4. Übrigens aber wissen wir in betreff
der zweiten Ehe, daß der Apostel mit unumwundenen Worten gesagt hat: „Bist du
von der Gattin gelöst, so suche keine Gattin wieder: allein wenn du eine
nimmst, so sündigst du nicht"10). Auch die in diesem
Ausspruch enthaltene Anordnung hat er ebenfalls nur kraft seines eigenen
Dafürhaltens, nicht kraft einer göttlichen Vorschrift eingeführt. Zwischen
einer göttlichen Vorschrift und dem Dafürhalten eines Menschen ist aber ein
großer Unterschied, „Eine Vorschrift des Herrn", sagt er, „habe ich nicht,
einen Rat aber gebe ich, wie einer, der vom Herrn Barmherzigkeit erlangt hat,
im Glauben treu zu sein." Sonst wird man weder im Evangelium noch in den
Briefen Pauli selbst eine Stelle finden, wo kraft einer göttlichen Vorschrift
die Wiederholung der Ehe erlaubt würde. Mithin bestätigt es sich, daß man nur
eine einzige schließen darf. Denn das, wozu sich nicht seitens des Herrn eine
Erlaubnis gegeben findet, kennzeichnet sich als verboten. Dazu kommt noch, daß
auch dieser bloß menschliche Rat, der da miteingeflossen ist, sich sofort, als
wäre er über sein eigenes Vorgehen bedenklich geworden, wieder selbst
beschränkt und widerruft, wenn Paulus sofort bemerkt: „Aber solche werden die
Bedrängnis des Fleisches empfinden"; wenn er sagt, „daß er ihrer
schone"; wenn er hinzufügt, „die
Zeit sei verkürzt, weshalb
diejenigen, welche in der Ehe leben, so sein müßten, als lebten sie nicht
darin", und wenn er die Sorgen der Verheirateten mit denen der
Unverheirateten in Vergleich stellt11). Indem er so die Gründe
darlegt, warum das Heiraten nicht nützlich sei, rät er wieder von dem ab, was
er oben gestattet hatte. Das gilt schon hinsichtlich der erstmaligen
Verheiratung, wieviel mehr noch hinsichtlich der zweiten! Wenn er uns aber
ermahnt, seinem Beispiele zu folgen, indem er zu erkennen gibt, wie er uns zu
sehen wünscht, d. h. enthaltsam, so erklärt er damit, wie er uns nicht zu sehen
wünscht, nämlich unenthaltsam. Also auch er gibt, indem er etwas anderes
wünscht, die Erlaubnis zu dem, was er nicht wünscht, weder aus freiem Antrieb
noch in Wirklichkeit, Denn wenn er das andere wollte, so hätte er es nicht bloß
erlaubt, sondern befohlen.
Allein siehe da, er
erlaubt doch wiederum, daß ein Weib, nachdem ihr Mann gestorben, heiraten
könne, wenn sie wolle, aber nur im Herrn. „Seliger aber", sagt er, „wird
sie sein, wenn sie so bleibt nach meinem Rate. Ich glaube aber, ich habe auch
den Geist Gottes"12). Wir sehen da der Ratschläge zwei:
den, wonach er oben das Heiraten gestattet, und den, wodurch er hinterher die
Enthaltung vom Heiraten lehrt. Welchem sollen wir also, fragst du nun,
zustimmen? Schau her und lies! Wo er bloß gestattet, da beruft er sich auf
einen bloß menschlichen, weisen Rat, wo er aber die Enthaltsamkeit proklamiert,
da behauptet er, daß es der Rat des Hl, Geistes sei, Folge du dem Rate, auf
dessen Seite die Gottheit steht! Den Geist Gottes, den haben zwar auch die
Gläubigen13); aber nicht alle Gläubige sind Apostel, Da also er,
welcher sich vorher einen Gläubigen genannt hatte, nacher hinzusetzt, er habe
den Geist Gottes, was auch von einem bloßen Gläubigen niemand bezweifelt haben
würde, so hat er es deshalb gesagt, um sich seine Würde als Apostel wieder
beizulegen. Denn im eigentlichen Sinne haben nur die Apostel
den Hl. Geist, sie, die ihn in seiner
Fülle besitzen in Werken der Prophetie, in Betätigung von Wunderkräften und in
Bewährung der Sprachengabe, nicht bloß teilweise wie die anderen Leute. Und so
hat er denn die Autorität des Hl. Geistes bei dem Falle hinzutreten lassen,
welchem wir, wie es sein Wunsch ist, lieber gehorchen sollen, und es ist damit
schon nicht mehr ein bloßer Rat des Hl. Geistes, sondern, entsprechend der
Majestät desselben, eine Vorschrift daraus geworden.