In der Einführung haben wir diese
Entwicklung bereits in großen Zügen aufgezeigt. Hier soll nun auf einige
Einzelheiten näher eingegangen werden.
Im 14. Jahrhundert zeichnet sich im
christlichen Europa eine Mentalitätsänderung ab, die dann im Verlauf des 15.
Jahrhunderts immer deutlichere Züge annimmt. Das Streben nach irdischen Freuden
wächst sich zu einer wahren Gier aus. Die Vergnügungen werden immer häufiger
und prunkvoller, und die Menschen schenken ihnen immer mehr Aufmerksamkeit. Der
wachsende Hang zu einem lustund phantasievollen Sinnesleben zeitigt in
Kleidung, Sitten, Sprache, Literatur und Kunst immer deutlichere Anzeichen der
Sinnlichkeit und Verweichlichung. Ernst und Strenge früherer Zeiten
verschwinden zusehends, alles gewinnt einen strahlenden, anmutigen, festlichen
Charakter. Die Herzen wenden sich nach und nach von der Opferfreudigkeit, von
der wahren Kreuzesverehrung und dem Streben nach Heiligkeit und nach dem ewigen
Leben ab. Das Rittertum, einst Höhepunkt christlicher Zucht, neigt zu Amouren
und Gefühlsduselei; die Liebesdichtung erobert die Länder, übertriebener Luxus
und eine damit einhergehende Gewinnsucht sind in allen Gesellschaftsschichten
zu finden.
Das Vordringen dieses Sittenwandels
auch auf die geistigen Bereiche brachte hier deutliche Anzeichen des Hochmutes
hervor, wie zum Beispiel den Geschmack an leeren, prunkvollen Streitgesprächen,
an inkonsistenten Spitzfindigkeiten und Auftritten prahlerischer Gelehrsamkeit;
alte philosophische Tendenzen, die die Scholastik bereits überwunden hatte,
schmeichelten sich wieder ein und tauchten, da der frühere Eifer für die
Unversehrtheit des Glaubens nachließ, unter neuem Blickwinkel wieder auf. Der
Absolutismus der Legisten, die sich stolz auf ihre Kenntnisse des römischen
Rechts beriefen, stieß bei ehrgeizigen Fürsten auf geneigte Ohren. Im gleichen
Zuge ging bei hoch und niedrig auch die frühere Entschlossenheit zurück, die
königliche Macht in jene legitimen Grenzen aus der Zeit Ludwigs des Heiligen
und des Hl. Ferdinand von Kastilien zurückzuweisen.
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