Fehlende
Gerechtigkeit schädigt die Wirtschaft
57. Das Apostolische
Schreiben Tertio millennio adveniente schlägt ganz konkrete
Initiativen zur aktiven Förderung der sozialen Gerechtigkeit
vor.(82) Es ermuntert zur Suche weiterer Antworten auf das Problem des
Hungers und der Mangelernährung, die im Jubeljahr zum Tragen kommen
könnten.
Die Feier des
Jubeljahres ist besonders im wirtschaftlichen Bereich von großer
Wichtigkeit: Läßt man die Wirtschaft gewähren, so wird sie
kraftlos, denn sie sucht nicht mehr nach Gerechtigkeit. Jede Wirtschaftskrise
mit ihrem Höhepunkt, der Nahrungsmittelknappheit, ist nichts anderes als
eine Gerechtigkeitskrise, ein Mangel an Gerechtigkeit.(83) Das
auserwählte Volk im Alten Testament hat schon darum gewußt, und
heute müssen wir seine Erfahrung aktualisieren. Solche Krisen müssen
im Zusammenhang mit dem freien Markt analysiert werden: »Sowohl auf nationaler
als auch auf internationaler Ebene scheint der freie Markt das
wirksamste Instrument für die Anlage der Ressourcen und für die beste
Befriedigung der Bedürfnisse zu sein«.(84) Die Verwirklichung der
sozialen Gerechtigkeit festigt den Handelsaustausch: Jeder Mensch hat auf
diesen ein Recht, selbst wenn die Gefahr besteht, in einen ökonomischen
Neo-Malthusianismus zu verfallen mit seiner starren Vorstellung von sinnvollen
und praktikablen Lösungen.
Hier muß
festgehalten werden, daß Gerechtigkeit und Markt oft als zwei
Gegensätze gesehen werden. So wird der Mensch von seiner Verantwortung
für die soziale Gerechtigkeit entbunden. Die Forderung nach Gerechtigkeit
richtet sich nicht mehr an den einzelnen Menschen. Er scheint den Marktgesetzen
gegenüber ohnmächtig. Die Verantwortung hat angeblich der Staat,
genauer der Wohlfahrtsstaat.
Allgemein kann
man sagen, daß die verbreiteten Hinweise der Ethik dem Denken statt des
individuell gerechten Verhaltens nahelegen, Gerechtigkeit in Strukturen und
Vorgehensweisen zu suchen - ein theoretisches Gebilde ohne praktische
Auswirkung. Darüber hinaus erscheint das staatliche Fürsorgesystem
von außen wie von innen ausgelaugt. Es kann immer weniger eine wirklich
gerechte Verteilung garantieren, was sich negativ auf die
Leistungsfähigkeit der Wirtschaft eines Landes auswirkt. Sollte man nicht
einmal über die Beziehung zwischen dem mangelnden Einsatz des einzelnen für
die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit sowie seines maßvollen
wirtschaftlichen Verhaltens einerseits und andererseits der wachsenden
Ineffizienz der Verteilungsmechanismen, die sich auf die
Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft auswirkt, nachdenken?
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