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9. Nicht einmal jene Art von Ungeduld,
die durch den Verlust unserer Angehörigen herbeigeführt wird, wo dem Schmerz
eine Art Recht zur Seite steht, läßt sich verteidigen. Denn man muß der
Rücksicht auf den Befehl des Apostels den Vorzug geben, der sagt: „Betrübet
euch nicht beim Hinscheiden von irgend jemand wie die Heiden, welche keine
Hoffnung haben"11). Und mit Recht. Denn indem wir an
die Auferstehung Christi glauben, glauben wir, um derentwillen er gestorben und
auferstanden ist, auch an unsere Auferstehung. Da für uns also die Auferstehung
der Toten eine feststehende Sache ist, so ist für den Schmerz über den Tod kein
Platz mehr, ebensowenig für die Ungeduld in Ertragung des Schmerzes, Warum
solltest du es mit Ungeduld ertragen, daß dir vorläufig eine Person entrissen
sei, von der du glaubst, daß sie zurückkehren werde? Was du für Sterben hältst,
ist nur ein Verreisen. Wer vorausgegangen ist, den darf man nicht betrauern,
sondern höchstens nach ihm verlangen. Auch dieses Verlangen muß durch die
Geduld gemildert werden. Warum wolltest du den Hingang derer, denen du bald
nachfolgen wirst, nicht mit Mäßigung ertragen? Im übrigen ist Ungeduld in
dergleichen Dingen auch ein schlechtes Zeichen für unsere eigene Hoffnung sowie
eine Abirrung - 49 -
] vom Glauben, Sogar Christum
selbst beleidigen wir, wenn wir die von ihm Abberufenen beklagen zu müssen
glauben und ihren Verlust nicht mit Ruhe ertragen. „Ich wünsche", sagt der
Apostel, „aufgenommen zu werden und bei Christus zu sein"12). Er hält uns einen ganz
ändern Gegenstand des Begehrens vor! Sind wir nun traurig und ungeduldig, wenn
andere ihre Wünsche erreicht haben, dann haben wir selbst den Wunsch nicht, sie
zu erreichen.
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