Zum Rückgang der unmittelbaren
Überzeugungskraft des roten Credos gegenüber der Masse, den man im Rückgriff
auf derartige indirekte, langsame und mühevolle Mittel erkennen kann, gesellt
sich noch ein entsprechender Niedergang der revolutionären Führungskraft des
Kommunismus.
Untersuchen wir nun, wie sich die
entsprechenden Erscheinungen äußern und welche Ergebnisse sie zeitigen.
a. Haß, Klassenkampf, Revolution
Die kommunistische Bewegung ist im
wesentlichen eine aus dem Klassenhaß hervorgegangene Revolution, und als solche
versteht sie sich auch selbst. Die Gewalt ist die ihr gemäßeste Methode. Mit
dieser direkten, blitzartig vorgehenden Methode erhofften sich die Anführer des
Kommunismus mit dem geringsten Versagensrisiko in kürzester Zeit die besten
Ergebnisse.
Voraussetzung für einen
erfolgreichen Einsatz dieser Methode ist die Führungskraft der verschiedenen
KPs, die es ihnen möglich macht, Unzufriedenheit zu schaffen, diese
Unzufriedenheit in Haß und den Haß hinwieder in eine ungeheure Verschwörung zu
verwandeln, die „nukleare" Sprengkraft dieses Hasses zerstört die
gegenwärtige Ordnung und öffnet damit der Einführung des Kommunismus den Weg.
b. Niedergang der Führung des Hasses und des Einsatzes von Gewalt
Nun entgleitet aber nach und nach
auch diese Führung des Hasses den Händen der Kommunisten.
Wir wollen uns hier nicht lange mit
Erklärungen über die komplexen Gründe dieser Tatsache aufhalten. Nur soviel
soll erwähnt werden: Die Gewalt hat dem Kommunismus im Laufe der letzten
zwanzig Jahre immer geringere Vorteile verschafft. Als Beweis genügt der
Hinweis auf das unabänderliche Scheitern der Guerrilla-Kämpfe und des Terrorismus
in vielen Teilen Lateinamerikas.
Es stimmt natürlich, daß die
Gewaltanwendung in Afrika fast einen ganzen Kontinent dem Kommunismus in die
Arme treibt. Doch hat dieses Geschehen wenig mit dem Trend der Öffentlichkeit
in der übrigen Welt zu tun, denn die Primitivität des größten Teils der
angestammten Bevölkerung dieses Kontinents sorgt hier für ganz besondere,
unverwechselbare Zustände. Die Gewalt hat hier ihre Anhänger nicht in erster
Linie einer ideologischen Motivation zu verdanken, sondern vor allem auch
antikolonialistischen Ressentiments, deren sich die kommunistische Propaganda
mit gewohnter Schläue zu bedienen wußte.
c. Ergebnis und Beweis des Niedergangs: Die III. Revolution
verwandelt sich in eine
lächelnde Revolution
Der deutlichste Beweis dafür, daß
die III. Revolution in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren ihre Fähigkeit,
den revolutionären Haß hervorzurufen und anzuführen zusehends eingebüßt hat,
liegt in der sich selbst verordneten Umwandlung.
Im Zuge des nach Stalins Tod im
Westen aufkommenden Tauwetters setzte sich die III. Revolution eine lächelnde
Maske auf und schaltete von Polemik auf Dialog um, täuschte eine Änderung von
Mentalität und Haltung vor und war nun auf einmal zu jeder Art von
Zusammenarbeit mit den Gegnern bereit, die sie vorher mit Gewalt zu vernichten
gedroht hatte.
Auf internationaler Ebene ging die
Revolution zunächst vom Kalten Krieg zur friedlichen Koexistenz über, danach
fielen die „ideologischen Barrieren" und schließlich kam es zur offenen
Zusammenarbeit mit den kapitalistischen Mächten; im Pressejargon prägte man
dafür die Begriffe Ostpolitik oder détente.
Auf innenpolitischer Ebene
verschiedener Länder des Westens hat sich die „politique de la main tendue
", die zu Stalins Zeiten noch als reiner Vorwand zur Täuschung kleiner
linksgerichteter katholischer Minderheiten gedient hatte, in eine wahre détente
zwischen Kommunisten und Befürwortern des Kapitalismus verwandelt, in das
ideale Instrument der Roten, die damit herzliche Beziehungen und hinterhältige
Annäherungen zu allen ihren Gegnern herstellen, ganz gleich ob diese dem
geistlichen oder weltlichen Bereich zuzuordnen waren. Es kam nun zu einer Reihe
von „freundschaftlichen" Taktiken wie etwa der der „Weggenossen", der
des gesetzeskonformen, liebenswürdigen. Moskau gegenüber vorsichtigen
Eurokommunismus, der des historischen Kompromisses usw.
Wir haben es bereits vorweggenommen:
All diese Strategien haben sich inzwischen vorteilhaft für die III. Revolution
erwiesen, wenn sie auch nur langsam und schrittweise greifen und ihre
Ergebnisse von tausend veränderlichen Größen abhängig sind.
Auf der Höhe ihrer Macht angekommen,
hat die III. Revolution ihre Drohungen und Angriffe eingestellt und ist nun
dazu übergangen, zu lächeln und zu bitten. Statt weiterhin im militärischen
Schritt der Kosakenstiefel vorwärts zu streben, geht sie nun gemächlich in
diskretem Schritt vor. Sie hat den direkten, kürzeren Weg aufgegeben, um sich
für einen Zickzackkurs zu entscheiden, der eine Menge an Unsicherheit mit sich
bringt. - Was für ein Wandel in zwanzig Jahren!
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