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Plinio Corrêa de Oliveira
Revolution und Gegenrevolution

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An den österreichischen Leser

 

 

Für viele Zeitgenossen, die es gewohnt sind, Tageszeitungen zu lesen, die zur banalen Mehrheit der auflagenstarken Medien gehören, nimmt heutzutage das im System der repräsentativen Demokratie verkörperte politische Ideal im Denken und im Handeln die allererste Stelle ein.

Tatsächlich bestand einer der wichtigsten Unterschiede zwischen der Welt diesseits und jenseits des jetzt niedergerissenen Eisernen Vorhangs gerade darin, daß in der einen die politische Demokratie vorherrschte, während sie in der anderen völlig fehlte. Und einer der von der internationalen Presse am häufigsten angeführten Gründe für die Freude, mit der die Öffentlichkeit im Westen und wahrscheinlich auch der größte Teil der Öffentlichkeit im Osten die schrittweise von Gorbatschow in der sowjetischen Welt eingeführten Veränderungen feierte, bestand darin, daß diese nun nach Meinung vieler Anlaß zur Hoffnung geben, die Reformen in denen viele im derzeitigen Zustand den Beginn der Demokratisierung sehen - werden schließlich nach und nach die volle Effektivität des repräsentativen demokratischen Systems erreichen.

Es geht hier nicht darum, die objektiven Voraussetzungen für solcherlei Erwartungen zu überprüfen. Wir haben sie lediglich erwähnt, weil wir damit deutlich machen wollten, daß die repräsentative Demokratie von vielen unserer Zeitgenossen als der gemeinsame politische Nenner angesehen wird, dem alle mit Freude entgegenstreben.

Wenn eine zukünftige Weltordnung alle oder auch nur einen Teil der Früchte bringen soll, die so viele Menschen von ihr erwarten, ist es unumgänglich, daß die auf derzeit auf ihrem Höhepunkt angelangte politische Demokratie sowohl von denen, die ihr Beifall zollen, als auch von denen, die zwar nicht ganz so weit gehen, sie aber dennoch mit wohlwollender Sympathie betrachten, auch wirklich ernst genommen wird.

So haben nähere und entferntere Vertreter der repräsentativen Demokratie das Recht und sogar die Pflicht, von den Medien ständig und unnachgiebig zu verlangen, daß sie dem Volke gemäß der prägnanten, anerkannten Formel stets „die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit" sagen. Damit die Sachlichkeit keinen Schaden nehme, ist diese Wahrheit dem Volk ohne „Ausschmückungen" und natürlich auch ohne nicht wenigerverschönernde" Auslassungen zur Kenntnis zu bringen. Denn wenn die Entscheidung beim Volke liegen soll, dann muß dieses auch die Tatsachen, nach denen es seine Entscheidung zu treffen hat, in ihrer ganzen Klarheit und ihrem vollen Umfang kennen, da die politische Demokratie sonst zum Schwindel wird. Der gemeinsame Nenner, auf dem sich Ost und West zu treffen gedenken, wäre dann nichts als eine grobe Lüge. Das aber würde bedeuten, daß Ost und West auf eine Utopie, auf das Nichts, auf eine Weltkatastrophe zusteuern.

Die vielen Politiker, Denker und Schriftsteller, die das Recht oder gar die Pflicht zu haben glauben, der Öffentlichkeit durch „behutsames", uneigennütziges Verschweigen den einen oder anderen Teil der politischen Wirklichkeit in der Absicht vorzuenthalten, den weltweiten Annäherungsprozeß auf dem Gebiet demokratischer Konvergenz nicht zu verzögern, scheinen nicht zu merken, daß sie damit den Weg zu dieser selben Konvergenz aushöhlen. Sie haben nicht erkannt, daß die Massen sehr wohl und instinktiv den hohlen Klang unter ihren Schritten vernehmen, wenn sie den Boden zurechtgemachter oder unvollständiger Auskünfte beschreiten. Die Folge ist, daß sie nach und nach das Interesse an dem wirklichkeitsfremden politischen Panorama verlieren, das ihnen die Medien vorgegaukelt haben, und Verdrossenheit breitet sich im politischen Bereich aus. Unmerklich erfaßt die Wählermassen der Zweifel. Die Politiker verlieren ihre Repräsentativität und beginnen, sich um ihre eigene Achse, ihre eigenen Mythen, „Geheimnisse" und Interessen zu drehen. Niemand fühlt sich von ihnen angezogen oder beeinflußt. Und auch sie selbst interessieren sich für niemanden mehr. So werden sie zu einem Baum mit vertrockneten Wurzeln. Ihr Ende nähert sich. Der Hauch eines wilden Sturmes, das heißt einer großen Krise in Denken und Kultur oder aber in Gesellschaft und Wirtschaft, wirft sie nieder, und mit ihr die von ihr verkörperte Demokratie. Oder aber es geschieht dies durch den starken Arm eines Holzfällers, mit anderen Worten, eines nach Allmacht strebenden Demagogen.

Wehe aber der durchdemokratisierten Welt von morgen, wenn diese universelle Demokratie zu Fall kommen sollte und ihre unerbittliche Alternative, der Despotismus der Massen oder der Omniarchen, das Haupt erhebt!

Es ist also sehr wichtig - und zwar für die Demokraten mehr als für andere -, daß in dieser Zeit, die von der weitaus größten Mehrheit der Medien als nachkommunistische Zeit bezeichnet wird, mit allem Nachdruck die Einführung systematischer Verschönerungen und Auslassungen vermieden wird und daß dem Volk - allen Völkern - „die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit" aufgetischt wird.

Dieser Gedanke hat den Verfasser dieses jetzt auch in Österreich zur Veröffentlichung kommenden Werkes - es handelt sich um Professor Plinio Corrêa de Oliveira, eine prominente, in Süd-, Mittelund Nordamerika sowie in verschiedenen Ländern Europas bereits bekannte Persönlichkeit - dazu veranlaßt, sich folgenden Problemen zu stellen:

1. Nehmen wir einmal an, daß die kommunistischen Regierungen, Parteien, Linien und Gruppierungen wirklich unter dieser Bezeichnung vom Erdboden verschwinden. Diese Möglichkeit ist für viele bereits Gewißheit, während ihr andere noch skeptisch gegenüberstehen. Auf jeden Fall bildet der internationale Kommunismus, egal ob mit dieser oder ohne diese Etikettierung, auch heute noch eine ungeheure Macht, denn zu seinem Einflußbereich gehören nach wie vor die Weiten Chinas und der Gelben Welt auf dem asiatischen Erdteil; er verfügt noch über Reste an Macht im wankenden politischen Gebilde Sowjetrußlands; Theoretiker und Praktiker überleben in den Wirren der „ehemals kommunistischen" Länder; fast überall auf der Welt gibt es weiterhin Einigkeit und Disziplin an den Tag legende kommunistische Parteien.

2. Auf einem beträchtlichen Teil unserer Erde gilt es nicht einmal als sicher, daß die Reformen Gorbatschows auch wirklich von allen Kommunisten gutgeheißen wurden. Gegen sie sträubt sich zum Beispiel der kubanische Diktator Fidel Castro, wenn er behauptet, daß er die kommunistische Orthodoxie verteidigen werde, selbst wenn es „auf der Welt sonst keiner mehr tut" (O Estado de S. Paulo, 31.10.89). Dieser Diktator übt auf katholische Kreise in Brasilien immer noch einen großen Einfluß aus; so nannte ihn der KardinalErzbischof von Sao Paulo, Paulo Evaristo Arns, in einem Brief zum Weihnachtsfest 1988Geliebtester Fidel" und hatte für sein offiziell gegen die „Perestroika" gerichtetes Regime folgende Worte übrig: „Heute darf sich Kuba rühmen, auf unserem durch die Auslandsschuld verarmten Kontinent ein Modellfür soziale Gerechtigkeit zu sein " (O Estado de S. Paulo, 19.1.89).

So besteht der Kommunismus weiter und zwar als eine beträchtliche Macht, selbst wenn die Reformen Gorbatschows keine kommunistische Zielsetzung haben und sie tatsächlich zu Ende kommen sollten - auch dies sind ja nichts als zwei weitere Hypothesen.

Unter diesen Voraussetzungen stellt das vorliegende Werk, dem es um eine Untersuchung dieser zwar angeschlagenen aber immer noch starken Macht geht, die Frage, ob den bereits leidlich bekannten Aspekten neue hinzuzufügen wären, die sich etwa aus der Analyse der ungeschminkten kommunistischen Wirklichkeit ergeben, welche im Verlauf dieser Tage der Hoffnung und Unsicherheit infolge der von Gorbatschow eingeführten Änderungen vor den Augen einer erschrockenen Welt aufgetaucht sind.

Professor Plinio Corrêa de Oliveira antwortet auf diese Fragestellung mit einer Klarheit, die manchen vielleicht unangebracht scheinen mag, denn es wäre ihnen lieber, daß der Finger nicht auf gewisse Wunden gelegt würde. Die Antwort des Vorsitzenden des Nationalrates der brasilianischen TFP bleibt jedoch unverändert gleich: Nichts wäre gerade in diesem Augenblick unangebrachter als eine auf Verschönerung und Auslassung gestützte Publizität und die sich daraus ergebende Verfälschung der repräsentativen politischen Demokratie, denn überall auf der Welt wird sie ja heute als die große Errungenschaft angepriesen, die der Westen zwar schon längst zu eigen hatte, von den Ländern des Ostens aber nun erst langsam im Zuge einer weltweit konvergierenden Bewegung erobert zu werden beginnt.

Die vorliegende Studie wurde ursprünglich zur Verbreitung in Brasilien verfaßt. Nach dem Erscheinen des Textes in seiner Heimat werden an den Autor immer wieder Bitten aus den verschiedensten Ländern Amerikas und Europas herangetragen, er möge doch auch der Übersetzung in die jeweilige Landessprache zustimmen. Diesen Bitten ist er bisher gern nachgekommen.

Mit ganz besonderer Genugtuung hat er denn auch einem entsprechenden Ersuchen der Österreichischen Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum stattgegeben, gilt doch diesem Land infolge des tiefen, förderlichen Einflusses, den die deutsche Kultur auf seine Bildung ausgeübt hat, seine besondere Bewunderung.

Er hält es allerdings für angebracht, daß der österreichische Leser vorweg zwei Überlegungen zur Kenntnis nimmt:

1. Gewisse Themen und Tatsachen, auf die im Text näher eingegangen wird, wie zum Beispiel die Agrarreform und die aufsehenerregenden Pressekampagnen (in der dreißigjährigen dynamischen Geschichte der brasilianischen TFP waren es immerhin 12), mögen vielleicht einem mit der brasilianischen Wirklichkeit weniger vertrauten Leser fremd und unverständlich erscheinen. Diese sind deshalb aus einem gesonderten brasilianischen Blickwinkel zu betrachten.

2. Wenn im Text von politischen Fehlern der Westmächte bei ihren Hilfeleistungen gegenüber Ländern hinter dem heute zerstörten Eisernen Vorhang und ähnlichen Themen die Rede ist, so bestand nicht die Absicht, auch die Bundesrepublik Deutschland in diese Beurteilung einzubeziehen, denn diese sah sich ja nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in eine Lage versetzt, die keinen Vergleich mit anderen Ländern zuläßt. Dazu gehörte sicherlich auch die Pflicht, dem östlichen Deutschland Hilfe und Beistand zu leisten, mit dem zusammen sie moralisch gesehen weiterhin ein einziges Vaterland bildete. Im Hinblick auf die Thematik dieser Abhandlung müssen demnach die beiden deutschen Teilstaaten politisch und wirtschaftlich in einem völlig anderen Licht gesehen werden als die Gesamtheit der Beziehungen des Westens zur kommunistischen Welt.

Österreichische Gesellschaft zum Schutz von Tradition Familie un Privateigentum

Wien 1994

 




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