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Plinio Corrêa de Oliveira
Revolution und Gegenrevolution

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Einführung

( Aus ZeitschriftCatolicismoSão Paulo, Brasilien, Jänner 1951)

 

Heute erscheint die hundertste Nummer des Catolicismo, und um dieses Ereignis besonders zu würdigen, erhält die vorliegende Ausgabe eine ganz besondere Note, die dazu dienen soll, die sowieso schon innige Seelenkommunikation mit den Lesern noch mehr zu vertiefen 1.

Nichts aber schien dafür geeigneter als die Veröffentlichung eines Artikels zum Thema Revolution und Gegenrevolution.

Die Wahl des Themas läßt sich leicht erklären. Der Catolicismo ist eine kämpferische Zeitung, und als solche ist er vor allem im Lichte des Ziels zu beurteilen, das sein Kampf im Auge hat. Gegen wen richtet sich denn sein Kampf? Vielleicht hinterläßt die Lektüre seiner Seiten in dieser Hinsicht ein nicht genügend definiertes Bild. Oft werden hier Kommunismus, Sozialismus, Totalitarismus, Liberalismus, Liturgizismus, Maritainismus und eine Reihe weiterer Ismen widerlegt. Dennoch kann man nicht sagen, daß es uns um einen von ihnen ganz besonders ginge und daß man uns von daher näher definieren könnte. Es wäre sicherlich übertrieben behaupten zu wollen, daß der Catolicismo ein ausgesprochen antiprotestantisches oder antisozialistisches Blatt sei. Demnach würde es sich also um eine Zeitung mit verschiedenen Zielsetzungen handeln. Wenn man jedoch den Blickwinkel ins Auge faßt, den die Zeitung hat, so haben alle diese Zielpunkte eine Art gemeinsamen Nenner, um den es ihr letzten Endes immer geht.

Was für ein gemeinsamer Nenner ist dies? Eine Lehre? Eine Kraft? Eine Meinungsströmung? Man kann hier wohl erkennen, wie eine Klarstellung in dieser Hinsicht dazu beitragen kann, das Werk der Meinungsbildung, das der Catolicismo im Laufe dieser hundert Monate geleistet hat, bis in seine letzten Tiefen zu verstehen.

Das Studium der Revolution und der Gegenrevolution geht in seinem Nutzen weit über dieses beschränkte Ziel hinaus.

Ein Blick auf das religiöse Panorama unseres Landes kann dies deutlich machen. Statistisch gesehen nehmen die Katholiken eine hervorragende Stelle ein, denn nach den letzten amtlichen Daten machen wir ganze 94% der Bevölkerung aus. Wenn tatsächlich alle Katholiken das wären, was sie sein sollten, wäre Brasilien heute eine der bewundernswertesten katholischen Mächte, die im Laufe der zwanzig Jahrhunderte alten Kirchengeschichte je auf den Plan getreten sind.

Warum aber sind wir von diesem Ideal so weit entfernt? Wer könnte behaupten, daß der Spiritismus, der Protestantismus, der Atheismus oder der Kommunismus die Hauptschuld an unserer heutigen Lage tragen? Nein, der wirkliche Grund ist ein anderer - er ist ungreifbar, subtil, durchdringend wie machtvolle, furchterregende Radioaktivität. Alle spüren ihre Wirkung, aber wenige kennen sie ihrem Namen und Wesen nach.

Bei dieser Feststellung richten sich unsere Gedanken auch über Brasilien hinaus auf die uns so teuren ibero-amerikanischen Bruderländer und von da aus weiter auf alle katholischen Nationen. In allen ist es dasselbe Böse, das seine unbestimmte, überwältigende Macht ausübt. Und in allen ruft es die Anzeichen einer tragischen Größe hervor. Hier nur ein Beispiel von vielen. In einem 1956 aus Anlaß des nationalen Danksagungstages an S.E. den Kardinal-Erzbischof von Säo Paulo, Carlos Carmelo de Vasconcellos Motta, gerichteten Schreiben erklärte Mgr. Angelo Dell' Acqua, stellvertretender Staatssekretär des Vatikans, daß infolge des religiösen Agnostizismus bei den Völkern das Gefühl für die Kirche in der modernen Gesellschaft abgeschwächt, wenn nicht fast ganz verloren gegangen sei. Wer aber hat der Braut Christi diesen schrecklichen Schlag versetzt? Wo liegt der tiefere Grund für dieses und manch anderes, mit diesem einhergehenden und verwandten Übel? Wie sollen wir es nennen? Zu welchen Mitteln greift es? Wo liegt das Geheimnis seines Sieges? Wie ist es erfolgreich zu bekämpfen?

Man sieht also, daß kaum ein anderes Thema größere Aktualität für sich beanspruchen kann.

Der furchtbare Feind hat einen Namen: Er heißt Revolution. Sein tieferer Grund ist ein Ausbruch des Hochmutes und der Sinnlichkeit, der nicht ein System, sondern, wie wir besser sagen würden, eine ganze Reihe von ideologischen Systemen inspiriert hat. Seine weltweit bereitwillige Aufnahme hat zu den drei großen Revolutionen der abendländischen Geschichte geführt: zur Pseudoreformation, zur Französischen Revolution und zum Kommunismus 2.

Der Hochmut führt zum Haß gegen alles Höhere und damit zu der Behauptung, die Ungleichheit sei auf allen Ebenen, inklusive und vor allem auch auf der metaphysischen und religiösen, ein Übel an sich. Es ist dies der egalitäre Aspekt der Revolution.

Die Sinnlichkeit neigt an sich schon dazu, alle Barrieren niederzureißen. Sie läßt sich keine Zügel anlegen und führt zum Aufstand gegen jede Art von Autorität und Gesetz, ganz gleich, ob diese göttlichen oder menschlichen, kirchlichen oder zivilen Ursprungs sind. Es ist dies der liberale Aspekt der Revolution.

Die beiden, letzten Endes metaphysischen Aspekte scheinen sich verschiedentlich zu widersprechen, versöhnen sich jedoch in der marxistischen Utopie von einem anarchischen Paradies, in dem die hoch entwickelte und von jeder Religionbefreite" Menschheit ohne politische Autoritäten und in völliger Freiheit, die allerdings keinerlei Ungleichheit mit sich bringen soll, in einer umfassenden Ordnung leben werde.

Die Pseudoreformation war die erste Revolution. Sie hat den Geist des Zweifels, den Liberalismus in der Religion und, je nach dem Charakter der aus ihr hervorgegangenen Sekten, einen mehr oder weniger deutlichen Egalitarismus in der Kirche eingeführt.

Auf sie folgte die Französische Revolution und damit der Triumph des Egalitarismus auf zwei Gebieten. Auf religiösem Gebiet machte sich dieser in Form des trügerisch als Laizismus bezeichneten Atheismus breit, und auf politischem Gebiet zeigte er sich mit dem unrichtigen Grundsatz, daß jede Form von Ungleichheit ein Unrecht, alle Autorität eine Gefahr, die Freiheit aber das höchste Gut sei.

Der Kommunismus überträgt dann diese Grundsätze auch auf den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich.

Diese drei Revolutionen sind nichts weiter als Episoden einer einzigen großen Revolution, zu der auch als Etappen des Übergangs oder als eine Art abgeschwächter Erscheinungsformen, der Sozialismus, der Liturgizismus, die „politique de la main tendue" usw. gehören.

Ein Vorgang von solcher Tiefe, Tragweite und Länge zieht wohl oder übel alle Bereiche menschlichen Lebens in seinen Bann, so zum Beispiel die Kultur, die Kunst, die Gesetze, die Sitten und die Institutionen.

Eine detaillierte Betrachtung der Auswirkungen dieses Prozesses auf allen Gebieten, die er berührt, würde den Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen.

Indem wir uns auf einen einzigen Aspekt dieses weiten Themas beschränkten, haben wir deshalb versucht, im Überblick die Umrisse dieser ungeheuren Lawine, die sich Revolution nennt, aufzuzeigen, sie beim rechten Namen zu nennen, kurz ihre tieferen Gründe anzugeben, sowie die sie treibenden Kräfte, die Grundlagen ihrer Doktrin, die Bedeutung der verschiedenen Gebiete, auf denen sie jeweils ihre Wirkung ausübt, ihre dynamische Kraft und den „Mechanismus" ihrer Verbreitung zu kennzeichnen. Parallel dazu behandelten wir dann die entsprechenden Punkte unter dem Blickwinkel der Gegenrevolution und beschäftigten uns schließlich mit einigen Voraussetzungen für deren Sieg.

Dennoch war es uns nicht möglich, von einem jeden der hier angesprochenen Themen mehr als jene Teilbereiche näher zu beleuchten, die uns im Augenblick zur Aufklärung unserer Leser am nützlichsten schienen, und ihnen so den Kampf gegen die Revolution leichter zu machen. Viele Punkte von außerordentlicher Wichtigkeit, die jedoch derzeit weniger dringlich scheinen, mußten wir beiseite lassen.

Die hier vorliegende Arbeit bildet, wie bereits gesagt, eine einfache Ansammlung von Thesen, mit deren Hilfe es möglich sein sollte, den Geist und das Programm des Catolicismo näher kennenzulernen. Es würde über die ihr gesetzten natürlichen Grenzen hinausgehen, wollte man jeder Feststellung eine umfassende Beweisführung zugrundelegen. Wir haben uns lediglich darum bemüht, wenigstens soviel an Argumentation vorzubringen, als zum Herausstellen der zwischen den verschiedenen Thesen bestehenden Zusammenhänge und für die Übersicht über einen ganzen Bereich unseres Lehrsystems, notwendig erschien.

Da der Catolicismo fast überall in der westlichen Welt gelesen wird, hielten wir es für angebracht, eine Übersetzung dieser Arbeit als Sonderdruck zu veröffentlichen. Wir haben dem Französischen den Vorzug gegeben, weil es die traditionelle Sprache der Diplomatie ist und unter allen Sprachen der katholischen Welt den größten Bekanntheitsgrad aufweist.

Dieser Essay kann auch zu einer Art Umfrage führen. Wie denken die, sicherlich zu den Hauptgegnern der Revolution gehörenden Leser des Catolicismo, innerhalb und außerhalb Brasiliens über Revolution und Gegenrevolution? Wenn sich auch unsere Thesen nur mit einem Teil der Thematik befassen, können sie doch dem einzelnen zum Anlaß dienen, sich einmal selbst diese Fragen zu stellen und uns seine Antwort zukommen zu lassen. Wir sehen dieser mit größtem Interesse entgegen.

 

 




1) Anmerkung des Herausgebers: Diese Einführung wurde in der Ausgabe Nr. 100 des Catolicismo im April 1959 veröffentlicht.



2) Vgl. Leo XIII., Enzyklika Parvenu à la Vingt-Cinquième Année, vom 19.3.1902, Bonne Presse, Paris, Bd. VI, S. 279.




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