13. Zu dieser meiner Anmahnung,
geliebtester Bruder, kommen noch Beispiele aus der Heidenwelt. Wir haben uns
derselben schon oft als Belege da bedient, wo etwas als gut und Gott
wohlgefällig auch von den draußen Stehenden anerkannt und durch ihr Zeugnis
verherrlicht wird. Die einmalige Ehe steht bei den Heiden im höchsten Ansehen,
so daß sogar, wenn Jungfrauen eine gesetzliche Ehe eingehen, eine eingattige
Witwe als Brautführerin hinzugezogen wird; und wenn es auch nur der
Vorbedeutung wegen geschieht, so jedenfalls um der guten Vorbedeutung willen. Die
eingattige Witwe erhält die erste Stelle, z. B. bei gewissen Feierlichkeiten
und Götterdiensten. Wenigstens ist die Flaminica immer nur eine eingattige, und
dasselbe Gesetz gilt für den Flamen. Auch der Umstand, daß der Pontifex Maximus
selbst die Ehe nicht wiederholen darf, ist jedenfalls eine Verherrlichung der
einmaligen Ehe. Wenn der Satan aber die Geheimnisse Gottes nachäfft, so ist es
für uns eine starke Herausforderung, oder vielmehr eine Beschämung, wenn wir
lässig sind, Gott die Enthaltsamkeit darzubringen, welche einige dem Teufel
leisten, bald durch Jungfräulichkeit, bald durch beständige Witwenschaft.
Bekannt sind ja die Jungfrauen der Vesta, die Jungfrauen der Juno in einer
Stadt Achaias, die des Apollo in Delphi, die der Minerva und Diana an gewissen
Orten. Wir sehen auch enthaltsame Männer, nämlich die Priester jenes bekannten
ägyptischen Stieres, von enthaltsamen Weibern aber kennen wir die Priesterinnen
der afrikanischen Ceres, welche sogar in freiwilliger Aufgebung der Ehe alt
werden und von der Zeit an jede Berührung mit ihren Männern, sogar die Küsse
ihrer eigenen Söhne vermeiden. So hat der Teufel eine Art von Verderben
bringender Enthaltsamkeit
nach vorherigem Genuß der
Wollust erfunden, damit die Schuld der Christen der die heilbringende
Enthaltsamkeit zurückweist, um so größer werde.
Als Beweis dafür
dürften uns auch gewisse heidnische Frauen dienen, welche wegen ihres
beharrlichen Aushaltens bei einem Manne Ruhm erlangt haben. Eine gewisse Dido,
welche in ein fremdes Land geflüchtet war, wo sie die Ehe mit dem Könige
ihrerseits hätte wünschen sollen, wollte, um nicht eine zweite Ehe eingehen zu
müssen, lieber Begierde leiden als heiraten. Lukretia, welche nur einmal und
wider ihren Willen mit einem fremden Manne zu tun gehabt hatte, wusch ihren
befleckten Leib sogar in ihrem eigenen Blute rein, um nicht zu leben als eine,
die in ihren eigenen Augen schon nicht mehr eingattig war.
Zahlreichere und
zuverlässige37) Beispiele würde man bei den
Unserigen finden, und zwar sind sie in anderer Weise erhaben, weil es
schwieriger ist, in der Enthaltsamkeit zu leben als für sie zu sterben. Es ist
leichter, sein Leben hingeben, weil man ein Gut verloren hat, als durch das
Leben das zu bewahren, wofür man gern sterben würde. Wie viele Männer und wie
viele Frauen zählen um ihrer Enthaltsamkeit willen zu den kirchlichen Ständen!
Sie wollten lieber Bräute Gottes sein, sie brachten selber ihren Leib wieder zu
Ehren und erwarben schon hienieden die Weihe der Kinder der anderen Welt, indem
sie die Begierlichkeit des Fleisches und alles das in sich ertöteten, was
keinen Zutritt ins Paradies erhalten kann. Daraus muß man die Überzeugung
schöpfen, daß diejenigen, welche Aufnahme ins Paradies erhalten wollen, endlich
einmal von dem ablassen müssen, wovon das Paradies unberührt ist38). Gnade also sei mit dem, der
es einsieht! Gedenke in deinen Gebeten des Tertullian, der hierzu ermahnt.