IV.
DAS JUBELJAHR 2000
EINE ETAPPE IM KAMPF GEGEN DEN HUNGER
Die
Jubeljahre: Gott geben, was Gottes ist
54. In seinem
Apostolischen Brief Tertio millennio adveniente, der aus Anlaß des
zweitausendsten Jahrestages der Geburt Christi verfaßt wurde, erinnert
Papst Johannes Paul II. an die alte Tradition der Jubelfeste im Alten
Testament, deren Wurzeln in der Tradition des Sabbatjahres liegen. Das
Sabbatjahr war eine Zeit, die man in besonderem Mabe Gott widmete. Gemäb
dem Gesetz des Mose wurde das Sabbatjahr alle sieben Jahre gefeiert. In diesem
Jahr lieb man die Erde ruhen, befreite Sklaven und erlieb Schulden. Das
Jubeljahr kehrte alle fünfzig Jahre wieder, und es weiterte die Vorschriften
des Sabbatjahres noch aus: Der israelitische Sklave wurde nicht nur befreit,
sondern er gelangte auch wieder in den Besitz des Landes seiner Väter.
»Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig, und ruft Freiheit
für alle Bewohner des Landes aus! Es gelte euch als Jubeljahr. Jeder von
euch soll zu seinem Grundbesitz zurückkehren, jeder soll zu seiner Sippe
heimkehren« (Lev 25, 10).
Folgender
theologischer Hintergrund stand hinter dieser Umverteilung: »Er konnte nicht
endgültig des Landes beraubt werden, da es Gott gehörte, noch konnten
die Israeliten für immer in einem Zustand der Knechtschaft verbleiben, da
Gott sie mit ihrer Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten für sich
als Alleineigentum »losgekauft« hatte«.(78)
Hier wird die
Forderung nach der universalen Bestimmung der Güter hörbar. Die
soziale Hypothek, die mit dem Recht auf Privateigentum in Zusammenhang steht,
kam regelmäßig als öffentlich gültiges Gesetz zum
Ausdruck, um das individuelle Fehlverhalten anzuprangern, das sich einer
Beseitigung dieser Hypothek verwehrte: Grenzenlose Verlockung des Geldes,
zweifelhafte Profite und andere Praktiken derer, die Eigentum und Vermögen
besaben und die bestritten, daß die geschaffenen Güter auf alle
gerecht zu verteilen sind.
Dieser
öffentlich-rechtliche Rahmen der Jubelfeste und Jubeljahre, der
später auf der Grundlage des Neuen Testaments erweitert wurde, war so
etwas wie der Grundstein der Kirchlichen Soziallehre. Sicherlich ist wenig vom
sozialen Ideal der Jubeljahre konkrete Wirklichkeit geworden. Dazu
bedürfte es einer Regierung, die in der Lage ist, die Gebote der
Vergangenheit durchzusetzen und deren Ziel es ist, eine gewisse soziale
Gerechtigkeit zu verwirklichen. Die soziale Autorität der Kirche, die sich
vor allem ab dem 19. Jahrhundert entwickelt hat, formulierte diese Gebote als
Ausnahmeprinzip, dessen Verwirklichung hauptsächlich Aufgabe des Staates
ist und das darauf zielt, jeden an den Gütern der Schöpfung teilhaben
zu lassen. Dieses Prinzip wird regelmäbig dem in Erinnerung gerufen und
vorgeschlagen, der ein offenes Ohr dafür hat.
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