IV KAPITEL
Wie das vorhergehende Kapitel zeigt,
ist der revolutionäre Prozeß eine schrittweise Entwicklung gewisser
ungeordneter Tendenzen des christlich-abendländischen Menschen und dadurch
bedingter Irrtümer.
In jedem Stadium erscheinen diese
Tendenzen und Irrtümer mit einem anderen Gesicht, denn die Revolution wandelt
sich im Laufe der Geschichte.
Diese Metamorphosen, die sich
allgemein in den Hauptlinien der Revolution feststellen lassen, kehren in
kleinerem Maßstab in jedem großen Abschnitt derselben wieder.
So bediente sich der Geist der
Französischen Revolution in seiner ersten Phase einer durchaus
aristokratischen, ja sogar kirchlichen Sprache und Maske, ging am Hofe aus und
ein und hatte seinen Sitz im Kronrat.
Später nahm er bürgerliche Züge an
und setzte sich nunmehr für die unblutige Beseitigung der Monarchie und des
Adels sowie für eine verschleierte, friedliche Abschaffung der katholischen
Kirche ein.
Bei der erstbesten Gelegenheit nahm
er die Haltung der Jakobiner ein und berauschte sich am Blut der
Terrorherrschaft.
Die Ausschreitungen des
Jakobinerklubs stießen jedoch auf Widerstand, und so durchlief er nun auf dem
Rückzug die selben Etappen wieder, allerdings in umgekehrter Richtung. Aus dem
Jakobiner wurde im Direktorium ein Bürgerlicher, und unter Napoleon streckte er
seine Hand wieder der Kirche entgegen und öffnete dem verbannten Adel Tür und
Tor; am Ende klatschte er sogar den zurückkehrenden Bourbonen Beifall. Das Ende
der Französischen Revolution bedeutet jedoch nicht den Abschluß des
revolutionären Prozesses. Mit dem Sturz Karls X. und dem Aufstieg
Louis-Philippes kommt er wieder zum Ausbruch, und von Wandel zu Wandel zieht er
aus Erfolgen und sogar aus Mißerfolgen Nutzen und erreicht so in unseren Tagen
seinen Höhepunkt.
Die Revolution nützt somit ihre
Metamorphosen nicht nur um vorzustoßen, sie versteht es auch, sich immer wieder
taktisch zurückzuziehen, wenn dies notwendig wird.
Manchmal täuscht die stets lebendige
Bewegung ihren Tod vor, und dies ist eine ihrer interessantesten Wandlungen.
Dem Anschein nach ist die Lage in einem bestimmten Land dann völlig ruhig. Die
Reaktion der Gegenrevolution räkelt sich und schläft ein. In den Tiefen des
religiösen, kulturellen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Lebens aber
gewinnt derweil der revolutionäre Gärungsprozeß immer mehr an Boden, und am
Ende dieses scheinbaren Stillhaltens kommt es dann plötzlich zu einem
unerwarteten Ausbruch, der in seiner Stärke oft die vorausgegangenen Ausbrüche
noch übertrifft.
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