Die hier angestellten Überlegungen in
bezug auf den Standpunkt der Revolution und des katholischen Denkens gegenüber
den verschiedenen Regierungsformen werden bei manchem Leser zu der Frage
führen, ob die Diktatur ein Element der Revolution oder der Gegenrevolution
ist.
Um auf
diese Frage, für die bereits so viele unklare, ja sogar tendenziöse Lösungen
angeboten wurden, eine klare Antwort zu geben, ist es notwendig, zuerst einmal
gewisse Elemente zu unterscheiden, die sich bei dem Begriff Diktatur, wie sie
vom Publikum allgemein verstanden wird, in wildem Durcheinander überlagern.
Dabei wird die Idee der Diktatur mit den konkreten Formen verwechselt, die sie
in unserem Jahrhundert tatsächlich angenommen hat, das heißt, die öffentliche
Meinung versteht darunter einen Zustand, in dem ein mit unbegrenzter Macht
ausgestatteter Führer das Land regiert. Einige behaupten nun, daß dies dem
entsprechenden Lande zum Vorteil gereiche, während andere behaupten, es sei zu
seinem Nachteil. In beidem Fällen spricht man jedenfalls von einer Diktatur.
Nun enthält dieser Begriff aber zwei
ganz unterschiedliche Elemente:
- die Allmacht des Staates;
- die Konzentration der Staatsmacht
in den Händen einer einzigen Person.
Aus der Sicht der öffentlichen
Meinung scheint das zweite Element mehr Aufmerksamkeit zu verdienen. Dabei ist
das erstgenannte viel grundlegender, vorausgesetzt natürlich, wir verstehen
unter Diktatur einen Zustand, in dem die öffentliche Gewalt infolge der
Aufhebung jeglicher Rechtsordnung nach ihrem Gutdünken über alle Rechte
verfügt. Nun kann aber eine Diktatur offensichtlich auch vom König ausgeübt
werden (die Diktatur des Königs, das heißt, die Aufhebung jeglicher
Rechtsordnung und damit die unumschränkte Ausübung der öffentlichen Gewalt
durch den König darf keinesfalls mit dem Ancien Rdgime, das ja eine große
Anzahl von Garantien bewahrte, und schon gar nicht mit der organischen
Monarchie des Mittelalters verwechselt werden) oder von einem Volksführer, vom
Erbadel, einer Bankiersfamilie oder sogar von der Masse selbst.
An sich ist die Diktatur eines
Führers oder einer Gruppe von Personen weder revolutionär noch
gegenrevolutionär; eine solche Bezeichnung wird erst dann sinnvoll, wenn man
die Umstände berücksichtigt, aus der die Diktatur hervorgegangen ist, und die
Ergebnisse, die sie zeitigt, egal, ob sie nun von einem einzelnen oder einer
Gruppe von Leuten ausgeübt wird.
Es gibt Umstände, die zur salus
populi die vorübergehende Aufhebung aller individuellen Rechte und die Ausübung
einer weitergefaßten öffentlichen Gewalt verlangen. Insofern kann eine Diktatur
in bestimmten Fällen also durchaus legitim sein.
Eine gegenrevolutionäre und damit
ganz von dem Wunsch nach Ordnung geleitete Diktatur hat demnach drei
wesentliche Voraussetzungen zu erfüllen:
• Sie darf das Recht nicht aufheben,
um die Ordnung umzustürzen, sondern um sie zu schützen. Dabei verstehen wir
unter Ordnung nicht nur eine materielle Ruhe, sondern, entsprechend der
jeweiligen Wertskala, die Ausrichtung der Dinge auf ihr Ziel hin. Im Grunde
handelt es sich nur um eine scheinbare Aufhebung des Rechts, denn die
rechtmäßigen Garantien werden nur insoweit geopfert, als es den schädlichen
Elementen untersagt wird, Ordnung und Gemeinwohl zu mißbrauchen; das Opfer
zielt also lediglich auf den Schutz der wahren Rechte der Guten ab.
• Diese Aufhebung der Rechte hat
schon vom Begriffsinhalt her vorübergehend zu sein und muß dafür Sorge tragen,
daß so schnell wie möglich die Voraussetzungen für eine Rückkehr zu Ordnung und
Normalität geschaffen werden. Eine Diktatur macht sich in dem Maße überflüssig,
in dem sie gut ist. Die Staatsgewalt kann nur zu dem Zweck in die verschiedenen
Bereiche des öffentlichen Lebens eingreifen, daß diese so schnell wie möglich
wieder ihre notwendige Selbständigkeit erlangen. So muß jede Familie in die
Lage versetzt werden, all das zu tun, was sie aus eigenem Vermögen zu leisten
vermag. Gesellschaftliche Organe, die über ihr stehen, haben sie nur in den
Bereichen subsidiär zu ersetzen, wo sie sich überfordert sieht. Diese Organe
ihrerseits dürfen vom Gemeinwesen nur dann Unterstützung erhalten, wenn sie
sich nicht selbst helfen können; und dieses Prinzip pflanzt sich auf die Region
als Ganzes und auf das Land fort.
• Heute hat das wichtigste Ziel der
legitimen Diktatur die Gegenrevolution zu sein. Damit soll natürlich nicht
behauptet werden, daß die Diktatur normalerweise zur Überwindung der Revolution
notwendig ist. Unter gewissen Umständen kann dies jedoch der Fall sein.
Es ist im Gegensatz dazu die
revolutionäre Diktatur, die sich zu verewigen trachtet, authentische Rechte
vergewaltigt und in alle gesellschaftlichen Bereiche vordringt, um sie durch
die Zerstörung des familiären Lebens, die Hintansetzung der ursprünglichen
Eliten, den Umsturz der gesellschaftlichen Hierarchie, die Verbreitung wirrer
Utopien und Ansprüche im Volke, die Erstickung des tatsächlich bestehenden
gesellschaftlichen Lebens und die Unterordnung aller Dinge unter den Staat -
mit einem Wort, durch die Förderung der Revolution - zu vernichten. Das
Hitlerregime war ein typisches Beispiel dieser Art von Diktatur.
Deshalb ist die revolutionäre
Diktatur auch zutiefst antikatholisch, denn in einer wirklich katholischen
Umgebung fehlen die Voraussetzungen für ihr Entstehen.
Das will jedoch nicht heißen, daß es
die revolutionäre Diktatur nicht versucht hat, der Kirche in verschiedenen
Ländern Vorteile zu verschaffen. Diese Haltung ist jedoch nichts als politische
Strategie, denn sobald die kirchliche Obrigkeit das Vordringen der Revolution
zu hindern beginnt, schlägt diese Stimmung in offene oder verschleierte
Verfolgung um.
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