GELEITWORT
Voller
Zustimmung übergebe ich der Öffentlichkeit das Dokument »Der Hunger
in der Welt. Eine Herausforderung für alle: solidarische Entwicklung«. Der
Päpstliche Rat »Cor Unum« hat es mit großer Sorgfalt erarbeitet, und
zwar auf Anweisung des Heiligen Vaters Johannes Pauls II. Der Nachfolger Petri
hat sich immer wieder zur Stimme derer gemacht, denen das Existenzminimum fehlt
— so auch in diesem Jahr in seiner Botschaft für die Fastenzeit: »Die
Masse der Hungernden, die aus Kindern, Frauen, alten Menschen, Auswanderern,
Flüchtlingen und Arbeitslosen besteht, erhebt zu uns ihren Schmerzensschrei.
Sie flehen uns an in der Hoffnung, Gehör zu finden«.
Das Dokument
steht auf dem Boden der von Christus seinen Jüngern hinterlassenen Lehre.
Jesu Person und Wort haben ja zur Mitte die Botschaft »Gott ist Liebe« (1
Joh 4, 8) - eine Liebe, die den Menschen erlöst und ihn seinem
vielfältigen Elend entreibt, um ihm seine volle Würde
zurückzugeben. Im Laufe der Jahrhunderte hat die Kirche auf unzählige
Weise diese Absicht Gottes vollzogen. Ihre Geschichte könnte auch geschrieben
werden als eine Geschicht der Liebe zu den Armen: Glaubende bezeugen ihren
bedürftigen Mitmenschen die Liebe Christi, der sein Leben für den
Nächsten gibt.
Die hier
veröffentlichte Studie möchte die Christen für ihren Dienst
zurüsten, sich der Not des heutigen Menschen anzunehmen. Die in ihr
behandelten Inhalte sind höchst aktuell. Sie zeigen den Hunger in der Welt
auf, sowie die ethischen Implikationen einer Problematik, die alle Menschen
guten Willens angeht. Die Publikation ist von besonderem Gewicht für die
Vorbereitung des Großen Jubiläums 2000, das die Kirche zu feiern
sich anschickt. Der Geist der Stellungnahme verdankt sich nicht irgendeiner
Ideologie, sondern er läßt sich von der Logik des Evangeliums leiten
und lädt dazu ein, die Nachfolge Christi im Alltag zu leben.
Ich kann mir
nur eine weite Verbreitung dieses Dokuments wünschen und hoffe, daß
es zur Formung des Gewissens beiträgt, damit sich die Menschen
stärker als bisher von Gerechtigkeit und Solidarität leiten lassen.
+ Kardinal Angelo Sodano
Kardinalstaatssekretär
Vatikanstadt,
den 4. Oktober 1996, Fest des Hl. Franz von Assisi.
DER HUNGER IN DER WELT
EINE HERAUSFORDERUNG FÜR ALLE: SOLIDARISCHE ENTWICKLUNG
»Der Umfang des
Problems führt uns zur Prüfung der Strukturen und Mechanismen im Bereich
der Finanzen und des Geldwertes, der Produktion und des Handels, die mit Hilfe
von verschiedenen politischen Druckmitteln die Weltökonomie beherrschen:
sie zeigen sich unfähig, die aus der Vergangenheit überkommenen
Ungerechtigkeiten aufzufangen oder den Herausforderungen und ethischen
Ansprüchen der Gegenwart standzuhalten. Indem sie den Menschen
selbstverursachten Spannungen aussetzen, in beschleunigtem Tempo die Reserven
an Rohstoffen und Energie vergeuden und den geophysischen Lebensraum schädigen,
bewirken sie, daß sich die Zonen des Elends mit ihrer Last an Angst,
Enttäuschung und Bitterkeit unaufhörlich weiter ausdehnen... Man wird
auf diesem schwierigen Weg der unbedingt notwendigen Veränderung der
Strukturen des Wirtschaftslebens nur dann Fortschritte machen, wenn eine wahre
Umkehr der Mentalität, des Willens und des Herzens stattfindet. Die
Aufgabe erfordert den entschlossenen Einsatz der Menschen und Völker in
Freiheit und Solidarität«.
(Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor
hominis, 1979, Nr. 16)
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