bedeutung des Faktors „Leidenschaft" und seinen
Einfluß auf die rein ideologischen Aspekte des Revolutionsprozesses, in dem wir
uns befinden, einzugehen. Denn es will uns scheinen, daß man dieser Frage zu
wenig Aufmerksamkeit schenkt, und es deshalb zu einem unvollständigen Bild von
der Revolution komme, was zur Folge haben könnte, daß auch die zur Anwendung
empfohlenen gegenrevolutionären Methoden nicht unbedingt die richtigen sind.
Über die Art und Weise, wie die
Leidenschaften auf die Ideen einwirken können, soll hier noch einiges ergänzt
werden.
|