2. Wie resigniert lautet die Äußerung:
„Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen; wie es dem Herrn gut
schien, so ist es geschehen"3). Knüpfen wir das gerissene
Eheband von neuem wieder an, so gehen wir also ohne Zweifel gegen den Willen
Gottes an und wollen wiederum besitzen, wovon er will, daß wir es nicht
besitzen sollen. Denn wenn er wollte, daß wir es besäßen, so würde er es uns ja
nicht weggenommen haben. Es müßte denn sein, wir stellten uns den Willen Gottes
so vor, daß er abermals wollen könne, was er schon nicht mehr wollte. Es
verträgt sich nicht mit dem echten und soliden Glauben, in der Weise alles auf
den Willen Gottes zurückzubeziehen und so jedem zu Gefallen zu sein, daß man
sagt, nichts geschehe ohne Gottes Geheiß, und dabei übersieht, daß ja auch
etwas auf uns ankommt4). Sonst würde jedes Verbrechen seine
Entschuldigung finden, wenn wir behaupten wollten, wir täten gar nichts ohne
den Willen Gottes, und es würde eine solche Behauptung zur Auflösung der
gesamten Sittenzucht, ja zur Vernichtung Gottes selbst führen;
wenn er Dinge ausführte, die sein
eigener Wille nicht will, oder wenn es gar nichts gäbe, was Gott nicht will.
Wie könnte er dann gewisse Dinge verbieten und für sie sogar eine ewige Pein
androhen? Was er verbietet, das kann er natürlich nicht wollen, sondern wird
dadurch sogar beleidigt; wie er denn auf der anderen Seite das, was er will,
vorschreibt, wohlgefällig aufnimmt und es mit ewiger Belohnung vergilt.
Wenn wir so aus
seinen Vorschriften beides erkannt haben, was er will und was er nicht will, so
bleibt uns doch unser heier Wille und die Selbstbestimmung, das eine oder das
andere zu wählen, wie geschrieben steht: „Siehe, ich habe dir vorgelegt Gutes
und Böses"5); denn du hast ja gegessen vom Baume der
Erkenntnis, Darum dürfen wir, was unserm freien Willen anheimgegeben ist, nicht
auf Rechnung des Willens Gottes setzen, weil es hinsichtlich dessen, was gut
ist, bei ihm, der das Böse nicht will, ein Wollen oder Nichtwollen nicht gibt.
Wenn wir daher etwas dem göttlichen Willen, der nur das Gute will,
Widersprechendes wollen, so ist das unser Wille, Fragt man nun weiter, woher
kommt dieser unser Wille, kraft dessen wir etwas dem göttlichen Willen
Widersprechendes wollen, so werde ich antworten: Aus uns selbst. Und zwar nicht
ohne Grund, Denn man muß dem Samen, woraus man entsprossen, notwendig entsprechen,
da der Stammvater sowohl des Geschlechtes als der Übertretung, Adam, die
Übertretung gewollt hat. Der Teufel hat ihm den Willen, eine Übertretung zu
begehen, nicht eingegeben, sondern er hat dem Willen nur den Stoff und Anlaß
dargeboten. Der Wille Gottes aber war gekommen, um befolgt zu werden.
Mithin wirst auch du,
wenn du Gott, der dich nach Vorlegung seines Gebotes mit Freiheit erschaffen
hat, nicht gehorchst, vermöge der Freiheit deines Willens freiwillig zu dem
abweichen, was Gott nicht will, und so mußt du dich für einen vom Teufel
Verführten halten, während er doch, obschon er wünscht, daß du
etwas wollest, was Gott nicht will,
doch nicht bewirkt, daß du es wollest. Denn er bezwang ja auch damals die
Erstgeschaffenen nicht in der Weise, daß sie die Übertretung wollten, ja sie
waren weder ohne den Willen noch ohne die Kenntnis dessen, was Gott nicht
wollte. Denn Gott hatte es jedenfalls nicht gewollt, da er für die begangene
Tat den Tod bestimmte. So vermag der Teufel nur eins zu tun: Dich zu versuchen,
ob du willst, weil das Wollen bei dir steht. Sobald du aber gewollt hast, so
folgt, daß er dich sich unterwirft; indem er in dir zwar nicht das Wollen
bewirkt, aber doch eine Gelegenheit für den Willen gefunden hat. Da also das
Wollen bei uns allein steht und darin eben unsere Gesinnung gegen Gott erprobt
wird, ob wir das wollen, was mit seinem Willen übereinstimmt, so muß man,
behaupte ich, tief und eindringlich über den Willen Gottes nachdenken, was
derselbe etwa im Verborgenen noch begehren könne.