Dem könnte man nun folgenden Einwurf
entgegenhalten: Wenn die Leidenschaften im Revolutionsprozeß eine so wichtige
Rolle spielen, dann scheint sich ihr Opfer immer irgendwie unredlich zu
verhalten. Wenn zum Beispiel der Protestantismus ein Kind der Revolution ist,
so verhält sich jeder Protestant unredlich? Steht eine solche Behauptung nicht
etwa im Widerspruch zur Lehre der Kirche, die ja einräumt, daß es auch in
anderen Religionen gutgläubige Seelen gibt?
Offensichtlich kann ein völlig
gutgläubiger und mit einem grundlegend gegenrevolutionären Geist ausgestatteter
Mensch infolge unüberwindlicher Unwissenheit im Netz der revolutionären
Sophismen gefangen sein, egal ob diese nun religiöser, philosophischer,
politischer oder sonstiger Natur sein mögen. Ein solcher Mensch hat natürlich
keine Schuld.
Mutatis mutandis kann man dies auch
von denen behaupten, die wegen eines ungewollten Verständnisfehlers in dem
einen oder anderen Punkt der revolutionären Doktrin zustimmen.
Wenn sich jedoch einer auf Grund der
diesem eigenen ungezügelten, Leidenschaften dem Revolutionsgeist anschließt, so
wird die Antwort ganz anders lauten müssen.
Ein Revolutionär kann unter diesen
Umständen durchaus von seinen subversiven Leitsätzen überzeugt sein und muß
deshalb noch nicht unredlich sein. Er ist aber schuld an dem Irrtum, in den er
gefallen ist.H
Es kann auch vorkommen, daß ein
Revolutionär eine Lehre vertritt, von der er nicht oder nur halbwegs überzeugt
ist.
In diesem Fall ist er teilweise oder
ganz unredlich ...
In dieser Hinsicht will es uns kaum nötig
erscheinen hervorzuheben, daß wir mit der Behauptung, die Marxschen Lehren
seien bereits in den Behauptungen der Pseudoreformation und der Französischen
Revolution enthalten gewesen, nicht zum Ausdruck bringen wollten, daß die
Anhänger jener Bewegungen bewußt Marxisten avant la lettre gewesen seien und
daß sie heuchlerisch ihre Meinungen getarnt hätten.
Das Wesen der christlichen Tugend
liegt in der rechten Anordnung der Seelenkräfte und in der höheren Klarheit des
von der Gnade erleuchteten und vom Lehramt der Kirche geleiteten Verstandes.
Gerade deshalb sind ja die Heiligen ein Beispiel der Ausgeglichenheit und der
Unvoreingenommenheit. Die Sachlichkeit ihres Urteils und die feste
Entschlossenheit ihres Willens zum Guten werden auch nicht im entferntesten vom
Gifthauch ungezügelter Leidenschaften geschwächt.
In dem Maße aber, in dem sich der
Mensch von der Tugend entfernt und unter das Joch der Leidenschaften gerät,
nimmt auch seine Sachlichkeit im Hinblick auf alles ab, was mit diesen zu tun
hat. Diese Sachlichkeit sieht sich vor allem in bezug auf die Beurteilung
seiner selbst gestört.
Inwieweit sich ein Revolutionär der
„langsameren Gangart", geblendet vom Geist der Revolution des 16.
beziehungsweise 18. Jahrhunderts, der tieferen Bedeutung und der Folgen seiner
Lehre tatsächlich bewußt war, ist von Fall zu Fall ein Geheimnis Gottes.
Jedenfalls können wir mit Sicherheit
die Hypothese ausschließen, sie seien allesamt bewußte Marxisten gewesen.
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